Die 21-jährige Sonderpädagogik-Studentin Hanna Riedel ist zwar noch keine Lehrerin, verbringt aber trotzdem viel Zeit im Klassenzimmer. Neben ihrem Studium arbeitet sie als Integrationshilfe an der Förderschule des Caritas-Förderzentrums St. Laurentius und Paulus in Landau.
Mit fünf anderen Kindern sitzt die zehnjährige Franka Hormuth in einem bunten Klassenzimmer. Die Kinder arbeiten an Texten und schreiben konzentriert in ihre Hefte. Hanna Riedel sitzt neben Franka und unterhält sich mit ihr im Flüsterton. „Wo ist der Südpol, Franka?“, fragt sie. Vor Franka steht ein Bildschirm, auf dem sie schreiben kann, indem sie einzelne Buchstaben lange anschaut. Sie schreibt „Süden“ und Hanna korrigiert „südlichster Punkt der Erde“. Franka sitzt im Rollstuhl, sie ist motorisch stark eingeschränkt. An Hannas Hand kann sie ein bisschen gehen, ihre Hände und Arme kann sie zwar bewegen, allerdings reicht es nicht, um einen Stift zu halten oder damit zu schreiben. Auch Sprechen ist schwierig, daher braucht sie den sogenannten Talker – ein Bildschirm, der durch Blicke gesteuert wird.
Hanna Riedel ist Integrationshilfe an der Förderschule des Caritas Förderzentrums St. Laurentius und Paulus, einer sogenannten M-Schule für motorisch eingeschränkte Kinder. Wenn sie gerade nicht arbeitet, studiert Riedel Sonderpädagogik an der Universität Koblenz-Landau. Ihre Aufgaben als Integrationshilfe sind vielfältig. Sie unterstützt Franka, indem sie ihr Sachen bringt und mit ihr gemeinsam die Schulaufgaben meistert. Beim Mittagessen reicht sie Franka das Essen und setzt sie vom E-Rollstuhl in einen Lauftrainer. Nachmittags oder am Wochenende ist Riedel sogar manchmal bei Familie Hormuth zu Hause. Dann gehen sie zusammen schwimmen, in den Freizeitpark oder shoppen.
Gut mit dem Studium zu vereinbaren
„Besonders schön ist die Arbeit, wenn ich mit Franka Quatsch machen kann. Dann schauen die Lehrer zwar manchmal komisch, aber Franka lacht sich kaputt“, erzählt sie und schmunzelt. Sie freut sich auch über die Momente mit anderen Kindern. „Einmal haben die Schüler eine Rallye in der Schule gemacht und sollten verschiedene Dinge finden, unter anderem etwas Wertvolles. Ein Junge aus Frankas Klasse hat als wertvollen Gegenstand den Talker gebracht und erklärt, der sei wertvoll, weil Franka damit reden kann. Das war schon sehr süß”, erzählt sie.
Wie in jedem Job gibt es aber natürlich auch schwierige Momente. „Manchmal ist Franka einfach schlecht gelaunt, das kann sehr anstrengend sein.“ Doch ein paar “kleine Kämpfe” seien bei der Erziehung von Kindern natürlich normal. Hanna teilt sich den Job mit zwei anderen Studierenden, die abwechselnd mit dem Kind in der Schule sind. „Franka ist auch mal einige Stunden allein, aber nie den ganzen Tag. Da kommt uns die Schule sehr entgegen. Wenn wir zum Beispiel mal in eine Sprechstunde müssen, können wir später kommen oder früher gehen.“ Das beruhe allerdings auf Gegenseitigkeit. Wenn beispielsweise eine Klassenarbeit ansteht, kommen die Integrationshilfen auch mal früher. Es sei auch sehr praktisch für die Studierenden selbst, denn sie können sich untereinander absprechen, wer wann vor Ort ist. „Der Schule ist das egal, wer von uns kommt, Hauptsache jemand ist da. Dadurch ist der Job auch super mit dem Studium vereinbar“, erklärt sie.
Mittagessen im E-Rollstuhl
Hanna Riedel arbeitet jetzt schon seit eineinhalb Jahren mit Franka. Zwischen den beiden herrscht eine angenehme Vertrautheit. Stolz schreibt Franka auf ihrem Talker „Ich hab eine 1“. Hanna freut sich und flüstert „Echt? Sachkunde?“ – „Englisch“ erscheint auf dem Display. Die Lehrerin schaut zu den beiden und Riedel blickt auf die Uhr: „Noch 30 Sekunden, Franka“. Nach dreißig Sekunden konzentriertem Anstarren des Textes verkündet ein lautes Piepsen das Ende der Unterrichtsstunde. Hanna packt Frankas Sachen und räumt ein bisschen auf. „Vergesst nicht, nachher habt ihr den Musiktest“, warnt die Lehrerin noch. „Nervös?“, fragt Riedel und Franka zuckt mit den Schultern.
Für das Mittagessen hat die Studentin Franka in den E-Rollstuhl gesetzt. Damit kann sie selbstständig herumfahren. Als Riedel dann die kleine Mensa betritt, sitzt Franka schon am Tisch und freut sich auf das Essen. Die ersten Minuten dürfen die Schüler nicht reden, sie sollen sich auf das Essen konzentrieren. Nach fünf Minuten Stille – durchbrochen von hungrigem Schmatzen – gibt eine der Lehrerinnen das erlösende Zeichen und schon wird es wieder laut. „Normalerweise erzählt Franka beim Essen sehr viel. Sie ist etwas schüchtern, wenn Leute dabei sind, die sie nicht kennt“, erzählt Hanna. Nach dem Essen geht es noch für eine halbe Stunde raus auf den Pausenhof, danach geht der Unterricht weiter.
Wichtige Erfahrungen für die Arbeit als Lehrerin
Für den Job brauche man ein gewisses Maß an Empathie und sollte keine Berührungsängste haben. Sonderpädagogik zu studieren sei ebenfalls hilfreich, aber nicht zwingend nötig. Die Erfahrungen, die Hanna Riedel in dem Job macht, kann sie für ihre Zukunft als Förderschullehrerin gut gebrauchen. „Ich lerne hier viel über den Schulalltag an einer Förderschule“, erzählt sie. „Manchmal üben Referendare für einen Unterrichtsbesuch, das ist für mich sehr interessant.“ Sie habe sich vorgenommen, intensiv auf solche Schüler einzugehen, die mehr Hilfe brauchen als die anderen. „Gerade für diese Kinder ist es wichtig, sich der Klasse zugehörig und nicht wie ein Außenseiter zu fühlen. Sie können zwar manche Dinge nicht genauso machen wie die anderen Kinder, trotzdem sind sie ein wichtiger Teil der Klasse“, findet sie.
Rebecca Singer
Im wahrsten Sinne des Wortes ganz große KLASSE, was Sie da machen, Frau Riedel!
Mal abgesehen von den Erfahrungen, die dann später im Job hilfreich sind, ist das, was sie von den Kindern für Ihren Einsatz „zurückbekommen“, unbezahlbar.
Ja, (freie) Zeit ist ein knappes Gut, wenn sie aber so sinnvoll eingesetzt wird, profitieren nicht nur die Hilfebedürftigen davon, sondern auch die Helfer persönlich, in vielerlei Hinsicht.
Ich selbst bin ehrenamtlich im Kinder- und Jugendhospizdienst in Koblenz aktiv.