In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute erzählt Nina Seel, warum der Herbst ihre Lieblingsjahreszeit ist und warum sie den Sommer nur wenig vermisst.
Er kommt leise und flüsternd. Auf weichen Sohlen schleicht er sich an, lässt die Tage langsam kühler und dunkler werden und verwandelt grüne Wälder in ein Farbenmeer – der Herbst ist da. Während andere den heißen Sommertagen hinterher trauern, bin ich glücklich darüber, dass meine liebste Jahreszeit angebrochen ist. Für mich ist der Herbst der Inbegriff von Erfrischung und Gemütlichkeit. Raschelndes Laub unter meinen Füßen, würziger Duft nach Wald in meiner Nase, kühler Nebel um mich herum und bunte Farben, soweit das Auge reicht.
Übergangszeit
Alles fühlt sich schon jetzt ein bisschen nach Neustart an, als würde ein neues Jahr beginnen. Nicht umsonst nennt man den Frühling und den Herbst „Übergangszeit“: Die Natur braucht eine Weile, in der aus Sommer Winter wird und umgekehrt. Die Welt zeigt sich noch einmal von ihrer prächtigtsten Seite, bevor sie von Wind und Wetter durchgepustet wird. Und auch wir Menschen brauchen eine Zeit, in der wir die lauen Sommernächte hinter uns lassen und uns auf die besinnliche Vorweihnachtszeit einstimmen.
Schon als Kind fand ich den Herbst besonders schön. Wir haben lange Spaziergänge unternommen und sind auf weichem Moos durch verwunschene Pilzwälder gelaufen, haben uns die Taschen mit gesammelten Hagebutten, Bucheckern und Eicheln vollgestopft. Mit der neuen Jahreszeit hatten Anorak und Halbschuhe wieder Saison, heute besser bekannt als Übergangskleidung und Zwiebel-Look. Neben Erntedankfesten und vielen Versuchen, im Feld Drachen steigen zu lassen, erinnere ich mich an Bastelnachmittage mit gepressten Blättern und Kastanienmännchen. Am Wochenende habe ich im Garten raschelnde Laubhaufen zusammengerecht und Äpfel darin versteckt, um den Igeln ein gemütliches Winterquartier zu bauen. Zwar wurden die Tage kürzer, und doch fühlte es sich an, als wäre plötzlich mehr Zeit da.
Goldene Jahreszeit
Mit dem Umzug nach Landau kam ein neues Stück Herbsterfahrung dazu. Im Pfälzer „Herbscht“ hat nun der Neue Wein (Federweißer) Saison und in der WG wird Kürbissuppe gekocht. Auf dem Markt gibt es Keschdebrot zu kaufen und bei der Wanderung durch die umliegenden Weinberge schweift der Blick über rot-orangefarbene Reben. Hatte ich im Sommer manchmal ein schlechtes Gewissen, bei schönstem Wetter nicht vor die Tür zu gehen, ist es jetzt völlig legitim, in einer Wolldecke eingehüllt Kakao zu trinken, während Regentropfen ans Fenster prasseln und die Film- und Seriensaison wieder Einzug erhält.
An manchen Tagen bäumt sich der Sommer aber noch ein letztes Mal auf, die Sonne strahlt mit aller Kraft und taucht alles in ein goldenes Licht. Dann sitze ich auf einer Bank, strecke die Nase Richtung Himmel und kann zur Ruhe kommen. Die Welt dreht sich ein kleines bisschen langsamer. Auf diese Weise verschafft mir der Herbst wie keine andere Jahreszeit die Gelegenheit zum Durchatmen. Und es fühlt sich noch heute an, als würde er mir zuflüstern: Nimm dir Zeit.