In einer Welt, in der man via Smartphone immer erreichbar ist, in der ein Termin auf den anderen und eine Prüfung auf die nächste folgt, steigt zunehmend das Bedürfnis nach Entschleunigung. Dieser Wunsch wird in Kamerun zu Genüge befriedigt: So genau nimmt man es nicht, wann Konferenzen anzufangen oder Busse abzufahren haben. Der Kameruner belächelt häufig die meist nicht nur minutenlangen Verzögerungen und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Wurde der Termin um 8.30 Uhr vereinbart, dann zeigen sich die ersten Konferenzteilnehmer erst um 9 Uhr – und um 9.30 Uhr wird immer noch nach einem Verlängerungskabel für den Beamer gesucht. Nach 12 Tagen Exkursion können wir nun alle ebenfalls behaupten, ein Teil der kamerunischen Gelassenheit mitgenommen zu haben.
Wir, das sind Studierende aus dem Seminar „Multilingualismus in Afrika“ unter der Leitung von Prof. Martin Pütz (Anglistik) und Prof. Diao-Klaeger (Romanistik). Das westafrikanische Land Kamerun mit seinen 22 Millionen Einwohner wählten wir als Exkursionsziel, da hier die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Afrika mit am stärksten ausgeprägt ist. So werden neben den beiden offiziellen Sprachen Englisch, Französisch und Pidgin English als interkulturelles Kommunikationsmedium noch etwa weitere 280 Sprachen im täglichen Miteinander verwendet.
Wenig Kreide, eine kleine Tafel
Die Exkursion nach Kamerun wurde von zahlreichen kulturellen Angeboten begleitet, die einen einzigartigen Einblick gaben. So wurden wir in der Grundschule von Bonakanda nahe der Stadt Buea von traditionellen Tänzen ethnischer Schülergruppen überrascht. Auch an dem Unterricht in dieser Schule durften wir teilnehmen und als angehende Lehrer das Unterrichten unter fremden Bedingungen selbst ausprobieren. In unserem Seminar „Multilingualismus in Afrika“ hatten wir in Deutschland oft die Frage diskutiert, warum nicht in indigenen Sprachen unterrichtet wird. In Kamerun konfrontierte uns schnell die Realität: Schüler, die keinen Stift oder Heft besitzen, und Lehrer, die nur wenig Kreide und eine kleine Tafel zur Verfügung haben, stellen die Frage der Unterrichtssprache hinten an und zeigt wichtigere Probleme auf. Es war ein Tropfen auf den heißen Stein, aber wir freuten uns, als Gastgeschenke Stifte, Hefte und Anspitzer für die Kinder mitgebracht zu haben.
Was passiert, wenn zwei völlig verschiedene Kulturkreise aufeinandertreffen? Dies ist nicht nur eine wichtige Frage, die uns aktuell in Deutschland beschäftigt, sie begegnete uns auch in Kamerun. Miteinander und voneinander zu lernen war ein zentrales Element der Exkursion: Die Konferenzen waren geprägt von Vorträgen, Diskussionen und Kolloquien, deutsche und kamerunische Studierende arbeiteten gemeinsam an Fragebogenerhebungen und gemeinsame Essen belebten den interkulturellen Austausch.
In dem Département Français der Université de Yaoundé 1 wurde ein Journée d‘études von Prof. Sabine Diao-Klaeger und Dr. Eloundu Eloundu zum Thema „Sprachkontakt in Afrika“ veranstaltet. Das English Department der École Normale Supérieure lud zu Vorträgen zur „Sprachgefährdung“ von Prof. Martin Pütz und „Bildungssystem und indigene Sprachen“ von Prof. Justyna Njika ein. Mein Thema waren die postkolonialen kamerunischen Spracheinstellungen. Ebenfalls wurden Referate zum Thema „Multilingualism in Europe“ von den Landauer Anglistikstudierenden und zu „Multilingualisme en Suisse“ von den Romanistikstudierenden gehalten, die einen schönen Beitrag zu dem wissenschaftlichen Austausch leisteten.
Geburtstagsparty bei Hedrine
Und tschüss… !
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In Buea kamen wir in den Genuss, die Geburtstagsfeier der Gastgeberin Hedrine mitzuerleben. Hedrine ist Lehrerin an der Grundschule von Bonakanda. Sie empfing uns mit offenen Armen nicht nur in ihrer Schule, sondern auch in ihrem Zuhause. Was Geburtstage angeht, sind kamerunische Geburtstagsfeiern den europäischen Festen sehr ähnlich: es wird gelacht, getanzt, gegessen und getrunken. Die Freude, dass ein neues Lebensjahr anbricht, wird mit Familie und Freunden zelebriert – und manchmal sind eben zehn deutsche Besucher mit dabei.
Auch eine sportliche Herausforderung meisterten wir: Mit seinen fast 4100 Metern bezwangen wir (fast) den Mount Cameroon. Während unseres Anstiegs fand zeitgleich das Training für das Race of Hope statt, einem Wettstreit zum Gipfel des höchsten Berges Westafrikas und wieder zurück. Während wir durch den Regenwald marschierten, joggten trainierende Kameruner an uns vorbei, lächelten und plauderten mit uns. Die schwüle Luft, die hohen Temperaturen und die Anstrengung machten allen zu schaffen – allein der Ausblick und die Natur ließ selbst das zu einem einmaligen Erlebnis werden.
12 Tage später – wir hätten beinahe unseren Rückflug verpasst, aber das ist eine andere Geschichte – können wir auf eine außergewöhnliche Reise und einzigartige Eindrücke zurückblicken, die nicht nur unser linguistisches Verständnis erweiterten. Wir tauchten ein in ein chaotisches, charmantes Kamerun und sind angenehm überrascht worden von dem strukturierten Wirrwarr, das dort den Lebensrhythmus bestimmt – und nehmen für den deutschen Alltag ein kleines bisschen Entschleunigung mit.
Ein Gastbeitrag von Neele Mundt