Aus dem Labor

Gegen das Plastik-Problem

Das Team von PLAST: Miriam Schaefer, Zacharias Steinmetz, Maximilian Meyer, Katherine Muñoz, Jutta Milde, Lea Heidbreder und Isabella Bablok (von links nach rechts). Foto: Philipp Sittinger

Das Team von PLAST: Miriam Schaefer, Zacharias Steinmetz, Maximilian Meyer, Katherine Muñoz, Jutta Milde, Lea Heidbreder und Isabella Bablok (von links nach rechts). Foto: Philipp Sittinger

Ob im Supermarkt, Auto oder in unserer Kleidung: Plastik ist allgegenwärtig. Komplett darauf zu verzichten, ist schwierig. PLAST hat sich zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Risiken des direkten und indirekten Plastikverbrauchs voranzutreiben. Im Interview erklären Dr. Jutta Milde, Dr. Katherine Muñoz und Lea Marie Heidbreder die Brisanz des Themas.

Was genau hat es mit PLAST auf sich?

Die Serie

Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.

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Milde: PLAST ist ein Projekt der Interdisziplinären Forschungsgruppe Umwelt (IfG). Es soll das Problemfeld Plastik fächerübergreifend beleuchten. Dazu nähern wir uns dem Phänomen Plastik aus drei Forschungsdisziplinen: Der Psychologie, der Kommunikations- und der Naturwissenschaft. Ich betreue das Teilprojekt Commplast. Wir analysieren die massenmediale Berichterstattung und beschäftigen uns damit, welche Informationen über Risiken von Plastikkonsum und welche möglichen Lösungen an die Öffentlichkeit kommuniziert werden.

Muñoz: Die naturwissenschaftliche Perspektive vertritt das Teilprojekt Soilplast. Wir stellen uns die Frage, welche Auswirkungen die Anwendung von Plastik in der Landwirtschaft auf die Qualität des Bodens hat und suchen nach nachhaltigen Alternativen.

Heidbreder: Psychoplast befasst sich mit der Wahrnehmung und dem Verhalten der Menschen gegenüber Plastik. Wie werden Risiken eingeschätzt und wie wird damit umgegangen? Gerade zwischen dem Bewusstsein und dem tatsächlichen Handeln klafft eine große Lücke. Welche Rolle Gewohnheiten beim Plastikkonsum spielen, verfolgen wir ebenfalls.

Seit wann ist das Projekt aktiv?

Milde: Eigentlich entstand das Projekt im Sommer 2016 auf einen Vorschlag der Forschungsgruppe. Da das Thema so vielschichtig ist und alle Interesse daran hatten, haben wir PLAST in Zusammenarbeit mit verschiedenen Professoren und Doktoranden ins Leben gerufen.

Warum halten Sie eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Plastik für wichtig?

Milde: Es sollte ein gesellschaftliches Ziel sein, die Risiken, die mit Plastik einhergehen, zu reduzieren. Aus unserer Sicht ist dieses Feld noch nicht ausreichend erforscht. Ein Wissen um die Wirkungsweise von Mikroplastik ist kaum vorhanden. Im Fernsehen werden uns oft die Schäden unseres Plastikkonsums vor Augen geführt. Schwimmende Müllinseln, die die Ozeane verseuchen, sind klassische Bilder der medialen Berichterstattung. Die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse steht dabei weniger im Fokus.

Worauf ist Ihre Forschung ausgerichtet?

Milde: Kurz gesagt beschäftigen wir uns mit Grundlagenforschung. Wir wollen anwendungsorientiert arbeiten und Erkenntnisse generieren, wobei wir noch keine Lösungen anbieten.

Wie genau gehen Sie vor? Welche Methoden wenden Sie an?

Heidbreder: Unsere Methoden variieren je nach Disziplin. In der Psychologie starten wir breite Umfragen zur Wahrnehmung der Risiken von Plastik, die wir im Anschluss einer Analyse unterziehen. Bald werden wir zusätzlich mit Interventionen arbeiten. Zum Beispiel läuft bisher eine Studie zum Plastikfasten. Dort wurden Teilnehmende eingeladen, in der Fastenzeit auf Plastik im Lebensmittelbereich zu verzichten. Je nach Gruppe, wurden ihnen außerdem Informationen über die negativen Auswirkungen von Plastik auf die Umwelt beziehungsweise über ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten gegeben. Etwa auf dem Wochenmarkt oder in einem Unverpacktladen einzukaufen.

Muñoz: Bei Soilplast untersuchen wir zusammen mit Landwirten, inwieweit der Boden nach der Abdeckung mit Folien durch Plastik bzw. Mikroplastik befallen ist. Außerdem beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen der Folien auf die physikochemische Eigenschaften des Bodens und wie diese Änderungen verschiedene Spezies im Boden beeinträchtigen können. Das setzen wir durch Monitoring-Strategien und die Analyse von Stichproben um. Dabei steht der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund

Milde: Bei Commplast bedienen wir uns der Medieninhaltsanalyse von Massenkommunikaten, wie der FAZ, der Süddeutschen Zeitung oder dem Spiegel, aber auch ausgewählter Fernsehbeiträge aus Wissenschafts- und Umweltsendungen. Hinzu kommt die Analyse landwirtschaftlicher Fachzeitschriften, um einen Vergleich zu ermöglichen. Was sagen die Wissenschaftler und Fachkundigen zur Problematik? Was wird von den Medien vermittelt?

Worin liegt Ihre Motivation?

Heidbreder: Plastik ist allgegenwärtig und entwickelt sich zu einem großen umweltpolitischem Thema. Es ist attraktiv, sich sowohl wissenschaftlich als auch persönlich damit auseinander setzen zu dürfen. Seit langem fasziniert mich der Widerspruch zwischen Umweltwissen und Umwelthandeln. Nur weil ich weiß, dass etwas schädlich ist, heißt es noch lange nicht, dass ich mich dementsprechend verhalte. Dabei ist die Grenze der Verschmutzung durch Plastikmüll längst erreicht. Durch PLAST können wir einen Beitrag leisten, um dagegen vorzugehen.

Gibt es schon Erfolge zu verbuchen?

Milde: Wir haben eine Vielzahl motivierter Doktoranden, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Jeder ist auf seine Weise in die Forschung eines Anderen involviert. Es gibt außerdem einige erfolgreiche Veröffentlichungen und Beiträge zu vermelden.

Ob im Supermarkt, Auto oder in unserer Kleidung: Plastik ist allgegenwärtig. Sehen Sie dennoch funktionierende Alternativen?

Milde: Sicherlich existieren nicht in allen Bereichen Alternativen. Die Wirtschaft beispielsweise ist noch nicht am Umdenken interessiert. Anders verhält es sich bei uns und unserem Alltag. Der Einkauf lässt sich auch im Jute- statt im Plastikbeutel transportieren. Frisches Obst und Gemüse kann man im Korb statt in der Tüte tragen. Zuhause besteht die Möglichkeit, auf alternative Materialien umzusteigen, wie etwa Glas oder Papier. Politische Aktionen zu unterstützen oder sogar eigenständig durchzuführen, ist ebenfalls denkbar.

Muñoz: Abgesehen davon könnte man Lebensmittel der Jahreszeit entsprechend einkaufen, denn Folien werden in der Landwirtschaft oft für die Erzeugung von Off-season-Produkten wie Tomaten angewendet, was zu einer Verschmutzung des Bodens mit Plastik führt. Boden ist eine endliche Ressource und einer der wichtigsten Lebensgrundlagen für Mensch und Tier. Auch große Teile unserer Kleidung, Fleece etwa, werden auch aus Plastik hergestellt. Nach jedem Waschgang gelangen Mikropartikel des Stoffes in unser Abwasser. Es ist wichtig, ein Bewusstsein für den eigenen Plastikverbrauch zu erlangen und seine Konsumpraktiken kritisch zu hinterfragen.

Heidbreder:  Ich halte ein Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und den Verbrauchern für wichtig. Alle drei Bereiche greifen ineinander. Auch die Wirtschaft zeigt hier schon erste Schritte in die richtige Richtung. Zum Beispiel durch das Entstehen von Unverpacktläden. Die Politik kann hier finanzielle Anreize liefern und die Verbraucher durch politische Maßnahmen zum Nachdenken anstoßen.

Können Sie eine Prognose geben, wie sich unser zukünftiger Umgang mit Plastik gestalten könnte?

Milde: Wir wissen aus Umfragen, dass die Deutschen über dem internationalen Durchschnitt liegen, was den Verbrauch von Plastik angeht. Gleichzeitig sind wir aber auch besser informiert. Um zukünftig verantwortungsvoller mit Plastik umzugehen, reicht es nicht aus, nur am Verbraucher anzusetzen. Es muss sich etwas in der Politik beziehungsweise in der Wirtschaft tun.

Leben Sie selbst plastikfrei? Haben Sie Tipps, wie es sich „plastikfreier“ leben lässt?

Milde: Gänzlich ohne Plastik zu leben erscheint mir kaum möglich, dazu muss ich mich nur in meinem Büro umschauen. Den eigenen Verbrauch zu reduzieren, halte ich dagegen für unbedingt erstrebenswert. Natürlich weiß ich aber auch, dass ich mich in einer privilegierten Position befinde. Eventuell kann ich auf teurere Alternativen zurückgreifen, die für andere nicht erschwinglich sind. Inwieweit man plastikfrei leben kann, muss also jeder für sich selbst entscheiden.