Am vergangenen Donnerstag veranstaltete das Zentrum für Kultur- und Wissensdialog (ZKW) der Universität Koblenz-Landau im Universum-Kinocenter Landau einen hochkarätig besetzten Poetry Slam. Wir haben auch hinter die Bühne geschaut.
Es ist kalt und dunkel an diesem Donnerstagabend. Noch dauert es über eine Stunde, bis es losgeht mit dem vom ZKW organisierten Poetry Slam. Trotzdem stehen schon viele Besucher, zumeist Studierende der Universität Koblenz-Landau, vor dem Eingang des „Universum-Kinocenters“ und versuchen, sich gegen der Kälte zu wappnen.
Dagegen ist es im Backstage-Bereich des Kinos etwas komfortabler. Obwohl von Beheizung keine Rede sein kann, ist die Stimmung dort gut. Es gibt belegte Brötchen. In der Ecke stehen Bier und Wein bereit. Von Aufregung ist hier nichts zu spüren. Es wirkt alles sehr routiniert.
Moderator Hanz nippt an seiner Flasche Mate-Tee und lässt sich auf einen der gemütlichen lila Sessel nieder. Der 30-Jährige kommt aus Ludwigsburg und möchte nur seinen Künstlernamen nennen. Er ist so eine Art Tausendsassa. Ein Multitalent, das auch mal Gala-Veranstaltungen oder Auktionen moderiert. Doch seine wahre Leidenschaft gehört dem Poetry-Slam. Als Moderator, aber auch als Teilnehmer. Über 400 Mal trat er mit seinen Texten auf. 2010 wurde er baden-württenbergischer Poetry-Slam-Vizemeister. Doch heute geht es für ihm darum, die Stimmung des Publikums auszuloten. „Ich muss dafür sorgen, dass jeder der Teilnehmer die gleichen Chancen erhält wie die anderen Mitstreiter“, sagt er. Die Atmosphäre im Publikum sei entscheidend.
Jarawan musste von seinen Freunden überredet werden
Langsam trudeln die Protagonisten des Abends ein. Versammeln sich in dem kleinen Raum neben der Bühne. Begrüßt wird sich mit Umarmung. Man kennt sich von hunderten Wettbewerben und Auftritten. Die Poetry-Slammer-Gemeinde ist eine Szene für sich. Und Theresa Hahl gehört dazu. Die zierliche gebürtige Heidelbergerin versucht, sich mit ihrem roten Mantel und ihrer Mütze vor der Kälte zu schützen. Auch sie ist hochdekoriert was Preise, Ehrungen und Stipendien angeht. Ob sie noch so etwas wie Lampenfieber spürt? Das käme auf den Auftritt an. „Ich werde heute mal einen neueren Text von mir ausprobieren. Und bis der richtig sitzt, brauche ich schon etwas Übung“, sagt sie und nimmt einen Schluck aus ihrem Plastikbecher.
Ihr gegenüber sitzt der 29-jährige Pierre Jarawan. Irgendwie kann man sich gar nicht vorstellen, dass der Münchner ein Typ ist, der sich vor einem abstimmungsbereiten Publikum präsentiert. Neben einer frappierenden Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Jim Parsons, der den Star der Serie „The Big Bang Theory“ Sheldon Cooper mimt, wirkt er doch recht schüchtern. Seine brave Brille, die er bei seinem Auftritt ausziehen wird, verstärkt diesen Eindruck noch.
Der deutschsprachige Poetry-Slam-Meister von 2012 muss schmunzeln. „Zu meinem ersten Auftritt musste ich von Freunden überredet werden. Ich glaube, dass die wollten, dass ich mich blamiere“, sagt er und grinst.
In Landau sind sie hungrig
Mittlerweile ist der alte Kinosaal bis auf den letzten Platz besetzt. Es haben sich sogar einige Zuschauer vor die Bühne auf den Boden gesetzt. Auch Vizepräsident Professor Dr. Ralf Schulz hat sich bereits auf seinen Platz in der ersten Reihe gesetzt. Hinter der Bühne sind nun auch alle Akteure des Abends eingetrudelt. Die Leiterin des ZKW, Dr. Anja Ohmer, die das Publikum unter Applaus begrüßt, bezeichnet das Starterfeld gar als „Line-up der Meister“. Und das ist wahr. Wirklich alle haben schon mal eine Meisterschaft errungen. Egal, ob es sich um das Ruhrpott-Original Patrick Salmen, den Kaiserslauterer Markus Becherer, den Bamberger Christian Ritter, Marvin Ruppert aus Marburg oder eben Theresa Hahl und Pierre Jarawan handelt. Die Leistungsdichte ist enorm. Und kommt beim Publikum entsprechend gut an.
Moderator Hanz hat den Saal fest in der Hand. Spätestens seine Gags über das Saarland oder ein paar lockere Sponti-Sprüche, die er aus einem mitgebrachten Buch vorträgt, wärmen die Zuschauer auf. „In Landau sind die richtig hungrig auf Poetry-Slam. Das merkst du von Anfang an“, wird Hanz nach der Veranstaltung sagen. Hier trete er besonders gerne auf. In anderen Städten gebe es fast jede Woche so einen Wettbewerb. In Landau sei dies aber noch was Besonderes. Besonders sind auch die eigenen Texte, die die Wettbewerber vortragen. Diese sind zumeist komödiantisch angelegt. Nur Theresa Hahls Text „Kleiner Mensch, ganz groß“ ist eher ruhiger und melancholisch. Nach jedem Vortrag lässt Moderator Hanz die Zuschauer per Zuruf über einen Begriff entscheiden, der den Text am treffendsten beschreibt. Da werden Worte wie „Komasutra“ oder „Staudenspargel“ notiert.
Ballermann des Christentums
Bemerkenswert ist der Auftritt von Christian Ritter, der es mit seiner ersten bitterbösen Nummer über den Brief- beziehungsweise den SMS-Verkehr zwischen einem Stalker und dessen Opfer ins Fernsehen schaffen könnte.
Am Ende reicht es für den dritten Platz hinter Patrick Salmen, der in einem seiner Texte einen Weihnachtsmarkt als „Ballermann des Christentums“ bezeichnet. Strahlender Sieger ist am Ende der dreistündigen Veranstaltung der gar nicht so schüchterne Pierre Jarawan. Der steht zufrieden bei seinen Mitstreitern vor dem Kino. Natürlich freue er sich sehr über den Sieg. Doch groß gefeiert wird nicht. Morgen wartet der nächste Auftritt. Eine letzte Umarmung mit seinen Poetry-Kollegen. Dann geht es ins Hotel. Und am nächsten Tag in eine andere Stadt.
Benedikt Schülter
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