Zusammen in der Natur forschen und lernen: 2019 fiel der Startschuss für das Reallabor Queichland im Landauer Horstviertel. Im Zentrum des Projekts stehen naturwissenschaftliche Experimente zu den Themen Wasser, Land und Luft. Professor Björn Risch, Leiter der AG Chemiedidaktik und des Zentrums für Bildung und Forschung an Außerschulischen Lernorten (ZentrAL) am Campus Landau, hat unter Beteiligung mehrerer Institute der Universität und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern das Projekt ins Leben gerufen.
Noch vor wenigen Jahren war die mehrere Hektar große Fläche zwischen dem Freizeitbad LaOla und dem Eduard-Spranger-Gymnasium (ESG) eher unscheinbar. Mehr als ein paar Trampelpfade zwischen den hohen Gräsern gab es nicht. Der begradigte Flusslauf der Queich war für Besucher nur schwer begehbar. Das änderte sich 2017 mit der Renaturierung der Queich, die im Rahmen der Aktion Blau Plus ermöglicht wurde. “Das ‘Plus’ steht für die Bürgerbeteiligung, aber auch für die Mitarbeit von Schulen und Universitäten”, erklärt Professor Björn Risch von der Universität Koblenz-Landau. So entstand auch ein Umweltparcours mit verschiedenen Infotafeln zum Thema Wasser im Kontext Nachhaltigkeit.
Einen Mehrwert schaffen
In unserer Serie Aus dem Labor stellen wir Menschen und Projekte vor, die die Forschung voranbringen.
Risch sah das große Potenzial der Fläche: So gibt es einige Schulen und Kindertagesstätten in der Umgebung und insgesamt viele Kinder und Jugendliche, die in der Nähe dieser Fläche wohnen. Außerdem ist das Gelände von der Universität aus gut mit dem Fahrrad zu erreichen. Er fragte sich, wie man hier für die Bürger einen Mehrwert schaffen und die Fläche so gestalten könnte, dass sie möglichst über Jahre genutzt wird. “Meine Expertise liegt eigentlich darin, Lernumgebungen im Freiland zu schaffen”, erklärt der Chemiedidaktiker. “Und die Voraussetzungen dafür hatten wir. Wir haben zum einen das Freilandmobil. Das ist ein Zirkuswagen, der zu einem mobilen Schülerumweltlabor umgebaut wurde, aber schon länger auf dem Gelände des Eduard-Spranger-Gymnasiums steht. Und zum anderen haben wir die Schüler und die Fläche. Deswegen ist ein Reallabor etwas, was gut hierzu passt.” Die Idee dazu kam ihm während eines Workshops. “Mit Reallabor ist so etwas wie eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemeint”, erklärt Risch. Tatsächlich gibt es bereits andere Reallabore in Deutschland. Eins in Stuttgart beschäftigt sich zum Beispiel damit, wie die Schultoiletten in Zukunft ansehnlicher gestaltet werden können. In Karlsruhe gibt es sogenannte Quartiere: Stadtviertel, die zu einem Reallabor geworden sind und zum Beispiel Reparatur-Cafés anbieten. Da die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) die Mittel, insgesamt 300.000 Euro, zur Verfügung gestellt hat, war der Weg für das Reallabor Queichland geebnet. Hier werden seit nun knapp einem Jahr schwerpunktmäßig Bildungsangebote zum Thema Wasser, Land und Luft umgesetzt. Der Fokus liegt auf Nachhaltigkeit.
Forschung für alle…
Dabei ist es Risch ein großes Anliegen, die naturwissenschaftliche Forschung der Universität jedem Interessenten zugängig zu machen. “Wir haben Spitzenforschung im Fachbereich für Natur- und Umweltwissenschaften am Campus Landau und das wird auch national und international so gesehen, aber die Bürger bekommen das gar nicht so mit. Und es dauert auch unglaublich lange, bis Innovationen in Schulen ankommen.” Bislang haben Risch und sein Team mehrere Mitmach- sowie Informationsangebote im Kontext von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) initiiert. So haben sie zum Beispiel ein regelmäßig stattfindendes Experimentier-Café auf die Beine gestellt, welches für Besucher vom Grundschul- bis zum Seniorenalter und somit auch für Familien bestens geeignet ist. Mit einer selbstgebauten “CO2-Salatschale” kann unter anderem die CO2-Ausgasung an mehreren Stellen der Queich gemessen und auf unterschiedliche Einflussfaktoren wie Temperatur und Fließgeschwindigkeit geschlossen werden. Ein integrierter Bluetooth-Sensor sorgt dafür, dass die Daten auch auf mobilen Endgeräten abgerufen werden können.
… auch global
“Es gibt immer noch viele Menschen auf der Welt, die sterben, weil sie keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Und wir hätten das Know-how, über einfache Versuche aufzuzeigen, wie man zum Beispiel Wasser mit Hilfe von Haushaltsmitteln reinigt. Wir haben ein Experiment mit Samen des Moringa-Baumes entwickelt, den man nutzen kann, um damit verschmutztes Trinkwasser zu reinigen. Wenn wir das den Schülern hier zeigen, finden die das zwar beeindruckend, aber sehen noch nicht den Überlebenssinn dahinter”, bemerkt Risch und ist sich sicher: “Wenn wir es schaffen, Kooperationen, zum Beispiel mit Schulen in Ruanda, einzugehen und unsere Erkenntnisse dort anzuwenden, hätten wir die Globalisierungsidee der Bildung für nachhaltige Entwicklung gut erfüllt.” Gleichzeitig sei neben der Bildung als solche ein weiteres Ziel des Reallabors, einen Standort zu schaffen, an dem sowohl umweltwissenschaftlicher Fachforschung als auch umweltdidaktischer Forschung nachgegangen werden kann. So könnten die Schüler beispielsweise durch eine regelmäßige Messung der CO2-Ausgasung an verschiedenen Punkten der Queich ein gutes Datenmonitoring ermöglichen. Daneben interessiere aus didaktischer Sicht auch, wie sich ein solcher Lernort etwa auf die Naturverbundenheit oder Umwelteinstellungen der Teilnehmer auswirkt.
Zukunftspläne
Für die Zukunft hat Risch noch viele Ideen: So ist beispielsweise ein Workshop zu einem XXL-Insektenhotel in Aussicht. Ebenso soll gemeinsam mit der Umweltgruppe der Universität ein Urban-Gardening-Projekt in die Wege geleitet werden. Zusammen mit der Stadt Landau ist auch die Errichtung eines Geoackers mit geologisch interessanten Steinen der Region in der Überlegung. Darüber hinaus fände es Risch schön, wenn man die Leute für regelmäßige “Dreck-Weg-Tage” begeistern könnte. “So wäre es möglich, die Menschen dafür zu sensibilisieren, nicht ihren Müll auf der Fläche abzuladen. Ich sammele manchmal Scherben aus dem Fluss auf, weil es natürlich eine Katastrophe ist, wenn die Kinder barfuß durch die Queich waten und sich die Füße aufschlitzen, nur weil jemand seine Bierflasche dort hineingeschmissen hat.”
Um mehr Menschen – und vor allem auch eine jüngere Zielgruppe – zu erreichen, ist das Team um das Reallabor Queichland auch in den sozialen Medien aktiv. Dabei werden nicht nur auf Facebook, sondern auch auf Instagram und Twitter regelmäßig Beiträge veröffentlicht. “Im Moment sind wir noch mehr die Organisatoren”, berichtet der Professor. “Als Chemiker würde ich sagen, fungieren wir gerade als Katalysator. Wir versuchen, Projekte anzuschieben, und wir hoffen, dass wir uns dann zurücklehnen können und sich eine Eigendynamik entwickelt. “Wir können Impulse geben und Ideen unterstützen. Aber auf Dauer können wir das nicht alles alleine stemmen. Das ist auch nicht die Idee des Reallabors. Hier sollen alle nicht nur mitmachen, sondern auch mitgestalten”, betont Risch. Schon jetzt haben er und sein Team es geschafft, der vormals ungenutzten Fläche Leben einzuhauchen.
Carolin Frank