Sich für Frieden einsetzen: Das haben sich die Friedensakademie Rheinland-Pfalz und Givat Haviva, die älteste und einer der größten Friedensorganisationen Israels, auf die Fahne geschrieben. Beide Institutionen haben ihre Zusammenarbeit im Bereich Bildung und Forschung beschlossen und wollen Konflikten präventiv begegnen, um ein gemeinschaftliches und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Sie wissen aber auch: „Frieden braucht Zeit.“
Jüdische und arabische Israelis miteinander in Kontakt zu bringen, die sich bis heute kaum kennen und in einer von Vorurteilen und Ängsten geprägten Gesellschaft leben, ist das Ziel der Bildungs- und Begegnungsstätte Givat Haviva. Melanie Hussak ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der 2014 gegründeten Friedensakademie Rheinland-Pfalz, eine wissenschaftliche Einrichtung der Universität Koblenz-Landau. Die Friedens- und Konfliktforscherin, die ihre Dissertation über die unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen von Frieden schreibt, berichtet: „Es herrscht große Ungleichheit und eine starke Trennung zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. Arabische Israelis werden im sozialen und ökonomischen Bereich wie auf dem Arbeitsmarkt noch immer diskriminiert.“ Es gebe in Israel getrennte Schulen für Juden und Araber, arabische Städte bekämen weniger Budget zur Stadtentwicklung, das Armutsrisiko der arabischen Staatsbürger sei doppelt so hoch wie die der jüdischen Bevölkerung. Der Zugang zum Militärdienst bleibe der arabischen Bevölkerung ebenfalls verwehrt. Das alles führe dazu, dass wenig Austausch zwischen beiden Gruppen stattfinde, erklärt die Friedensforscherin.
Leben in Shared Societies
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Givat Haviva, 1949 gegründet, begegnet dieser problematischen Situation mit Projekten im Bereich ziviler Konfliktbearbeitung und Friedenspädagogik sowie der Förderung und Stärkung der israelischen Demokratie. Hintergrund ist der Ansatz der Shared Societies, der ursprünglich vom Club de Madrid formuliert wurde. Die Perspektive einer Shared Society-Programmatik fokussiert darauf, allen gesellschaftlichen Gruppen sowie Individuen gleichberechtigte, möglichst vollständige gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und ist ein nachhaltiges Modell für die Herausforderungen an die Demokratie im 21. Jahrhundert.
Durch die gemeinschaftliche Partizipation an einem Projekt von Givat Haviva, wie der Errichtung eines Wasserkraftwerks, sollen sich die Menschen näherkommen, sich kennenlernen und Vorurteile abbauen. Givat Haviva bietet zudem Programme für Schüler und Studierende sowie Sprachkurse, spezielle Frauenprojekte und die Begleitung von Kommunenpartnerschaften an. Hussak berichtet von ihrer persönlichen Erfahrung: „Die wenigen Begegnungsmöglichkeiten der Jugendlichen im Alltag haben mich überrascht. Givat Haviva schafft den Raum und die Gelegenheit, dass sie sich überhaupt treffen können. Wenn das Eis einmal gebrochen ist, spürt man nach kurzer Zeit oft eine große Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.“
Im nächsten Schritt will Givat Haviva mithilfe von Forschungskooperationen die friedenspädagogischen Ansätze nachhaltig wissenschaftlich untersuchen und weiterentwickeln. „Da kommt die Friedensakademie mit ihrem wissenschaftlichen Know-how ins Spiel“, erklärt Hussak die Gründe für die Entstehung der Kooperation, zum Beispiel auf den Gebieten Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung in Grenzräumen, Ressourcen und Umweltveränderungen als Konfliktursache und Bedrohung menschlicher Sicherheit sowie Kompetenzvermittlung in der Friedensarbeit.
Der Weg in die Kooperation
Im März 2016 wurde zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Staat Israel eine Absichtserklärung über den Ausbau und die Zusammenarbeit im Bereich Bildung geschlossen. Den Anstoß zur Kooperation zwischen der Friedensakademie und der israelischen Organisation gab Friedel Grützmacher. Die ehemalige Vizepräsidentin des rheinland-pfälzischen Landtags ist vormalige Vorsitzende des deutschen Freundeskreises von Givat Haviva und Vorstandsmitglied des Trägervereins der Friedensakademie. Hussak erinnert sich: „Vor zwei Jahren hat sie mich zum ersten Mal eingeladen, den Campus in Israel kennenzulernen. Damals haben wir schnell gemerkt, dass das eine fruchtbare Zusammenarbeit werden könnte. Wir freuen uns sehr darüber, dass wir der erste Projektpartner in Deutschland sind. Durch die Kooperation können friedenspädagogische und friedenswissenschaftliche Aktivitäten in Rheinland-Pfalz und in Israel weiter ausgebaut und gestärkt werden. Wir können gemeinsam innovative Impulse für die Gesellschaft setzen.“
Zukunftspläne der Friedensakademie mit Givat Haviva
Die Unterzeichnung der Kooperationserklärung vor einem Jahr war der Anstoß für gemeinsame Projektvorhaben. Mit dem Fünfjahresprojekt Developing the next-generation of SHARED SOCIETY theory and practices und der für 2018 geplanten Sommerakademie in Israel soll nun ein längerfristiges Programm starten. Ziel des Projekts ist die kritische Auseinandersetzung und Weiterentwicklung von Wissen und innovativen methodischen Ansätzen zu Shared Society. Mit europäischen Partnerinstitutionen soll die Etablierung eines Expertennetzwerks zu diesem Thema vorangebracht werden.
Auch Doktoranden der Universität Koblenz-Landau erhalten die Möglichkeit, an den Summer Schools teilzunehmen, dort ihre Arbeiten vorzustellen und Feedback von Professoren und Experten zu bekommen. „Aktuell bemühen wir uns zudem, die Universität Haifa, Kooperationspartner von Givat Haviva, in das Erasmus Programm aufzunehmen. Die Universität Haifa bietet etwa einen Master in Peace & Conflict Management an. So soll auch den Studierenden der Universität Koblenz-Landau die Gelegenheit gegeben werden, an der Kooperation teilzuhaben“, verrät Hussak. Sie können ein Auslandssemester an der Universität Haifa verbringen, bei Givat Haviva ein Praktikum machen oder ihre Abschlussarbeit in diesem Bereich schreiben.
Abschließend resümiert Hussak: „Frieden braucht Zeit und funktioniert nur Schritt für Schritt. Es ist sehr wertvoll, wenn die Teilnehmer sowohl in Israel als auch hier nach einem Workshop zufrieden rausgehen und ihrem Umfeld vermitteln, was sie erlebt haben. Haben sie einmal entdeckt, wie groß ihr Bedürfnis nach Austausch ist, bleiben die Menschen weiterhin miteinander in Kontakt.“
Nina Seel