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Bergauf, bergab die Lahn entlang

Uniblog-Reporterin Bettina Böhmer geht gerne wandern, am liebsten auf abwechslungsreichen Wegen, die mit weiten Blicken eine Auszeit vom Lernen am Schreibtisch bieten. Ohne Auto und Orientierungssinn sind die Möglichkeiten dabei begrenzt. Doch der LahnWeinStieg im Naturpark Nassau bietet auch solchen Menschen alles, was man für einen gelungenen Wandertag braucht.

„Ich würde gerne mehr wandern gehen, aber ich habe Angst, mich zu verlaufen.“ Mit dieser Befürchtung bin ich sicher nicht alleine auf den breitgetrampelten, langweiligen Wegen in der nahen Koblenzer Umgebung. Dass es auch anders geht, beweist der noch recht neue LahnWeinStieg. Neben wunderschönen Weitblicken, abenteuerlichen Aufstiegen und abwechslungsreichen Wegen erwarten euch auf dem im September 2021 eröffneten Wanderweg Installationen und Informationstafeln zum Weinbau an der Lahn sowie zu Tieren und deren Lebensräumen im Naturpark. Unterwegs laden zudem jede Menge Bänke dazu ein, sich auszuruhen und die Gegend zu genießen.

 

Ruhebänke, wie hier mit Blick auf das Kloster Arnstein, laden Wandernde auf dem LahnWeinsteig zum Verschnaufen ein.

Ruhebänke, wie hier mit Blick auf das Kloster Arnstein, laden Wandernde auf dem LahnWeinstieg zum Verschnaufen ein.

Gut erreichbar und top ausgeschildert

Die Informationstafel zur Steinrassel klärt über den Wert eines Weinbergs für den Naturschutz auf. Sie entstand, wie noch weitere Tafeln, in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Nassau.

Die Informationstafel zur Steinrassel klärt über den Wert eines Weinbergs für den Naturschutz auf. Sie entstand, wie noch weitere Tafeln, in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Nassau.

Mit dem Semesterticket kommt man kostenlos bis zum Startpunkt, dem Bahnhof Obernhof. Dort steht eine große Karte, auf der der rund elf Kilometer lange Wanderweg mitsamt Abkürzungsmöglichkeiten eingezeichnet ist. Auch unterwegs gibt es viele Hinweisschilder, sodass ein Verlaufen sogar mir unmöglich ist. Zusätzlich habe ich mir die einfache, aber klare Karte ausgedruckt. Der Weg ist überwiegend nach Süden exponiert, Sonnenschutz also sinnvoll.

Es wird empfohlen, gegen den Uhrzeigersinn zu gehen. So gelangt man bald zur ersten Installation, dem Kassiopeia-Parcour. Hier erfahrt ihr auf den 45 m Höhenunterschied unter anderem, weshalb eine sogenannte Steinrassel für Weinbau und Artenschutz wichtig ist. Wer aufmerksam ist, entdeckt auch, weshalb dieser Abschnitt nach der berühmten Schildkröte aus Michel Endes „Momo“ benannt ist.

Schon Goethe mundete der Lahn-Wein

Der LahnWeinStieg zielt darauf ab, den Weinanbau an den Lahnhängen in das Bewusstsein der Bevölkerung zurückzuholen. Bereits vor 900 Jahren wurde hier Wein angebaut, in den 1930ern umfasste das Anbaugebiet noch 60 Hektar. Heute sind es immerhin 15 Hektar, nachdem der Weinanbau zwischenzeitlich fast vollständig aufgegeben war. Erst durch das Flurbereinigungsverfahren Obernhof-Weinähr im Jahr 2018 wurden die vielen kleinen Teilgebiete wieder zu großen Anbauflächen zusammengeschlossen.

Weiter den Berg hinauf, diesmal im Wald, gelangt man am Goethe-Punk zur ersten großartigen Aussicht. Er heißt nicht umsonst so: Der Dichter selbst hat Obernhof besucht. Der Abstieg über Schiefer mutet alpin an. Alle solch abenteuerlichen Passagen sind mit Stahlseilen und Trittstufen abgesichert, steile Aufstiege können auf gut ausgeschriebenen Wegen umgangen werden. Auf den schmalen, romantischen Grad, für den Schwindelfreiheit und Trittsicherheit nötig sind, folgt der erste der drei Klettersteige.

Der erste Weitblick vom Goethe-Punkt aus auf Weinähr.

Der erste Weitblick vom Goethe-Punkt aus auf Weinähr.

Vom Bachgeplätscher zum Gipfelkreuz

Begleitet vom Rauschen des Gelbachs geht es ein Stück ebenerdig den „Cool-Down“ entlang. Später kann man sich im Bach die Füße kühlen.

Begleitet vom Rauschen des Gelbachs geht es ein Stück ebenerdig den „Cool-Down“ entlang. Später kann man sich im Bach die Füße kühlen.

Vorbei am Otto-Wolf-Stollen, Bergbau-Relikt und Fledermaus-Quartier, mündet der Abstieg in den „Gelbach-Cooldown“, einen breiteren Weg, der vom Rauschen des Gelbachs begleitet wird. In ihm können sich Wandernde am Handlauf entlang die Füße erfrischen und erfahren durch eine Infotafel, welche Vögel am Bach leben. Spätestens hier wird klar, dass wir uns im Naturpark Nassau befinden: Naturschutz wird mit  naturverträglichem Tourismus verbunden. Dazu gehört, den ökologischen Wert der Landschaft zu erhalten und zu erhöhen. Und wie schon im Kassiopeia-Parcour deutlich wurde, sind Weinlagen schützenswerte Lebensräume. Der Erhalt des Weinanbaus an der Lahn findet also auch im Sinne des Naturschutzes statt.

Der zweite Klettersteig führt zum Gipfelkreuz, der steilste Anstieg ist danach geschafft. Oben lädt eine Hütte zum Rasten ein, während der Blick das Lahntal entlang schweifen kann. Auf dem weiteren Weg kommt man an einem versteckten Weinberg vorbei. Die farbigen Stickel geben einen Hinweis darauf, wie weit der Weinbau an der Lahn sich noch bis in die 1960er Jahre erstreckte. Sie lassen zugleich erahnen, wie viel Holz im Weinbau für diese typischen Rankhilfen verbraucht wurde. Nach dem kurzen Abschnitt im Wald wird die Sicht wieder weiter: Die Erdbeer-Schlaaf verband einst die land- und forstwirtschaftlichen Flächen im Wald mit der Lahntalebene. Was genau die „Schlaaf“ ist, erklärt die Infotafel, die Wandernde nach dem steil abfallenden Weg am Ende der Installation erwartet.

Bürger-Weinberg, Pulverturm, Muskelkater

Der Adelhahn-Klettersteig ist der letzte der drei kleinen Klettersteige auf dem LahnWeinSteig.

Der Adelhahn-Klettersteig ist der letzte der drei kleinen Klettersteige auf dem LahnWeinStieg.

Der LahnWeinStieg geht nun wieder munter hoch und runter, vorbei am Bürger-Weinberg. Eine Sitzschanze lädt zum Ausruhen ein. Der Weitblick über Wald und Felder entschädigt mich für den Muskelkater, den ich jetzt schon spüre. Kurz vor dem Ort Weinähr wird zur Zeit meiner Begehung noch am Weg gebaut. Rund fünf Jahre dauerte die Entstehung des Stiegs von der Idee bis zum nun (nahezu) fertigen Ausbau. In Weinähr führen die geteerten Wege am historischen Rathaus und der 1927 gepflanzten Friedenslinde entlang zu den Eiskellern. Sie wurden früher als Lagerraum für Zuckerrüben genutzt. Heute finden Fledermäuse hier Quartier.

Auch für die Arme ist Abwechslung geboten: Nach den Eiskellern stehen Klimmzugstangen und Ringe an Holzgerüsten bereit. Vorbei am Pulverturm geht es dann dem Adelhahn-Klettersteig entgegen. Von hier oben hat man einen weiten Blick auf die bereits hinter sich gebrachte Strecke.

Vom Arnstein-Blick kann man den Blick über das Gipfelkreuz und den Goethe-Punkt schweifen lassen. So wird man sich der zurückgelegten Strecke bewusst.

Vom Arnstein-Blick kann man den Blick über das Gipfelkreuz und den Goethe-Punkt schweifen lassen. So wird man sich der zurückgelegten Strecke bewusst.

 

Vollgepackte 11 Kilometer

Zum Abschluss gelangt man in die Obernhofer Rebgärten, um etwas über den historischen Rebschnittgarten zu erfahren. Oberhalb des Weges laden abermals viele Bänke zum Genießen der Sonne ein. Eine letzte Treppe geht es hoch, bevor der Weg hinunter nach Obernhof führt. Dann ist es geschafft, das Ziel erreicht, meine Beine müde, doch die Seele glücklich!

Auch wenn der LahnWeinStieg „nur“ elf Kilometer umfasst, solltet ihr mehr als vier Stunden einplanen. Es lohnt sich, eine Tagestour daraus zu machen, um die vielen liebevoll gestalteten Informationstafeln zu lesen und die Aussichten zu genießen – oder sich von den Auf- und Abstiegen zu erholen. Zudem gibt es in Obernhof auch zwei Weingüter, die den seltenen Lahnwein zu Verköstigung und Verkauf anbieten.

Noch mehr Infos und Bilder zum LahnWeinStieg und dem Naturpark Nassau findet ihr unter https://www.naturparknassau.de/

Bettina Böhmer