Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Christian Dietze stieg nach seinem Abschluss als Diplom-Informatiker am Campus Koblenz zunächst als Trainee bei der Deutschen Telekom ein. 16 Jahre später sitzt der 41-Jährige in seinem Büro in Abu Dhabi und koordiniert Telekommunikationsprojekte für die Telekom-Tochterfirma Detecon International.
Sie sind Partner bei der Detecon International GmbH: Wie sind Sie an den Job gekommen?
Die Serie
Wie soll es nach dem Abschluss weitergehen? Inspiration bieten Alumni der Universität Koblenz-Landau: In unseren Porträts erzählen sie von Karriere, Arbeitsalltag und Erinnerungen an die Studienzeit.
Bei der Deutschen Telekom fing alles an. Nach meinem Abschluss in Informatik habe ich dort für 15 Monate an einem internationalen Führungs-Nachwuchsprogramm teilgenommen. In dieser Zeit habe ich viele verschiedene Unternehmensbereiche in Deutschland und im Ausland kennengelernt. Ich war in Bonn angestellt, hatte aber zum Beispiel eine dreimonatige Station bei T-Mobile in London. Im Anschluss an das Traineeprogramm konnte ich im Konzern bleiben und hatte in meinen Arbeitsbereichen immer einen starken Bezug zu den Themen Prozessmanagement und IT. Vor zehn Jahren habe ich dann bei der Firma Detecon angefangen – das steht für Deutsche Telekom Consulting. Als Unternehmensberatung der Telekom beraten wir sowohl unseren Mutterkonzern als auch Automobilunternehmen wie BMW, Porsche und Audi, aber auch Banken, Versicherungen und Telekommunikationsunternehmen sowie Ministerien im Ausland. Unser Schwerpunkt liegt auf innovativen Telekommunikationstechnologien und Managementberatung.
Während wir telefonieren, sitzen Sie in Ihrem Büro in Abu Dhabi…
Während meiner ersten fünf Jahre in Deutschland haben wir bereits viele Projekte im Mittleren Osten und in Nordafrika betreut, sodass ich damals regelmäßig dorthin gereist bin. Da in diesen Ländern viel Geld in den Aufbau neuer Telekommunikationsunternehmen investiert wird, gab es für die dort ansässigen Firmen einen hohen Beratungsbedarf. So wechselte ich nach Abu Dhabi. Anstatt alle ein bis zwei Wochen hinzufliegen, habe ich mich komplett hier niedergelassen, um näher bei den Kunden zu sein. Privat fühle ich mich hier sehr wohl und sehe auch in den nächsten Jahren meine Zukunft hier.
Was sind Ihre Aufgaben?
Meine Hauptaufgabe besteht darin, neue Projekte für unsere Unternehmensberatung zu akquirieren. Ich bin im Vertrieb tätig und sobald wir ein Projekt gewonnen haben, bin ich auch für die gesamte Abwicklung verantwortlich. Der Neuaufbau von Telekommunikationsunternehmen bedeutet, Strategien zu erarbeiten, die Organisation und Arbeitsprozesse zu planen und im Bereich IT und Produktentwicklung beratend zur Seite zu stehen. Ich muss schauen, dass die richtigen Berater eingesetzt werden und schließe Verträge mit den Kunden. Ich bin für die Qualitätssicherung verantwortlich und auch für die Abrechnungen am Ende, damit wir für unsere Leistungen bezahlt werden. Da ich in einem deutschen Unternehmen arbeite und in meinem Team auch Mitarbeiter aus Deutschland habe, bin ich weiterhin regelmäßig in unserer Zentrale in Köln.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag aus?
Durch die verschiedenen Länder, Kunden, Themen, Projekte und die unterschiedlichen Beraterteams, mit denen man zusammenarbeitet, ist jeder Tag ein bisschen anders, selbst nach zehn Jahren. Es gibt dennoch Dinge, die ich jeden Tag mache, zum Beispiel Angebote für neue Projekte schreiben, mit denen wir uns bei den Kunden bewerben. Natürlich gibt es auch administrative Dinge zu erledigen – das kann eine Rechnungsstellung sein, eine Bankgarantie bei der Bank abholen, Interviews mit Bewerbern führen oder Telefon- und Videokonferenzen halten, da steht jeden Tag etwas anderes im Kalender.
Wie lebt es sich als Deutscher in Abu Dhabi?
Das Leben hier ist sehr angenehm. Zum einen genießen die Deutschen in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein hohes Ansehen, da wir als sehr strukturiert und ordentlich gelten und dafür bekannt sind, qualitativ hochwertige Produkte wie Autos zu entwickeln, die gerne gekauft werden. Zum anderen ist hier alles sehr international – neben 20 Prozent Einheimischen leben etwa 80 Prozent Ausländer in Abu Dhabi. Man kommt privat und beruflich mit vielen verschiedenen Leuten aus Südostasien, Indien und aus der arabischen Welt zusammen, trifft aber auch auf Europäer und Amerikaner – es ist sehr bunt. Ich fühle mich hier sehr sicher, die Infrastruktur ist super und letztendlich scheint an 365 Tagen im Jahr die Sonne.
Wie gestaltet sich das Arbeitsleben in den Emiraten?
Es wird anders und auch durchaus mehr gearbeitet. Das liegt unter anderem an den Arbeitstagen. Die Arbeitswoche in den Vereinigten Arabischen Emiraten geht von Sonntag bis Donnerstag. Der Freitag ist bekanntermaßen ein Arbeitstag in Deutschland und der Samstag ist ein Werktag im Iran, wo wir ebenfalls Kunden betreuen und Projekte durchführen. Irgendwo in der Welt wird also immer gearbeitet und so klingelt auch am klassischen deutschen Wochenende gerne mal das Telefon. Meine Tätigkeit ist außerdem mit einem hohen Reiseaufwand verbunden. Wir betreuen sämtliche Länder in der Region und ich sitze jede Woche im Flugzeug, beispielsweise in Kuwait, Katar, Saudi-Arabien, im Oman oder in China. Dazu kommt die Zeitverschiebung und man muss eigentlich an sieben Tagen in der Woche immer beobachten, was gerade so läuft.
Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Job?
Der Umgang mit den sehr unterschiedlichen Kulturen hier. Die Zuverlässigkeit und die Verbindlichkeit einiger Kunden ist immer eine Herausforderung. Während man aus dem deutschen und europäischen Umfeld gewohnt ist, spätestens am nächsten Tag eine Antwort auf eine E-Mail zu erhalten, werden Mails hier oft gar nicht beantwortet. Da man aber nicht jede Woche beim Kunden vor Ort sein kann, ziehen sich verschiedene Arbeitsschritte manchmal sehr lange hin. Daran muss man sich gewöhnen und eine gewisse Gelassenheit entwickeln.
Wussten Sie schon zu Studienbeginn, was Sie später machen wollen? Was war Ihr Traumjob?
Die Idee, im Ausland zu arbeiten, kam für mich erst gegen Ende des Studiums. Damals habe ich ein dreimonatiges Praktikum bei Motorola in den USA absolviert, das war mein erster längerer Auslandsaufenthalt. Es hat mir so gut gefallen, dass ich von da an den Wunsch hatte, später im internationalen Umfeld zu arbeiten. Von vornherein war aber klar, dass ich mich trotz Informatikstudium auf der Business-Seite sehe und im Projektmanagement arbeiten möchte. Ich bin nicht der klassische Softwareentwickler, der sich für technische Details begeistert, weshalb ich mich im Studium für den Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik entschieden habe. Auch heute habe ich inhaltlich nicht mehr viel mit klassischer IT zu tun, es sind vielmehr die Geschäftsabläufe in einem Unternehmen, die mir den größten Spaß machen.
Warum haben Sie sich für ein Studium an der Universität Koblenz-Landau entschieden?
Ich bin in Koblenz aufgewachsen, war in meiner Heimat sehr verwurzelt und meine beiden älteren Geschwister haben bereits an der Uni studiert. So war es für mich naheliegend, dort zu bleiben. Mit dem Informatikstudium habe ich zudem einen super Studienplatz gefunden und so konnte ich beides miteinander verbinden.
Welche Rolle spielt Ihr Studium für Ihre Tätigkeit als Partner?
Das Studium hilft mir noch heute, mich in neue Themen einzuarbeiten. Inhaltlich nah am Studium war die Arbeit an meinem Buch, das ich gemeinsam mit einem ehemaligen Mitarbeiter, der nun Professor an der Universität der Deutschen Telekom ist, geschrieben habe. Reference Architecture for the Telecommunication Industry ist vergangenes Jahr im Springer Verlag erschienen und eines der wenigen Bücher für die Telekommunikationsindustrie.
Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an Ihre Alma Mater und an Ihre Studienstadt Koblenz zurückdenken?
Der Umzug vom alten zum neuen Campus – ich habe mein erstes Semester noch in Oberwerth verbracht und bin zum neuen Campus nach Metternich umgezogen, wo ich meine gesamte Studienzeit mit den Informatikern verbracht habe. Den Umbau habe ich noch bildlich vor Augen. Die Unipartys fanden damals noch am ehemaligen Campus statt. Schöne Erinnerungen habe ich auch an die Rheinanlagen, wo wir mit Kommilitonen die Sommerabende verbracht haben.
Wie halten Sie noch Kontakt zur Uni?
Mit Heidemarie Komor, der Alumni-Referentin, stand ich schon mehrfach in Verbindung, und zu den ehemaligen Kommilitonen besteht vereinzelt, in eher unregelmäßigen Abständen, Kontakt. Zwei von ihnen sind ebenfalls ins Ausland gegangen und wir haben sogar relativ eng zusammengearbeitet. Wir sprechen uns nun etwa einmal im Jahr und tauschen Erfahrungen aus. Die Entfernung macht es natürlich nicht leicht.
Was haben Sie im Studium gelernt, was nicht in den Lehrbüchern zu finden ist?
Die Tatsache, dass man sich mit einem gewissen Ehrgeiz und guter Disziplin in sehr komplexe Themen einarbeiten kann. Dinge, die einem wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheinen, kann man lösen, wenn man sich konsequent hinsetzt und sich einarbeitet. Das lässt sich auch auf den Beruf übertragen.
Der beste Rat, den Sie je bekommen haben?
Der beste Rat für mich kam damals von Absolventen, die schon im Berufsleben angekommen waren. Sie rieten mir, in Erwägung zu ziehen, in die Beratungsbranche einzusteigen. Da ich Informatik studiert habe, war meine Sorge, dass ich aus der Schiene der Softwareentwicklung nicht mehr herauskomme. Den Schwenk zur Unternehmensberatung zu machen, war ein sehr wertvoller Hinweis für eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue.
Ihr schönstes Erlebnis an der Universität Koblenz-Landau?
Der Moment, in dem ich mein Diplomzeugnis in der Hand hielt. Wenn ich zurückblicke auf den ganzen Aufwand, den ich in mein Studium gesteckt habe, die bestandenen Diplomprüfungen, den Druck und die Arbeit, dann war es wirklich der tollste Moment, das geschafft zu haben. Aus der Zeit während des Studiums sind mir vor allem die kleineren praktischen Projektpraktika in positiver Erinnerung.
Generalist oder Spezialist – auf was sollten Studierende Ihres Faches bei der Wahl der Schwerpunkte achten?
Man muss sich überlegen, wohin man mit dem Abschluss möchte, da gibt es ja verschiedenste Wege. Für diejenigen, die in die IT und Softwareentwicklung möchten, ist der klassische Informatiker-Abschluss genau das richtige. Diejenigen, die so wie ich eher in die Business-Richtung gehen möchten, sollten darüber nachdenken, als Anwendungsfach oder Nebenfach etwas Betriebswirtschaftliches dazu zu nehmen, sodass man beide Seiten kennenlernt und mit den BWL-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren kann.
Was raten Sie unseren Studierenden, die sich für Ihre Berufsbranche interessieren?
Ich finde es wichtig, dass Absolventen Erfahrungen im Rahmen von Praktika gesammelt haben – am besten eine Mischung aus Inland und Ausland. Was man (leider) auch nicht unterschätzen darf, ist die Tatsache, dass in unserer Branche Unternehmen mit großen Namen im Lebenslauf tatsächlich einen besseren Eindruck machen. Denn gerade bei uns ist es so, dass unsere Kunden auch die Lebensläufe der Berater einsehen, die wir zu ihnen schicken. Obwohl in Deutschland häufig kleinere, unbekanntere Unternehmen Weltmarktführer sind, darf man die Markenkraft und die Relevanz des Brandings eines Unternehmens nicht unterschätzen. Das wäre eine Empfehlung von mir.
Nina Seel
Dieses Interview ist in freundlicher Kooperation mit dem Alumni-Referat der Universität Koblenz-Landau entstanden.