Griechenland ist die Wiege der Demokratie, das Land von Olivenöl und Sonnenschein. Viele weitere Facetten des Landes lernt unsere Reporterin Hannah Wagner kennen, denn sie studiert zwei Semester in der griechischen Landeshauptstadt Athen. Für Uniblog berichtet sie von ihren Erfahrungen und rät jedem Studierenden einen Teil des Studiums im Ausland zu verbringen.
Und tschüss… !
Sie möchten während Ihres Studiums gern ins Ausland gehen? Dann informieren Sie sich über die Möglichkeiten an unserer Universität und lassen Sie sich von Erfahrungsberichten unserer Studierenden inspirieren.
Ich liebe Griechenland! Seitdem ich 2010 das erste Mal auf Kreta arbeitete, bin ich fasziniert von dem Land im Süden Europas, seiner Kultur, den Menschen und der Landschaft. Aber auch wenn ich schon immer gerne durch die Weltgeschichte gereist bin und mich ferne Kulturen und Länder ganz besonders faszinieren, über einen sehr langen Auslandsaufenthalt hatte ich nie ernsthaft nachgedacht. Zu viele Aufgaben und Verpflichtungen in der Heimat gab es zu erledigen. Letztes Jahr dann war Schluss damit: Vereins- und AStA-Vorsitz aufgegeben, Job gekündigt, eine Abschiedsparty geschmissen und von allen verabschiedet. Auf ging es nach Griechenland: Nach einer Sommersaison als Jugendbetreuerin auf Kreta bin ich im vergangenen September nach Athen gezogen, um hier zwei Semester meines Masterstudiums zu verbringen. Aufregung pur.
Erster und zweiter Eindruck
Wenige Worte reichen aus, um meinen ersten Eindruck von Athen zu beschreiben: Laut, dreckig, groß und voller Menschen. Das trifft es tatsächlich am besten. Von Kreta war ich Ruhe, Gelassenheit und Persönlichkeit gewöhnt, dagegen ist Athen das absolute Gegenteil – und ich muss gestehen: Ich war erst einmal vollkommen überladen von den Eindrücken, die die griechische Millionenstadt mit rund 5 Millionen Einwohnern zu bieten hat.
Es dauerte ein wenig, bis ich mich eingelebt hatte, mein Tagesablauf gefunden und alles zu einer Art Alltag geworden war. Auf den zweiten Blick kann ich jetzt auch wirklich sagen, dass mich die Stadt fasziniert und alles hier sehr aufregend ist. Sie bietet für jeden etwas: Gefühlt jede Subkultur ist hier vertreten, es gibt Bars und Clubs für jeden Musikgeschmack, unzählbare Veranstaltungen und Einkaufsmöglichkeiten sowie eine Fülle an kulturellen Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten. Man muss nur für das für sich Passende suchen.
Angekommen im Unialltag
Ich bin über das europäische Austauschprogramm ERASMUS+ an der Athener Wirtschaftsuniversität, die recht hohe Anforderungen vorgibt. Ich habe fünf Seminare pro Woche, wovon jedes drei Stunden dauert. Hinzu kommen Hausaufgaben, schriftliche Ausarbeitungen, Referate und Klausuren. Alles auf Englisch und mit vielen Fachbegriffen im Bereich Wirtschaft und Politik. Außerdem lerne ich Griechisch, langsam zwar, weil die Grammatik zu einem großen Teil aus Ausnahmen besteht, aber ich kann immerhin schon eine kleine Unterhaltung mit dem Taxifahrer führen. Wenn es dann aber zu anspruchsvolleren Themen kommt, muss ich leider passen.
Ein Land in der Krise
Anspruchsvolle Themen gibt es hier wahrlich genug, denn Griechenland steckt seit Jahren in einer wirtschaftlichen Krise. Wenn man die Nachrichten verfolgt, weiß man das, aber es dann hautnah zu erleben, ist noch einmal etwas anderes. Es gibt unglaublich viele arbeitslose Menschen, bei Jugendlichen liegt die Quote bei rund 50 Prozent, der Verdienst ist katastrophal (650 Euro bekommt eine studierte Sozialarbeiterin an der Schule) und viele Menschen leben auf der Straße. Dazu kommen sehr viele Flüchtlingen und Migranten.
Ich habe mehr und mehr meine Einstellung zu alltäglichen Dingen des Lebens überdacht und mache mir immer wieder bewusst, in welchem unfassbaren Luxus wir in Deutschland leben. Hier ist das für viele anders: Wer keine Arbeit findet, hat eben kein Geld, und die Schere zwischen Arm und Reicht klafft extrem in dem krisengebeutelten Land. Gerade jetzt im Winter frieren viele Obdachlose und Arme, denn Heizmöglichkeiten sind teuer und keiner hätte mit Schnee in Athen gerechnet.
Die Akropolis unter Schnee
Auch ich hatte das nicht eingeplant, vor allem nicht, dass es in dem südlichen Land so unangenehm kalt werden würde. Mit nur einer kleinen Klimaanlage im schlecht isolierten Wohnzimmer fühlt sich Kälte ganz anderes an als mit Zentralheizung im Zuhause meiner Eltern, die ich über Weihnachten besuchte. Anfang Januar fing es in Athen plötzlich an zu schneien. Nur ein paar Flocken und für mich wirklich nichts aufregendes, doch hier sah man an jeder Ecke Menschen stehen, die Selfies mit Schneeflocken machten und jauchzend über das leicht gepuderte Grün hüpften, das das ansonsten graue Athen zu bieten hat. Es ist aber auch für mich etwas Besonderes, denn ich sehe das erste Mal in meinem Leben Schnee auf Orangenbäumen und habe Teil an einem historischen Ereignis, denn zuletzt schneite es vor zehn Jahren im Athener Zentrum.
Trotz der winterlichen Kälte hat mein Auslandssemester aber auch eine Fülle an positiven Erfahrungen zu bieten, die definitiv überwiegen. Neben all den antiken Zeugnissen der Demokratie bietet Griechenland eine Vielzahl an unterschiedlichen Erlebnismöglichkeiten. So war ich zum Beispiel im November noch auf einer der vielen Inseln im Meer baden und im Januar am Berg Parnassos Ski fahren. Es gibt Nationalparks mit Flamingos, alte Kultstätten wie Delfi oder Olympia, atemberaubende Landschaften und natürlich unzählige Inseln, umgeben von kristallklarem Meer. Überall vermischt sich der Geist des Antiken mit lange gewachsenen Traditionen und der Moderne. Griechenland ist faszinierend.
Auslandserfahrungen sind ein Geschenk
Auch wenn ich unter all den Anfang 20-jährigen ERASMUS-Studenten altersmäßig gefühlt eher die Mutti bin und vor allem die Wochenenden ohne Parties schätze, habe ich doch viele interessante und tolle Menschen kennengelernt. Es ist egal, wo man ursprünglich herkommt, solange man offen und tolerant dem Andern gegenüber ist und gemeinsam das Gastland entdeckt. Man fühlt sich hier als Teil eines vereinten Europas, zu dessen Vielfältigkeit jede Nationalität ihren Teil beiträgt. Genau das ist es auch, was den Reiz von Reisen und eines Auslandsaufenthaltes ausmacht: Die Vermischung von Kulturen, deren Austausch und ein stetiges Lernen vom Fremden.
Heute bereue ich es, nicht schon während meines Bachelorstudiums ins Ausland gegangen zu sein. Dafür genieße ich es jetzt aber umso mehr und kann nur jedem Studierenden raten, diese Erfahrung fürs Leben mitzunehmen. Nicht nur für das Studium, auch für einen selbst ist ein Auslandsaufenthalt ein wahres Geschenk. Vor allem lernt man Toleranz, Offenheit und den Glauben an eine friedliche Gesellschaft, was für mich die Voraussetzung unserer Zukunft ist.
Hannah Wagner