Abschlussarbeiten

Sterbebegleiter im Hospiz: Vom Tod für das Leben lernen

Juliana Siemes beschäftigt sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Thema Bildung im Kontext des Tabuthemas Tod. Foto: Esther Guretzke

Juliana Siemes beschäftigt sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Thema Bildung im Kontext des Tabuthemas Tod. Foto: Esther Guretzke

In ihrer Bachelorarbeit erforscht Juliana Siemes die Bildungsprozesse ehrenamtlicher Sterbebegleiter und beschreibt, welche Auswirkungen die Grenzerfahrungen haben, die Sterbebegleiter im Hospiz machen, während sie Menschen auf der Schwelle zwischen Leben und Tod zur Seite stehen.

Wer sind Sie und was studieren Sie?

Ich bin Juliana Siemes und ich habe Pädagogik am Campus Koblenz studiert.

Was ist das Thema Ihrer Abschlussarbeit?

Wie organisiert man die letzte Phase des Studiums? In unserer Serie berichten Studierende von ihren Abschlussarbeiten.

Meine Bachelorarbeit Bildungsprozesse in der Sterbebegleitung befasst sich damit, inwiefern bei den ehrenamtlichen Sterbebegleitern Bildungsprozesse im Rahmen ihrer Tätigkeit ablaufen und wie sie ablaufen. Ich habe dafür Interviews mit Sterbebegleitern geführt, sie transkribiert und ausgewertet. Es geht in der Arbeit um die Frage, welche Auswirkungen das Ehrenamt als Sterbebegleiter auf den Menschen hat und ob dadurch Bildungsprozesse angestoßen werden. Bildungsprozesse werden durch das Moment der transformatorischen Bildung charakterisiert. Dieser Bildungsbegriff geht auf Humboldt zurück und definiert Bildung als grundlegende Veränderung des Selbst durch die Umwelt. Auch wenn alle Sterbebegleiter subjektiv entscheiden, welche Erfahrung sie als wertvoll ansehen, liegt allen dieselbe intentionale Erfahrung zugrunde und zwar die der Sterbebegleitung. Die Empfindungen und Gefühlsqualitäten sind zwar äußerst verschieden, mein Ziel war es dennoch, diese Erfahrungen zu vergleichen und unter der Perspektive der transformatorischen Bildung zu betrachten.

Wie kamen Sie auf dieses Thema?

In einem Seminar von Frau Dr. Engelfried-Rave zum Thema Trauer und Tod stellte sich eine Mitarbeiterin des Hospizvereins Koblenz vor und hielt einen Vortrag zur Hospizarbeit. Ein wesentlicher Punkt dabei war die ehrenamtliche Sterbebegleitung. Damit war meine Neugierde geweckt.

Was sind Ihre Ergebnisse?

Die Ergebnisse dieser Arbeit stellen dar, dass die Bildungsprozesse, die bei Sterbebegleitern ablaufen, durch ständige neue Herausforderungen entstehen. Die zu begleitenden Menschen sind Personen, die an der Schwelle vom Leben zum Tod stehen. Sie befinden sich somit in einer existenziellen Krisensituation. Das Sterben als letzte Krise steht ihnen bevor. Der Sterbebegleiter kommt unweigerlich in die Situation, mit Gedanken über den eigenen Tod konfrontiert zu werden. Sich mit diesen lebenswichtigen Fragen auseinanderzusetzen, ist fester Bestandteil der Sterbebegleitung.  Daraus lässt sich schließen, dass man im Tätigkeitsfeld der Sterbebegleitung vermehrt Grenzerfahrungen macht.

In der Arbeit wird außerdem auf die Entwicklung von Bildungsprozessen eingegangen. Die Erfahrungen der Sterbebegleiter, die ihre Welt- und Selbstverhältnisse verändert haben, sind durch eine Begegnung mit dem Unbekannten gekennzeichnet. Zum einen beinhaltet das Unbekannte die konträren Welt- und Selbstverhältnisse anderer Menschen, mit denen der Sterbebegleiter konfrontiert wird. Zum anderen können darunter Situationen verstanden werden, die in dieser Form noch nicht selbst erlebt wurden. Bisher angewandte Handlungsmuster reichen nicht mehr aus. Die Sterbebegleiter müssen neue Kompetenzen erwerben.

Welche Tipps geben Sie Studierenden, die auf der Suche nach einem passenden Thema sind?

Erst einmal sollte man sehr offen an das Ganze herangehen. Wenn man einen Impuls bekommt,  sollte man sich weiter damit beschäftigen, unabhängig von Trends oder weil es einfacher wäre, über ein anderes Thema zu schreiben. Das Thema muss einen interessieren und am besten aus diesem Interesse heraus schon länger gedanklich beschäftigen.

Nach welchen Kriterien haben Sie den Betreuer Ihrer Abschlussarbeit ausgesucht?

Nach dem Kriterium der Fachkenntnis. Frau Dr. Engelfried-Rave ist Expertin auf dem Gebiet, da sie sich in ihrer eigenen Arbeit sehr intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt und dazu immer wieder Seminare anbietet.

In der Bibliothek, im Café oder zu Hause – wo schreiben Sie am liebsten?

Ich brauche Abwechslung. Teilweise war ich in der Bibliothek, teilweise in der Wohngemeinschaft und teilweise in meinem Elternhaus. Räumliche Freiheit macht auch meinen Geist frei.

Wie organisieren Sie Ihren Arbeitsablauf?

Mein Arbeitsablauf ist wirklich sehr einfach. Ich setzte mich morgens an die Bachelorarbeit, arbeite bis zwölf Uhr, da ich mich dann sehr gut konzentrieren kann. Ansonsten bin ich eine Nachteule. Tagsüber habe ich auch mal draußen die Sonne draußen genossen, meine Einkäufe erledigt und mit Freunden etwas gemacht. Abends wurde dann dafür richtig in die Tasten gehauen.

Was unternehmen Sie zum Ausgleich zur wissenschaftlichen Arbeit?

Ich habe das nicht so gut drauf, ausgeglichen zu sein. Manchmal setzte ich mich einfach raus in die Sonne. Das finde ich sehr entspannend. Im Winter war das eher schwierig, da wurde das wissenschaftliche Arbeiten schon ein Vollzeitjob. Aber am Wochenende war Wochenende. Da habe ich nichts geschrieben, außer gegen Ende. Ich habe Freunde besucht oder meinen Freund.

Schreibblockaden, Krisen, Selbstzweifel – kennen Sie das? Was machen Sie in solchen Momenten?

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass hatte ich nicht. In anderen Seminaren musste ich bereits transkribieren und analysieren. Der Ablauf ist immer derselbe. Durch die Erfahrung wusste ich, wie ich vorgehen musste. Das kann bei anderen Arbeiten anders sein, bei meinem Interview war das aber nicht so. Beim Fazit kamen manchmal leichte Unsicherheiten auf. Auch die Analyse ist bei dem ersten Interview am schwierigsten, kann aber in späteren Schritten übernommen werden. Da hatte ich wirklich Glück.

Was sind Ihre Pläne für die Zeit nach dem Abschluss? Wissen Sie schon, was Sie beruflich machen möchten?

Ich werde drei Monate nach Malta gehen. Zwei Monate werde ich bei einer Gastfamilie leben und auf eine Sprachschule gehen, um mein Englisch zu verbessern. Danach werde ich einen Monat Backpacking machen und mir das Land anschauen. Für meinen Master werde ich  mich ab Mai bewerben.

Esther Guretzke