Vier Jahre hat Dr. Jacqueline Breugnot das Drei-Länder-Projekt SERIOR zum Thema Risikomanagement als Philologin begleitet. Im Interview spricht die gebürtige Französin über interkulturelle Kommunikation, Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich und Gesprächssituationen, in denen man an seine Grenzen stößt.
Ihr Fachgebiet ist die interkulturelle Kommunikation. Verschafft Ihnen das bei Interviews einen Vorteil gegenüber Kollegen?
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, dass meine Kollegen keine Probleme haben, Interviews zu führen. Ich will zwar hoffen, dass auch ich einige Kompetenzen in Sachen Kommunikation im Laufe der Jahre entwickeln konnte. Aber als französische Muttersprachlerin ist es komplizierter, mich zu verständigen und sicher zu sein, dass ich verstanden werde. Andererseits kann ich darum vielleicht mit etwas Entgegenkommen vom Interviewpartner rechnen. Und ich muss sagen, dass gerade diese kulturelle Herausforderung, nicht nur die Sprache, sondern auch die Denkweise umzusetzen, eine spannende Übung für mich ist.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, in Deutschland und nicht in ihrem Heimatland zu arbeiten?
Das war eigentlich reiner Zufall. Ich habe in Frankreich studiert und wollte danach nicht gleich ins Berufsleben einsteigen. Ich habe mich deshalb bei einem Lehraustausch beworben und der war zufällig in Deutschland. Es hätte genauso Südamerika oder irgendein anderes Land sein können, dann würde ich jetzt vielleicht dort arbeiten. Ich fühle mich in Deutschland aber genauso wohl wie in Frankreich. Meine Familie lebt jedoch lieber in unserer Heimat, weshalb wir unseren Wohnsitz in Straßburg haben.
Um was geht es bei SERIOR?
SERIOR besteht jetzt seit vier Jahren. Es ist ein sehr anspruchsvolles Projekt mit einem klar nachvollziehbarem Ziel: Wie können die hiesigen universitären Ressourcen sinnvoll genutzt werden, um die Sicherheit am Oberrhein zu erhöhen? An der Beantwortung dieser Frage arbeiten Umweltwissenschaftler, Psychologen, Mathematikdidaktiker und Philosophen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Und Kommunikationsanthropologen, wie ich eine bin.
Was ist ihre Aufgabe innerhalb des Projekts?
Meine Aufgabe besteht darin, die Merkmale der Risikokommunikation aus der Perspektive der internationalen Kooperation zu untersuchen. Eine Herausforderung der Risikokommunikation ist zum Beispiel, auf Kontextualisierung zu verzichten. In anderen Worten: Man kann beziehungsweise darf nicht damit rechnen, dass man verstanden wird, wenn man sich nicht ausreichend geäußert hat. Ein Beispiel: Ich sage Battisti kann sich bei Mimit bedanken. Jeder französische Kollege wird mich verstehen. Ob die Landauer Kollegen wissen, dass ich ausdrücken möchte, dass der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterrrand damals allen Linksradikalen Asyl versprochen hatte, kann ich nur mutmaßen. Und wenn wir dann an die vielen Akronyme, die Fachleute benutzen, denken, wird die Problematik noch deutlicher.
Was bedeutet das für die Praxis?
Für die Praxis ist das in allen Bereichen, in denen eine grenzüberschreitende Kooperation stattfindet, von entscheidender Bedeutung. Wenn wir an Feuerwehrleute denken, die grenzüberschreitend kooperieren sollten, können kommunikative Missverständnisse unmittelbare Gefahr bedeuten. Kommunikation ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die zum Beispiel auch durch Faktoren wie Selbstdarstellung, Konkurrenz, Macht oder Hilflosigkeit bestimmt wird. Im mehrsprachigen, plurikulturellen Handlungsfeld potenziert sich das. Hierfür die Sensibilität zu erhöhen und ein Bewusstsein zu schaffen, würde ich als meine Aufgabe innerhalb des Projekts SERIOR bezeichnen.
Die drei Schwerpunkte von SERIOR sind Sicherheit, Risiko und Orientierung. Warum sind gerade diese drei Aspekte für die Teilnehmenden wichtig?
Das Thema ist so umfangreich, dass man es unbedingt strukturieren musste – zumindest am Anfang. Es wäre jetzt eine Überlegung wert, ob man es nicht mit anderen Synergien umstrukturieren sollte. Ich habe Einblicke in viele Bereiche gewonnen, zum Beispiel spannende Informationen über den Rhein und über die Vernetzung der unterirdischen Gewässer. Jetzt verstehe ich viel besser, was alles bei einem Feuerwehreinsatz berücksichtigt werden muss. Es wäre außerdem spannend, den Sachverhalt aus der Perspektive der interkulturellen Kommunikation neu zu analysieren und zu überdenken.
Ist ihre Kommunikation, abgesehen von der unterschiedlichen Sprache, in Deutschland eine andere als in ihrem Heimatland Frankreich?
Zum Teil ja. Ich habe vorhin erwähnt, dass man in einer plurikulturellen Umgebung nicht davon ausgehen kann, dass der Ansprechpartner die gleichen Hintergrundinformationen hat oder den Kontext kennt. Es kommt zum Beispiel noch sehr oft vor, dass ich etwas sage, was ich für völlig unkritisch oder lustig halte und, sobald ich es geäußert habe, und dann merke, dass Kollegen oder Studierende stutzen. Das liegt dann eben nicht an der Landessprache, sondern daran, dass mit einer anderen Sprache auch eine andere Denkweise verbunden ist.
Und wie unterscheidet sich die Kommunikation von Lehrenden und Studierendem?
Vielleicht durch Geduld und Wiederholung. Ich fühle mich im Austausch mit Studierenden höchstens etwas älter (lacht). Meine beiden Söhne sind 23 und 27 Jahre alt, die Kommunikationsformen der Studierenden sind mir daher von zu Hause vertraut.
Woher kommt ihre Begeisterung für das Thema Kommunikation?
In den 80er-Jahren bin ich dem Theater von Augusto Boal begegnet. Er ging davon aus, dass ganzheitliche – das heißt verbale und non verbale- Kommunikation gegen eine Diktatur wirken könne. In seinem Fall war es ja ernst gemeint, er arbeitete damals in Brasilien und bis 1985 herrschte dort eine Diktatur. Er meinte, man müsse nur an der Form der Kommunikation basteln, bis man die richtige Form gefunden hat. Festgefahrene Situationen wären nie so festgefahren, wie man sich es vorstellt.
Apropos festgefahren: Manchmal gibt es Gesprächssituationen, bei denen sich beide Parteien im Kreis drehen. Haben sie als Philologin Tipps, was in so einem Moment hilft?
Als Philologin, als Mediatorin und als Ausländerin würde ich raten, dem Gesprächspartner richtig zuzuhören. Etwas Neugier, im Sinne von positivem Interesse, für ihn entwickeln und nachfragen, anstatt jeden Satz mit “Ja, aber…” zu beginnen. Und sich vor dem Anderen und vor einem möglichen Konflikt nicht zu fürchten. Leichter gesagt als getan (lacht).