Promovierende im Interview

Angewandte Forschung im Freien

Promovendin Madlen Gerke an der Nister. Hier führt sie ihr Freilandexperiment durch. Foto: Jan Reutelsterz

Promovendin Madlen Gerke an der Nister. Hier führt sie ihr Freilandexperiment durch. Foto: Jan Reutelsterz

Beruflich gegen den Strom: Madlen Gerke ist Doktorandin in der Projektgruppe Aquatische Ökologie. In der Freilandsaison watet sie oft durch die Nister, die sich durch den Westerwald schlängelt. Kilometer um Kilometer geht es stromaufwärts, Fische fangen. Gerke erforscht, wie negative Folgen der Nährstoffbelastung in Flüssen mithilfe von Fischen ausgeglichen werden können.

Bitte beschreiben Sie Ihre Forschung in wenigen Sätzen.

Die Serie

Sie forschen, organisieren Tagungen oder schreiben Fachartikel: In dieser Serie berichten wir über Promovierende und ihre Forschung an unserer Universität. Und fragen: Was ist ihr Thema? Was sind ihre Leidenschaften? Wieso haben sie sich für eine Promotion entschieden? Wie organisieren sie ihr Arbeitspensum?

Ich versuche herauszufinden, inwieweit die Qualität von nährstoffbelastetem Gewässer durch Nahrungsnetzsteuerung verbessert werden kann. Hintergrund ist die Belastung durch Landwirtschaft und kommunale Abwässer. Durch diese kommt es zu einem Überschuss an Nährstoffen in fließenden Gewässern. Das führt wiederum zu einer erhöhten Bildung von bestimmten Algen, die das Kiesbett verstopfen und somit ein Problem für im Kies laichende Fische darstellen. Die Nährstoffbelastung lässt sich nur mit erheblichem Aufwand verringern. In meiner Forschung beschäftige ich mit der Frage, ob die schädlichen Folgen der Nährstoffbelastung durch algenfressende Fische reduziert werden können. Dafür führe ich Freilandexperimente an der Nister im Westerwald durch.

Was sind das für Stoffe, die das Gewässer belasten? Inwieweit sind sie gefährlich für den Menschen?

In Fließgewässern ist vor allem der Nährstoff Phosphat problematisch. Dieser kann das Ökosystem stark belasten. Bei hohen Konzentrationen können Aufwuchsalgen unbegrenzt wachsen. Dadurch bildet sich dann ein Teppich aus Algen am Grund, der das Kiesbett verstopft. Das bedeutet für alle Gewässerlebewesen eine Gefährdung. Fischlarven und wirbellose Kleintiere wie Muscheln brauchen ein sauerstoffreiches, gut durchströmtes Kiesbett. Für den Menschen ist das nicht gefährlich. Aber es hat durchaus negative Folgen: Wer geht schon gerne an einem veralgten, stinkigen Fluss spazieren? Seine Füße wird wohl auch keiner eintauchen wollen.

Sie suchen nach kostengünstigen Methoden, um das Wasser sauber zu halten. Was gibt es bereits und von Kosten in welcher Höhe sprechen wir eigentlich?

In Seen und Talsperren wurden viele verschiedene Methoden entwickelt, um die Nährstoffbelastung und deren Folgen zu reduzieren. Die Kosten variieren je nach Anlage und Situation. Bei einem See, der ein relativ abgeschlossenes Ökosystem ist, sind solche Maßnahmen noch vergleichsweise einfach. In Fließgewässern werden aber an vielen Stellen Nährstoffe durch Kläranlagen und Landwirtschaft eingetragen.  Im Fall der Nister geht es beispielsweise um etwa 30 Kläranlagen. Den Nährstoffeintrag in die Nister zu reduzieren, ist deshalb teuer und sehr aufwändig. Ich kenne zwar die genauen Kosten nicht, gehe aber davon aus, dass wir uns in Millionen-Höhe bewegen.

Wer ist dafür verantwortlich, dass die Gewässer gereinigt werden? Die Kommunen oder die Landwirtschaft?

In der Regel betreiben entweder die Kommunen oder Wasserverbände die Kläranlagen. Damit sind sie direkt verantwortlich. Der Bund trägt aber einen Teil dazu bei, da sich Deutschland verpflichtet hat, die europäische Wasserrahmenrichtlinie -kurz WRRL – umzusetzen. Diese sieht vor, dass alle Oberflächengewässer bis 2027 einen „guten ökologischen Zustand“ aufweisen müssen. Hieraus ergeben sich unter anderem Gesetze beziehungsweise Auflagen, die die Landwirtschaft dazu auffordert die Nährstoffeinträge zu begrenzen.

Im Sommer ist es bestimmt schön, mit beiden Beinen im Wasser zu stehen. Oder wie kann man sich Ihre Freilandexperimente vorstellen?

Sicher ist es toll, bei schönem Wetter im oder am Wasser zu arbeiten. Aber es ist nicht immer so idyllisch. Unsere Forschung ist oftmals anstrengend. Bei unseren Fischbestandserfassungen müssen wir beispielsweise einen Kilometer gegen die Strömung durchs Wasser waten – und dabei Fische fangen. Im Hochsommer müssen wir schwere Gefrierkernproben aus dem Flussbett entnehmen. An besonders heißen Sommertagen fahren wir absichtlich in den ersten Morgenstunden los, um vor der Hitze des Nachmittags fertig zu werden.

Was fasziniert Sie an diesem Thema?

Vor allem der große Anwendungsbezug. Ich weiß, dass ich durch meine Forschung etwas zum Gewässer- und Umweltschutz beitragen kann. Die Arbeit im Freien halte ich für einen weiteren Pluspunkt, besonders wenn die Sonne scheint. Außerdem schätze ich die Abwechslung zwischen der Datengewinnung in der Natur und der Analyse im Labor.

Wieso haben Sie sich für eine Promotion entschieden?

Diese Entscheidung fiel im Laufe meines Masterstudiums der BioGeoWissenschaften in Koblenz. Als wissenschaftliche Hilfskraft in der Projektgruppe Aquatische Ökologie des Instituts für Integrierte Naturwissenschaften konnte ich bereits erste Erfahrungen im Feld sammeln. Ich verstehe es bis heute als Privileg, mich während der Promotion intensiv mit einem Thema auseinandersetzen zu dürfen.

Wie wird Ihre Promotion finanziert?

Ich habe eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin bis Ende des Jahres. Danach werde ich mich auf ein Abschluss-Stipendium bewerben, um meine Ergebnisse zu Papier zu bringen.

Welche zusätzlichen wissenschaftlichen Aktivitäten planen oder machen Sie bereits neben der Promotion?

Ich nehme an verschiedenen nationalen sowie internationalen Tagungen teil. Zuletzt habe ich erste Ergebnisse unserer Forschung in einem Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Limnologie  vorgestellt. Zudem habe ich bereits einen Fachartikel veröffentlicht, ein weiterer ist in Planung. Im Moment liegt der Fokus aber vor allem auf der Vervollständigung meines Datenmaterials. Dazu befinde ich mich zwei bis dreimal in der Woche im Feld.

Was sind Ihre beruflichen Pläne für die Zukunft?

Ich hoffe, langfristig in der Wissenschaft bleiben zu können. Trotz gelegentlicher Zweifel bezüglich der unsicheren Arbeitsbedingungen habe ich großen Spaß an der Forschung und Lehre. Im Anschluss an meine Promotion werde ich mich also nach einer geeigneten Stelle umschauen.

Was sollten Studierende mitbringen, die an eine Promotion denken?

Eine gesunde Portion Idealismus kann nicht schaden. Schließlich muss man über viele Jahre hinweg für wenig Geld arbeiten. Es ist also von Anfang an wichtig, sich für das gewählte Thema zu begeistern. Durchhaltevermögen gehört ebenso dazu wie Flexibilität. Gerade im Freiland kann stets etwas Unerwartetes passieren. Diese Erfahrung habe ich auch durchleben müssen. Im Sommer 2016 gab es ein extremes Hochwasser an der Nister, sodass das Projekt um zehn Monate verlängert wurde.

Welche Aufgaben ergeben sich noch im Zuge Ihrer Promotion?

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin übernehme ich einen großen Teil der Projektorganisation. Ich beschaffe das benötigte Equipment, arbeite an Zwischenberichten mit und betreue Studierende, die sich im Projekt engagieren möchten. Das geschieht sowohl im Rahmen von Forschungspraktika, als auch durch Abschlussarbeiten. Abgesehen davon kann ich mich absolut auf meine Forschung konzentrieren, wofür ich sehr dankbar bin. Meine Doktormutter Dr. Carola Winkelmann, Leiterin der Projektgruppe Aquatische Ökologie, ist immer für mich ansprechbar und nimmt sich bei Problemen Zeit.

Was unternehmen Sie, um sich zusätzlich zu qualifizieren?

Vor Kurzem haben ich meinen Elektrofischerei-Schein gemacht, um wissenschaftliche Untersuchungen zur Erfassung von Fischbeständen durchführen zu können. Dabei erzeugt ein Elektrofanggerät im Wasser ein elektrisches Feld, wodurch die Fische kurz betäubt werden und gefangen werden können. So können wir den Fischbestand erfassen und die Tiere im Anschluss wieder frei lassen. Zusätzlich übe ich mich im Aufsetzen von Auswertungen und Statistiken mithilfe des Programms R. 

Wie organisieren Sie Ihren Arbeitsablauf?

Zunächst muss ich unterscheiden zwischen der Freilandsaison und den Wintermonaten. Von Anfang März bis Ende Oktober verbringe ich viel Zeit beim Experiment im Freien. Da die Natur selten planbar ist, kommt es dazu, dass ich am Wochenende arbeite. Für die Auswertung der gesammelten Daten im Labor und die schriftliche Zusammenführung stehen mir die Wintermonate zur Verfügung.