Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht: Junior-Professorin Dr. Katrin Schuhen hat sich diesen Satz zum Leitthema ihrer Forschung gemacht. Ihr Team, die Arbeitsgruppe MINTovation, arbeitet im Projekt Wasser 3.0 an der Schnittstelle von Chemie, Technik und Umwelt. Die Aufgabe: Eine Alternative zu Aktivkohle zu finden, um organische Spurenstoffe aus unserem Abwasser zu filtern.
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Welchen Stellenwert das Wasser für uns Menschen hat, wird an einer Zahl besonders deutlich: 140 Liter verbraucht ein Mensch durchschnittlich am Tag. Wasser ist die wichtigste Ressource auf der Welt. Nicht nur die Wasservorräte schwinden zunehmend, auch die Verunreinigung nimmt immer größere Ausmaße an. Hauptsächlich organische Spurenstoffe wie Abbauprodukte von Medikamenten und Pestizide gelangen in den Wasserkreislauf. Zum Beispiel durch die Einnahme einer Schmerztablette: 60 Prozent des Wirkstoffes Ibuprofen verlässt den Körper unverändert und gelangt ins Abwasser. Die Entsorgung von Medikamenten über die Toilette, verseuchte Abfälle aus der Industrie oder Polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) in Funktionskleidung, die über den Waschprozess abgesondert werden, verunreinigen unser Wasser. “Die Kläranlagen haben längst ihre Grenzen erreicht, deshalb muss ein neues Material entwickelt werden, das als vierte Reinigungsstufe in der Kläranlage zum Einsatz kommt. Dieses Material soll die Verschmutzungen aus dem Wasser entfernen, die über die drei Stufen vorher nicht entfernt werden konnten”, erklärt Dr. Katrin Schuhen ihr Vorhaben.
Hybridkieselgele als Lösung
Aktivkohle wird bereits seit langem als Adsorptionsmittel in Kläranlagen eingesetzt. Der Filterstoff hat jedoch eine sehr begrenzte Aufnahmekapazität. Dabei ist die Bindung von organischen Spurenstoffen von höchster Bedeutung für die Filterung von Wasser. Schuhens Team musste eine synthesechemisch zugängliche Verbindung finden, die mit ihren “Greifarmen” bestimmte Substanzen rausfiltert. “Wir haben uns im Labor angeschaut, welche Grundstruktur die Spurenstoffe aufweisen und anhand dessen herausgefunden, ähnlich einem Schlüssel-Schloss-Prinzip, welche chemische Struktur beziehungsweise welche Andock-Parameter dazu passen.”
Der Anspruch an das Material: Keine unkontrollierbaren Reaktionen auszulösen, um die Entstehung von Nebenprodukten so gut wie möglich auszuschließen. Die Lösung: Hybridkieselgele. Die neue Verbindung kann sowohl große Mengen an Spurenstoffen aufnehmen als auch fixieren, ohne dabei toxische Substanzen zu bilden.
Von der Laboridee zum Produkt
Die Hybridkieselgele werden in den Produktionsstätten der abcr GmbH unter dem Produktnamen “StressFix” hergestellt. “Im Labor können lediglich 100 Gramm Material erforscht werden. In der Kläranlage benötigt man dagegen eine Tonne. Es braucht natürlich jemanden, der diese Tonne produziert”, verdeutlicht Schuhen. “Am Anfang des Projekts habe ich mich mit der Firma in Verbindung gesetzt und gesagt: ‘Ich habe eine Idee, aber kein Geld für die Umsetzung’. Nach einigen Gesprächen waren sie überzeugt und boten uns ein gemeinsames Forschungsprojekt an.”
Derzeit befindet sich StressFix in der Testphase. In einer Kläranlage der Entsorgungsbetriebe Landau können die Laborexperimente vor der Anwendung in einer Zwischenstufe getestet werden. Die Wasserqualität wird vor und nach dem Durchlauf geprüft und verglichen. Der nächste Schritt ist der Bau einer großen Filterkartusche, die in jeder Anlage verwendet werden kann.
Nicht nur Kooperationspartner sehen großes Potenzial in dem Projekt. Wasser 3.0 ist aktueller Preisträger des Innovationswettbewerbs “Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen” und wurde 2015 auch mit dem GreenTec Award, Europas größtem Umweltpreis, in der Kategorie Wasser & Abwasser ausgezeichnet.
Verbesserte Wasserqualität weltweit
Schuhens Blick geht im Zuge des Projekts Wasser 3.0 nicht nur nach Deutschland. Sie möchte eine globale Lösung finden: “Jeder Mensch sollte frei entscheiden können, welche Qualität das Wasser hat, das er verbraucht. Auch Orte weltweit, ohne Anbindung an eine Kläranlage, sollten die Chance auf sauberes Wasser haben.” Die Filter werden sowohl für die häusliche Anwendung als auch für die Filterung von Brunnenwasser konzipiert. Mit der University of The Gambia wurde ein Kooperationspartner in Afrika gefunden. Aufgrund der fortschreitenden Versalzung und dem desolaten Recycling-System sei die Wasserqualität in Gambia sehr schlecht. Wasser 3.0 diene als Leuchtturmprojekt für die umliegenden Länder. Im Rahmen ökologischer Expeditionen ist es möglich, mittels eines mobilen Labors europaweit Wasserproben zu entnehmen und neue Daten zu erheben. Neben neuen Erkenntnissen steht aber auch die grundsätzliche Aufklärung der Menschen zum Thema im Vordergrund. “Wasser ist ein wertvolles Gut, hier müssen wir alle an einem Strang ziehen – denn sauberes Wasser ist schließlich ein Menschenrecht”, resümiert Schuhen.
Lisa Leyerer