Promovierende im Interview

Nicolai Glasenapp erforscht Demenz in der Gegenwartsliteratur

Ihn fasziniert das Pathologische in der Welt der Literatur. Literaturwissenschaftler Nicolai Glasenapp beschäftigt sich in seiner Dissertation mit dem Zusammenhang von Literatur und Demenz. Foto: Adrian Müller

Ihn fasziniert das Pathologische in der Welt der Literatur. Literaturwissenschaftler Nicolai Glasenapp beschäftigt sich in seiner Dissertation mit dem Zusammenhang von Literatur und Demenz. Foto: Adrian Müller

Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz werden in der Gegenwartsliteratur immer häufiger als Thema aufgegriffen: Nicolai Glasenapp ist Doktorand am Institut für Germanistik in Koblenz. Für seine Promotion erforscht der Literaturwissenschaftler, wie Demenz in literarischen Texten dargestellt wird und wie dies zum Verständnis der Krankheit beitragen kann.

Bitte beschreiben Sie Ihre Forschung in wenigen Sätzen.

Die Serie

Sie forschen, organisieren Tagungen oder schreiben Fachartikel: In dieser Serie berichten wir über Promovierende und ihre Forschung an unserer Universität. Und fragen: Was ist ihr Thema? Was sind ihre Leidenschaften? Wieso haben sie sich für eine Promotion entschieden? Wie organisieren sie ihr Arbeitspensum?

Mich interessiert, wie literarische Texte der Gegenwart das Krankheitsbild Demenz verarbeiten. Dabei möchte ich im Speziellen herausfinden, welches Wissen über diese Krankheit in der Gegenwartsliteratur durch die ästhetische Bearbeitung konstruiert wird. Ich interessiere mich für den Komplex des Pathologischen in der Literatur und habe festgestellt, dass sich seit 1996 zahlreiche belletristische Texte mit Demenz auseinandersetzen – beispielsweise wäre hier Martin Suter mit “Small World” zu nennen.

Was fasziniert Sie an diesem Thema?

Toll finde ich an meinem Thema, dass es anschlussfähig an viele andere literaturtheoretische, moralische, aber auch ästhetische Fragestellungen ist. Tilman Jens, der Sohn des Schriftstellers und Philologen Walter Jens, hat beispielsweise 2009 ein Buch über seinen demenzkranken Vater geschrieben. In der Presse wurde das Buch auf breiter Ebene im Zusammenhang mit Worten wie “Voyeurismus” und “Vatermord” verrissen, dem Autor selbst wurde Denunziation vorgeworfen. An solchen Fällen kann man unter anderem gut ablesen, wie Demenz auch die Fallhöhe bekannter Persönlichkeiten konstruiert.

Wieso haben Sie sich für eine Promotion entschieden?

Am Ende meines Studiums habe ich festgestellt, dass es schade wäre, sich nicht weiterhin mit den komplexen Gedanken und Theorien der Literaturwissenschaft auseinandersetzen zu können. Das ist ja meistens der Lauf der Dinge bei Geisteswissenschaftlern, wenn sie sich im Anschluss an das Studium mit den Gegebenheiten des normalen Arbeitsmarktes auseinandersetzen müssen. Die klassische wissenschaftliche Laufbahn scheint mir da am ehesten geeignet, meinen thematischen Neigungen nachgehen zu können.

Wie wird Ihre Promotion finanziert?

Derzeit unterstützen mich unter anderem meine Eltern finanziell, allerdings bewerbe ich mich parallel auf Stipendien, Mitarbeiterstellen und Forschungsprojekte.

Welche zusätzlichen wissenschaftlichen Aktivitäten planen oder machen Sie bereits neben der Promotion?

Im vergangenen Jahr war ich gemeinsam mit Timo Rouget, Lehrbeauftragter am Institut für Germanistik der Uni in Koblenz, bei der Tagung “Was wir lesen sollen“, eine Veranstaltung über Wertung und Kanonbildung unseres Instituts, mit einen Vortrag zum Thema Literaturkritik auf Youtube, auch “Booktube” genannt, vertreten. Der Aufsatz dazu wird bald erscheinen. In “Limbus”, dem australischen Jahrbuch für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft, habe ich in diesem Jahr einen Artikel zum Zusammenhang von Sterben, Tod und Demenz in der Gegenswartliteratur veröffentlicht. Im November werde ich außerdem die Tagung “Dementia and Subjectivity” an der Universität Paderborn besuchen.

Was sind Ihre beruflichen Pläne für die Zukunft?

Der große Meilenstein ist natürlich die Fertigstellung meiner Doktorarbeit, bis zur ersten Hälfte 2017 sollte die Dissertation geschafft sein. Insgesamt ist es mein Ziel, meine wissenschaftlichen Aktivitäten weiter voranzubringen, aber auch gute Lehrveranstaltungen anzubieten.

Was sollten Studierende mitbringen, die an eine Promotion denken?

Ohne eine grundlegende Leidenschaft für das Thema sollte man sich lieber nicht an einer Promotion probieren. Der Wille, sich langfristig mit dem Forschungsthema auseinanderzusetzen, hilft einem dann auch über schwierige Phasen hinweg. Gerade in den Geisteswissenschaften sollte man auch opferbereit sein, denn bis die eigene Arbeit mal auf fruchtbaren Boden fällt, kann es eine Weile dauern. Da sich Promovierende meistens mit hochspezifischen Inhalten befassen, ist man für das eigene Umfeld auch oft ein Sonderling. Schiefe Blicke und Unverständnis der eigenen Arbeit gegenüber sollte man also abkönnen.

Welche Aufgaben ergeben sich noch im Zuge Ihrer Promotion?

Zusätzlich habe ich in der Vergangenheit im Rahmen von Lehraufträgen bereits fünf Seminare am Institut gehalten und biete auch im aktuellen Semester gemeinsam mit meiner Institutskollegin Jihee Hong ein Seminar mit dem Titel “Literatur und Wissen” an.

Was unternehmen Sie, um sich zusätzlich zu qualifizieren?

Ich habe bisher schon einige Angebote des Interdisziplinären Promotionszentrum (IPZ) genutzt, um mich weiterzubilden und engagiere mich auch im Beirat des Zentrums. Außerdem möchte ich langfristig noch das Rheinland-Pfalz-Zertifikat für Hochschuldidaktik erwerben, das für das Planen und Durchführen von Lehrveranstaltungen qualifiziert und unter anderem über die Hochschuldidaktische Arbeitsstelle der Universität Koblenz-Landau vergeben wird.

Wie organisieren Sie Ihren Arbeitsablauf?

Wer sich nicht schon als Student einen geregelten Tagesablauf antrainiert hat, sollte das spätestens in der Promotionsphase tun, sonst könnte es schwierig werden. Für mich ist daher eine konstante Tagesplanung wichtig. Das fängt schon damit an, dass ich gemeinsam mit meiner Partnerin am frühen Morgen in den Tag starte. Bis zum Mittag hin habe ich dann schon einige Arbeitsetappen absolviert. Diese Routinen sind wichtig. Dabei sollte man Teilaufgaben hierarchisieren, um die mittel- und langfristigen Ziele zu erreichen. Das ist für mich vielleicht manchmal die größte Herausforderung, aber ich versuche auch diesen Aspekt zu optimieren.

Interview: Sandra Erber

1 Kommentare

  1. Andrea Weber-Tramp sagt

    Finde ich ein spannendes Thema. Ich habe vor einigen Jahren meine Diplomarbeit in Erziehungswissenschaften in Koblenz zu einem ähnlichen Thema verfasst. Ich habe mich damals mit der Darstellung von Alter und Altern in der modernen Kinder- und Jugendliteratur beschäftigt. Dabei spielte das Thema Demenz auch schon eine zentrale Rolle.
    Viel Erfolg für die Promotion wünscht Ihnen
    Andrea Weber-Tramp

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