Studis & ihre Nebenjobs

Traumjob auf dem Fußballplatz

Michelle Zurawski kommt aus einer fußballverrückten Familie und liebt die Arbeit auf dem Platz. Die Grundschullehramtsstudentin klärt auf: Im Fußball dürfen weibliche Schiris auch Männerspiele pfeifen und umgekehrt. Die bekannteste Schiedsrichterin ist Bibiane Steinhaus, die in der ersten Bundesliga pfeift. Foto: Philipp Sittinger

Michelle Zurawski kommt aus einer fußballverrückten Familie und liebt die Arbeit auf dem Platz. Die Grundschullehramtsstudentin klärt auf: Im Fußball dürfen weibliche Schiris auch Männerspiele pfeifen und umgekehrt. Die bekannteste Schiedsrichterin ist Bibiane Steinhaus, die in der ersten Bundesliga pfeift. Foto: Philipp Sittinger

Michelle Zurawski ist Schiedsrichterin. Jeden Sonntag pfeift sie als Unparteiische die Spiele der Herren in der Kreisliga. Die 22-Jährige kickt selbst seit vielen Jahren und liebt die Herausforderung, jede Woche für Fair Play auf dem Sportplatz zu sorgen.

Wer sind Sie?

Mein Name ist Michelle Zurawski, ich bin 22 Jahre alt und studiere Englisch und Geografie für Grundschullehramt im sechsten Semester. Ich komme ursprünglich aus Karlsruhe und wohne seit 2015 in Landau.

Was für einen Nebenjob machen Sie?

Ich bin seit drei Jahren Schiedsrichterin. Dafür stehe ich fast jeden Sonntag auf dem Fußballplatz und pfeife die Spiele der Herren in der A-Klasse. Eingesetzt werde ich für meinen Verband im Raum Karlsruhe. Ab und an kommt ein Scout, der beobachtet, wie ich meinen Job mache. Je nach Bewertung darf man in höhere Klassen aufsteigen. Angefangen habe ich bei den Jugendmannschaften als Schiri-Assistentin. Das sind die, die mit der Fahne an der Linie stehen. Inzwischen darf ich sogar in die Landesliga.

Woher kommt Ihre Leidenschaft für Fußball?

Als Kind habe ich viele Sportarten ausprobiert, aber Fußball hat mich am meisten begeistert, weil es ein generationenübergreifender Mannschaftssport ist. Ich spiele selbst seit zwölf Jahren. Nach elf Jahren in einer Mädchenmannschaft in der Heimat habe ich nach einer Unterbrechung vor einem Jahr wieder in Dammheim bei Landau angefangen. Neue Spielerinnen sind bei uns herzlich willkommen. Mein Papa ist Fußballmoderator, weshalb der Sport auch zu Hause immer Thema war. Mich fragen sogar Freunde bei Champions League-Spielen, EM und WM häufig nach meiner Meinung, wie ich eine Situation beurteilen würde. Nur Bundesliga kann ich oft nicht gucken, weil ich in der Zeit selbst auf dem Platz stehe.

Die Serie

Das WG-Zimmer, das eigene Auto, der Kinobesuch mit Freunden: Das alles will bezahlt werden. Viele Studierende verdienen sich neben der Unterstützung der Eltern und Bafög etwas dazu oder finanzieren ihr Studium komplett selbst. Uniblog stellt in einer Serie Studierende und ihre Nebenjobs vor. Von alltäglich bis kurios ist fast alles dabei. Bisher erschienene Artikel finden sie hier.

Was sind Ihre Aufgaben?

In erster Linie ist es mein Job, dafür zu sorgen, dass alle die Spielregeln eingehalten werden und dass bei Regelverstoß Sanktionen ausgesprochen werden. Ich bin ein wandelndes Regelwerk, da ich in vielen Situationen blitzschnell eine Entscheidung treffen und reagieren muss. Ich muss unter Druck in der Lage sein, mein Wissen sofort abzurufen. Vor jedem Spiel informiere ich mich über die Mannschaften und darüber, ob das Aufeinandertreffen Konfliktcharakter hat, zum Beispiel wenn Nachbarortschaften gegeneinander spielen oder wenn es um Auf- oder Abstieg geht. Ich bin eine Stunde vor Spielbeginn vor Ort, gehe den Fußballplatz ab und schaue, ob alle Linien ordentlich gezogen und die Tornetze richtig angebracht sind. Ich kontrolliere die Pässe der Spieler und kontrolliere, ob sie ihren Schmuck abgelegt und Schienbeinschoner anhaben. Die Halbzeit nutze ich, um zur Ruhe zu kommen und notiere mir auffällige Spieler. Nach dem Spiel fülle ich online einen Spielbericht aus, in dem ich dokumentiere, wer Tore geschossen hat, wer verwarnt und wer ausgewechselt wurde.

Was bereitet Ihnen am meisten Freude bei dieser Arbeit?

Es ist toll, mit so vielen Leuten in Kontakt zu kommen, jeden Sonntag mit den Vereinen unterwegs zu sein, ein bisschen Sport zu machen und nach dem Spiel noch gemütlich zusammen zu sitzen. Obwohl ich während des Spiels die unbequeme Rolle habe, sind daraus Freundschaften entstanden. Es ist ein sehr kameradschaftlicher Job, der mir als Ausgleich zum Uni-Alltag dient. Jedes Spiel ist anders. Der Nervenkitzel fordert mich jedes Mal auf’s Neue heraus, aber ich liebe dieses Gefühl, den Platz zu betreten. Man stärkt sein Selbstbewusstsein und seine Persönlichkeit.

Sie müssen jeden Sonntag bei Wind und Wetter auf den Platz – macht das Spaß?

Dass mein Sonntag verplant ist, finde ich nicht schlimm. Man hält sich den Tag frei und kommt raus. Auch wenn ich die Nacht zuvor unterwegs war, schaffe ich es, mich trotz Müdigkeit auf das Spiel zu konzentrieren, ein bisschen Adrenalin ist ja immer dabei. Ich stehe fast lieber bei Regen und Kälte auf dem Platz, als in der brütenden Hitze. Man zieht sich was über und läuft sich warm. Bei Schnee werden die Spiele meist abgesagt.

Wie gehen Sie mit blöden Sprüchen um?

Da muss ich drüberstehen. Der Schiri wird immer verflucht und ist an allem schuld, das kennt man ja. Aber damit komme ich gut klar. Man muss den Mut haben, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Im Spiel muss ich mir Respekt verschaffen und den Spielern von Anfang an zeigen, dass ich Verstöße nicht durchgehen und nicht mit mir diskutieren lasse. Das funktioniert gut und ich werde auch als weiblicher Schiri akzeptiert.

Wie kamen Sie an Ihren Nebenjob?

Unsere Mannschaft hat sich leider mit Ende des Abiturs und Anfang des Studiums aufgelöst. Ich war eine Weile im Ausland und habe das Fußballspielen nach meiner Rückkehr vermisst. Damals hat mein kleiner Bruder in der E-Jugend gespielt, in der man keinen offiziellen ausgebildeten Schiedsrichter braucht. Bei einem Heimspiel stand ich am Spielfeldrand und wurde gefragt, ob ich einspringen kann, da sich niemand anderes gefunden hat. Das hat mir viel Spaß gemacht und ich wurde von unserem Verein gefragt, ob ich nicht Lust hätte, die Ausbildung zum Schiri zu machen.

Was lernt man in der Ausbildung?

Der Kurs geht über vier Nachmittage, am fünften Tag schreibt man die Prüfung, in der man mindestens 25 von 30 Punkten erreichen muss. Man kriegt viel theoretischen Input und einen dicken Reader mit allen Regeln und Prüfungsfragen zum Üben, ähnlich wie bei der Führerscheinprüfung. Nachdem ich den Test bestanden hatte, habe ich aber immer noch nicht damit gerechnet, wirklich eingesetzt zu werden. Kurz darauf hatte ich mein erstes Spiel in der D-Jugend. Am Anfang bekommt man einen Coach an die Seite, der Feedback gibt, worauf man noch achten kann. Wir haben außerdem einmal im Monat eine Sitzung, bei der wir zuerst einen Regeltest zu einem bestimmten Thema schreiben und danach ein Referat dazu hören. Außerdem müssen wir jedes Jahr eine Laufprüfung absolvieren.

Was verdienen Sie bei diesem Nebenjob?

In der Kreisklasse bekomme ich 25 Euro Spesen pro Spiel, dazu kommen die Fahrtkosten mit 30 Cent pro Kilometer. So komme ich jeden Sonntag auf ungefähr 40 Euro – ein nettes Taschengeld. Mit unserem Schiedsrichterausweis können wir kostenlos Bundesliga-Spiele besuchen, das ist natürlich ein netter Bonus.

Kann man diesen Job weiterempfehlen? Braucht man bestimmte Voraussetzungen dafür?

Ich kann den Job sehr weiterempfehlen. Er macht Spaß und hält fit – konditionell bin ich sogar noch besser drauf als zu Zeiten, in denen ich nur trainiert und gespielt habe. Man kann sich nicht auswechseln lassen und kommt nicht drumherum, 90 Minuten durchzuhalten. Man stößt an seine Grenzen, aber man muss eben auch in der allerletzten Minute noch in der Lage sein, einen Sprint über den ganzen Platz hinzulegen, wenn eine aussichtsreiche Angriffssituation entsteht. Sportlich sollte man also sein. Man braucht keine Vorkenntnisse, aber Interesse am Fußball ist eine naheliegende Voraussetzung. Wenn man selbst mal gespielt hat, kann man als Schiri Situationen noch besser beurteilen.

Wie „studienkompatibel“ ist Ihre Arbeit? Bitte vergeben Sie Sterne von 1 bis 5 (5 Sterne = super kompatibel)

Da ich im Kreis Karlsruhe unterwegs bin, pfeife ich nur am Wochenende. Das Zeitmanagement hat man selbst in der Hand, da man in einem Online-Portal seine Verfügbarkeiten eintragen kann. Dadurch finde ich es absolut kompatibel und vergebe fünf Sterne.

Nina Seel