Juniorprofessor Dr. Kai Lawonn vereint Zielstrebigkeit und Lässigkeit in einer Person. Innerhalb weniger Jahre schloss der 33-Jährige sein Studium, die Promotion sowie Habilitation ab, ohne in Stress zu verfallen. Der Spaß an seiner Arbeit motiviert ihn zur Höchstleistung. Wissenschaftliche Paper liest er am liebsten in seiner Hängematte im Büro am Institut für Computervisualistik.
Der Professorenberuf ist mit einigen Klischees behaftet: Lange über Büchern brüten, Zerstreutheit, Einsiedlertum, chaotische Tafelbilder… Was trifft davon auf Sie zu?
Unsere Profs sprechen mit dem Uniblog über Forschung, Lehre und Erinnerungen an die eigene Studienzeit.
Professoren grübeln wirklich oft. Dabei lese ich in meinem Fachgebiet eher Paper als Bücher. In meiner Funktion als Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Visualisierung arbeite ich auch viel am Rechner. Ich entwickle Programme, die im medizinischen Bereich angewandt werden und Ärzten dabei helfen, leichter Diagnosen aufzustellen oder Therapien vorzuschlagen. Über diverse Kooperationen stehe ich im interdisziplinären Austausch mit zahlreichen Kollegen. Den Aspekt des Einsiedlertums kann ich also auch verneinen.
Was hat es mit Ihrer Bürogestaltung auf sich? Nicht jeder hat eine Hängematte im Büro.
Kurz gesagt: Platzprobleme (lacht). Als ich noch in Berlin gewohnt habe, hing die Hängematte in meinem Wohnzimmer. Das ist in meiner jetzigen Wohnung nicht mehr möglich, daher ist sie nun hier. Die Entscheidung habe ich bisher noch nicht bereut. Viele meiner Gäste schmunzeln, sobald sie mein Büro betreten oder geben mir positive Rückmeldung zur Hängematte. Nicht wenige wollen sich auch selbst mal reinlegen. Sie schafft eine entspannte Atmosphäre zum Nachdenken und unterstützt mich beim Brainstorming. Ich selbst lese wissenschaftliche Paper am liebsten bei sanften Pendelbewegungen. Bei mündlichen Prüfungen in meinem Büro wirken die Studierenden auch weniger angespannt, sobald sie die Hängematte entdecken.
Wie waren Sie als Student?
Ich denke, dass ich ein sehr zielstrebiger Student war. Ich habe Mathematik studiert und musste wöchentlich zahlreiche Hausaufgaben bearbeiten. Die galten als Prüfungsvorbereitung und haben einen Großteil meiner Zeit verschlungen. Die übrige Zeit habe ich mit Nebenjobs gefüllt, um mein Studium finanzieren zu können. Da ich BAföG bezog, wollte ich damit auch schnellstmöglich fertig werden.
Was meinen Sie: Hat sich das heutige Studentenleben im Vergleich zu Ihrer Studienzeit verändert?
Meine Studienzeit liegt ja noch nicht so weit zurück. Ich habe von 2006 bis 2011 studiert. Es fällt mir schwer, mein Studium der Mathematik mit dem der Computervisualistik zu vergleichen. In der Mathematik mussten wir unzählige Hausaufgaben erledigen, in der Computervisualistik liegt das im Ermessen des Dozierenden. Ich selbst gebe meinen Studierenden noch immer Aufgaben mit nach Hause. Meine Studierenden sollen das Gelesene anwenden, um Vorgänge besser verstehen und nachvollziehen zu können. Außerdem denke ich, dass heute weitaus mehr im Internet recherchiert wird. Das war früher noch etwas anders.
Wann haben Sie gemerkt, dass der Weg in die Wissenschaften das Richtige für Sie ist? Gab es Alternativen zur Professorenlaufbahn für Sie?
Wenn ich an etwas Spaß hatte, ließ ich mich immer davon antreiben. Sobald ich ein mathematisches Rätsel lösen konnte, hat mich dieser Erfolg motiviert, weiterzumachen. Mir wurde bereits als Schüler klar, dass ich Mathematik studieren wollte. Ich lernte schon früh das universitäre Umfeld kennen, da ich Mitglied der Mathematischen Schülergesellschaft “Leonhard Euler” war. Die Gruppe bestand aus Schülern, die über herausragende mathematische Kenntnisse verfügten und von einem Professor weiter geschult wurden. Als Student wusste ich dann, dass ich in der Wissenschaft bleiben wollte. Also habe ich mich bundesweit auf etwa 80 Promotionsstellen beworben, wobei ich vier positive Rückmeldungen erhielt. Innerhalb von zwei Jahren und vier Monaten habe ich an der Universität Magdeburg promoviert, bevor ich an die Universität Koblenz-Landau kam.
2011 das Diplom, 2014 den Doktortitel und 2017 die Habilitation. Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst bin ich als Juniorprofessor an der Universität Koblenz-Landau beschäftigt. Dieses Konzept wurde eingeführt, um jungen Wissenschaftlern eine Habilitation zu ersparen und sich trotzdem als Professor zu etablieren. Die Stelle ist gestaffelt in zweimal drei Jahre, wobei meine Arbeit nach den ersten drei Jahren erstmals evaluiert wurde. Im Fokus standen dabei die Lehre sowie meine Forschung. Im Oktober 2018 wurde meine Stelle um drei weitere Jahre verlängert. Danach besteht für mich die Aussicht auf eine Festanstellung als Professor. Habilitiert habe ich trotzdem (lacht).
Was begeistert Sie an Ihrem Fachgebiet?
Mir gefällt vor allem der interdisziplinäre Austausch, etwa wenn ich mit Ärzten zusammenarbeite. Ich beschäftige mich ständig mit neuen Problemen und schätze die Herausforderung, wobei ich auch gerne kreativ werde. Es macht mir einfach Spaß, neue Programme und Technologien zu entwickeln, die den Alltag der Menschen erleichtern.
Was gefällt Ihnen an der Arbeit an der Universität?
Ich schätze die Freiheit, mir meine eigenen Forschungsfragen zu stellen. Sich selbst seinen Fokus setzen zu können, macht einen charmanten Unterschied zur Industrie aus. Es gefällt mir auch, dass es egal ist, ob ich im Zug, Büro oder Café arbeite. Ich bin völlig unabhängig, was meinen Arbeitsplatz angeht. In der Lehre bin ich in der medizinischen Visualisierung, Bildbearbeitung sowie im Mesh Processing tätig. Es fühlt sich großartig an mit den Studierenden in diesen Fächern zusammenzuarbeiten.
Moment mal. Was bedeutet denn Mesh Processing?
Das deutsche Pendant hierzu lautet Geometrieverarbeitung. Bei Mesh Processing handelt es sich um ein Forschungsgebiet, das Konzepte aus der angewandten Mathematik, Informatik und Technik nutzt. Es geht darum, effiziente Algorithmen für die Erfassung, Rekonstruktion, Analyse, Manipulation, Simulation und Übertragung komplexer 3D-Modelle zu entwickeln.
Was macht in Ihren Augen einen guten Professor aus?
Aus der Sicht der Studierenden würde ich sagen, dass ein guter Professor stets ein offenes Ohr hat. Er sollte aufgeschlossen und bei Problemen ansprechbar sein. Aus dem Blickwinkel der Kollegen würde ich behaupten, dass ein guter Professor aktiv Forschung betreibt und über Anträge Gelder akquiriert.
Welches Buch oder Paper liegt gerade ganz oben auf Ihrem Schreibtisch?
Momentan lese ich Thinking, Fast and Slow von Daniel Kahneman, um mich persönlich weiterzubilden. Im Buch werden Experimente beschrieben, die darauf abzielen, dass Menschen über zwei Varianten des Denkens verfügen: instinktiv und emotional. Außerdem sitze ich auch an der Biografie des Physikers Richard P. Feynman: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman. Dieses Buch dient aber eher meiner Unterhaltung.
Welche Dinge mögen Sie fernab des wissenschaftlichen Alltags? Was unternehmen Sie als Ausgleich zur Denkarbeit an der Uni?
Nun, natürlich überlege ich mir gerne besonders fiese Fragen für anstehende Klausuren (lacht). Davon einmal abgesehen, lese und zeichne ich sehr gerne. Ich versuche auch, musikalisch auf meiner Gitarre aktiv zu bleiben, wobei das eher in den Hintergrund gerückt ist.
Das Interview führte René Lang