Die zunehmende Versalzung von Gewässern ist ein ökologisches Problem. In einer kürzlich veröffentlichten Studie warnen Wissenschaftler um Oliver Frör, Professor für Umweltökonomie in Landau, vor den Konsequenzen für Mensch und Umwelt.
In Ihrem kürzlich erschienenen Artikel in der Fachzeitschrift “Science” haben Sie sich mit 23 weiteren Autoren dem Thema Gewässerversalzung gewidmet. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gelangt?
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Wir wissen, dass es zahlreiche Ursachen für die zunehmende Versalzung unserer Gewässer gibt, die früher oder später nicht nur die Umwelt, sondern auch uns Menschen stark belasten werden. Ein wesentliches Problem liegt in den Abwässern, die beim Abbau von Salzen im Bergbau entstehen, in Trockengebieten spielt auch die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Der Salzgehalt in Flüssen, Seen und im Grundwasser steigt, die Wasserqualität nimmt ab. So werden beispielsweise Abwasserreinigung und Trinkwasseraufbereitung immer teurer. Wir haben mit Wissenschaftlern aus aller Welt in einer Art Metaanalyse unsere Erkenntnisse aus den verschiedenen Fachgebieten der Natur-, Umwelt- und Sozialwissenschaften zusammengetragen, um den Status Quo der Gewässerversalzung, einem bislang viel zu wenig beachteten Thema, darzustellen und Lösungen aufzuzeigen. Sämtliche Erkenntnisse aus eigenen empirischen Studien und Experimenten sind in diese Studie eingeflossen.
Warum findet das Problem bisher so wenig Beachtung?
In den Köpfen der Menschen ist das Bewusstsein für die entstehenden Probleme durch versalzene Gewässer noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Jeder weiß zum Beispiel, dass Chemikalien, die ins Grundwasser und somit auch ins Trinkwasser gelangen, oder Pestizide, mit denen Obst und Gemüse behandelt werden, gefährlich für unsere Gesundheit sein können. Aber kaum jemand weiß, welche Schwierigkeiten Salze mit sich bringen können, da die Auswirkungen nicht unmittelbar sichtbar sind.
Von welchen Schwierigkeiten sprechen wir genau?
Man muss bei den Folgen der Gewässerversalzung buchstäblich zwischen sichtbaren und unsichtbaren Konsequenzen unterscheiden. Für den Menschen auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist zum Beispiel der Verlust der Biodiversität. Da Salze nach und nach den Lebensraum der Tiere und Pflanzen, die in Flüssen und anderen Gewässern heimisch sind, beeinträchtigen, geht die Artenvielfalt verloren. Gleichzeitig breiten sich dort salzrobuste Pflanzen- und Tierarten aus. Dieses Ungleichgewicht überträgt sich wiederum auf die natürliche Nahrungskette. Es könnte zum Beispiel weniger Fische geben, wodurch grob gesagt nach und nach gesamte Ökosysteme ihre ursprüngliche Funktionalität verlieren. Dass sich die Natur so mittelfristig verändert, ist für den Menschen nicht greifbar. Wenn dagegen das Wasser beim Einkauf im Supermarkt teurer wird, dann bekommt das jeder mit. Denn durch den erhöhten Salzgehalt im Grundwasser nimmt die Qualität des Trinkwassers ab. Das zieht eine aufwändigere, kostenintensivere Trinkwasserbehandlung nach sich und der Preis für eine Flasche Wasser steigt. Ein Begriff, der im Zuge dessen diskutiert werden muss, sind die sogenannten Ökosystem-Dienstleistungen, mit denen wir uns auch in der AG Umweltökonomie beschäftigen.
Was meinen Sie mit Ökosystem-Dienstleistungen?
Jeder Mensch nutzt seine Umwelt und die Natur in der Regel kostenfrei. Wir ziehen einen Nutzen daraus, dass uns die Ozonschicht vor Sonnenbrand schützt, der artenreiche Wald uns Erholung bietet, dass intakte Böden Schadstoffe abbauen und Auenlandschaften uns vor Hochwasser bewahren. Aber wir zahlen keinen Cent für diese Güter. Gleichzeitig schaden wir der Umwelt und verursachen dadurch hohe Kosten. Wir befassen uns seit vier Jahren mit der Bewertung der “natürlichen “Dienstleistungen”: Welchen Wert haben diese Annehmlichkeiten der Umwelt für uns und welchen Preis würden wir gegebenenfalls dafür zahlen, um eine durch Menschenhand zerstörte Leistung wieder in Gang zu bringen und für uns nutzen zu können. Wir arbeiten interdisziplinär mit Wissenschaftlern aus den Bereichen Umwelt, Kommunikation und Psychologie in Landau und Koblenz, aber auch mit anderen Universitäten in Deutschland und international zusammen. Unsere Stärke liegt in der Vernetzung der Fachdisziplinen, da nur so die gesellschaftliche Relevanz wirklich greifbar wird.
Welche Bedeutung hat die Gewässerversalzung für die Umwelt im Allgemeinen und für bestimmte Lebensräume im Speziellen?
Deutschland ist derzeit noch nicht so stark betroffen wie manche andere Länder. Das größte Problem hierzulande stellen die Abwässer aus dem Kali-Abbau aber auch anderer Bergbauaktivitäten dar. Trotz unserer noch nicht ganz so brenzligen Lage werden Standards zur Gewässer-Regulierung, wie sie unter anderem in der EU-Wasserrahmenrichtlinie festgehalten sind, nicht eingehalten. Noch schwächer ist die Regulierung allerdings in Afrika und Mittelasien, wo es deutlich trockener ist. Dort ist von Natur aus schon eine viel stärkere Bewässerung der Felder notwendig. So versalzen nicht nur die Steh- und Fließgewässer, sondern auch das Grundwasser wird für die Landwirte zum Problem. Wo landwirtschaftliche Flächen und Trinkwasserreserven versalzen, wird im Laufe der Zeit die gesamte Infrastruktur der Wasseraufbereitung angegriffen. Das kann erhebliche wirtschaftliche Schäden nach sich ziehen.
Welche Maßnahmen zur Regulierung empfehlen Sie?
Bevor gezielte Maßnahmen Anwendung finden können, wollen wir zunächst auf die aktuelle Problemlage aufmerksam machen. Um ein Bewusstsein für die negativen Folgen von Gewässerversalzung zu schaffen, muss verständlich erläutert werden, zu welchen Konsequenzen hohe Salzkonzentrationen führen und welche Kombinationen von Salzen und anderen Substanzen besonders schädlich sind. Dann erst können spezifische Maßnahmen ergriffen werden. Dabei ist es nötig Technologien zu fördern, um beispielsweise die Abwasserreinigung effizienter zu gestalten. Zur Enteisung von Straßen und Flugzeugen können andere Substanzen, also Salz-Substitute, herangezogen werden. Außerdem könnte man in besonders gefährdeten Regionen einen Handel mit Salz-Zertifikaten einführen. Insgesamt kommt es auf ein gemeinschaftliches Handeln zwischen Wissenschaft und Politik an, um sinnvolle und wirkungsvolle Standards zu entwickeln, die dann auch in der Praxis eingehalten werden.
Was kann jeder einzelne von uns tun? Im Winter Split statt Salz streuen?
Das Salzstreuen ist den privaten Haushalten ohnehin in den meisten Fällen schon nicht mehr gestattet. Zwar hat das Salz auf der Treppe keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gewässer, aber auch den Boden und die Pflanzen vor der eigenen Hasutür kann jeder schützen, indem er auf Streusalz verzichtet und zu Alternativen greift.
Welches Ziel verfolgen Sie mit der Veröffentlichung Ihres Fachartikels?
Auf wissenschaftlicher Seite wollen wir Forschungslücken aufdecken und zeigen, wo noch Forschungsbedarf besteht. Die aktuellen, von uns festgehaltenen Veränderungen sollen genutzt werden, um mögliche Veränderungen in der Zukunft zu antizipieren. Ziel war es, die Darstellung des wahren Ausmaßes der Beeinträchtigung auf einer breiteren Basis aufbauen, das heißt, neben den ökologischen auch soziale und ökonomische Folgen in den Blick zu nehmen. Dieses interdisziplinär angelegte “Triple Bottom Line”, das Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung, ermöglicht es, neben der umweltbezogenen auch die gesellschaftliche Relevanz aufzuzeigen. Wir wollen Aufmerksamkeit generieren und frühzeitig warnen. Das funktioniert am besten, wenn die Perspektive der Natur- und Umweltwissenschaftler durch die der Ökonomen und Sozialwissenschaftler ergänzt wird.
Wie könnte eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik aussehen?
Unser Ziel war und ist es, eine Diskussion in Gang zu bringen sowie Behörden und politiknahe Institutionen anzusprechen. Wenn über unser Konzept gesprochen wird, dann haben wir schon viel erreicht. Die Presse hat darüber berichtet und das Deutsche Umweltbundesamt hat unsere Publikation bereits zur Kenntnis genommen. Für die Zukunft ist vor allem die interstaatliche Zusammenarbeit wichtig, um Methoden zu verbreiten und Standards für das Gewässermanagement wirklich durchsetzen zu können. Dazu sollte ein Austausch mit Staaten wie Australien stattfinden, die das Problem in ihrem Land bereits erkannt haben und als gutes Vorbild vorangehen.
Für die angehenden Wissenschaftler unter uns: Wie organisiert man so ein großes Projekt mit 23 Co-Autoren?
Die Gruppe besteht zu einem großen Teil aus Autoren, die sich im Bereich der Umweltwissenschaften aus früheren Projekten kannten. Beispielsweise die Ökotoxikologen wie Ralf Schäfer, Juniorprofessor für Landschaftsökologie am Campus Landau, oder weitere Mitglieder zum Beispiel aus der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG). Neu war, dass auch Vertreter mit sozialwissenschaftlichem und ökonomischem Hintergrund beteiligt waren, wie meine Kollegin Brenda Dyack von der University of Canberra und ich. So bestand die Möglichkeit, erstmals auch Schäden durch Nichtmarktgüter – die angesprochenen Güter unserer Natur – und die Bewertung von Ökosystem-Dienstleistungen in die Diskussion einzubringen. Da die von mir erläuterten sichtbaren Folgen für die Gesellschaft so schwer messbar sind, war das von besonderer Bedeutung. Um den Hauptautor Miguel Cañedo-Argüelles von der University of Vic waren wir um bestimmte Themenbereiche herum in kleineren Autorengruppen organisiert. Per E-Mail standen wir in Kontakt mit allen anderen Wissenschaftlern. In kleineren Tagungsgruppen fanden auch mal Treffen statt, um neuen Input zu liefern. Wir haben etwa ein Jahr Zeit in unsere Arbeit investiert, bis wir den Artikel bei “Science” eingereicht haben.
Stehen nun noch weitere anknüpfende Forschungsprojekte an?
Diese internationale Publikation war ein großer Erfolg. Um daran anzuknüpfen, befinden wir uns aktuell in der Vorbereitung auf künftige Forschungsprojekte. Professor Schäfer und ich haben einen Antrag beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestellt und auch die russischen Kollegen initiieren ein neues Projekt, um die bis zu diesem Zeitpunkt erzielte Aufmerksamkeit zu halten.
Cañedo-Argüelles, M., Hawkins, C.P., Kefford, B.J., Schäfer, R.B., Dyack, B.J., Brucet, S., Buchwalter, D.B., David, B., Dunlop, J.E., Frör, Oliver, et al., 2016. Saving freshwater from salts: Ion-speciøc standards are needed to protect biodiversity. Science. 351 (6276): 4-6.
Nina Seel
Hallo,
ich habe eine Frage. Ich habe einen Nachhaltigkeitsblog und hier wurde mir als Tipp gerade mitgeteilt, dass man statt Weichspüler Kochsalz in die Waschmaschine gibt.
Ich habe in Erinnerung, dass zu viele Salz im Abwasser ganz und gar nicht gut ist. Nun bin ich auf diesen Artikel gestoßen.
können ihr mir helfen und etwas Aufklärung geben? Ich befürchte, dass dich die ganzen NEO-Grünen zu sehr danach richten und statt die Umwelt zu schonen das Gegenteil bewirken.
Oder ist Kochsalz im Abwasser kein Problem, wenn alle das in ihre Waschmaschine geben?
Vielen Dank im Voraus für die Aufklärung,
Sabrina
Planet-Care-Small-Steps
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