In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute geht Anna Maria Junghänel der Frage nach, ob Neid auch gute Seiten haben kann.
Richtig gelesen, es gibt guten Neid. Das jedenfalls sagt die Sozialpsychologin Katja Corcoran, deren Interview mit Zeit Campus Online ich vor kurzem gelesen habe. In dem Interview erzählt die Autorin darüber, dass sie gemeinsam mit einer Freundin studiert hat, die bereits ihr Studium abgeschlossen hat und nun erfolgreich in ihrem unbefristeten Job ist. Wie soll sie damit umgehen? Darauf hat die Sozialpsychologin eine einfache Antwort: Neid. Aber muss das zwangsläufig negativ sein? „Nein, gar nicht“, sagt Corcoran, „Neid ist eine ganz normale soziale Emotion mit einem negativen Image. (…) Es gibt gutartigen und bösartigen Neid.“
Bin ich Neidisch?
Das macht Sinn. Wahrscheinlich kennt jeder das Gefühl, neidisch zu sein. Für Freunde freut man sich und für Unbekannte meist nicht unbedingt. Oder nicht so sehr, wie man sich für die Freunde gefreut hätte. Doch empfindet man Neid für Freunde? Ich habe versucht mich zu erinnern, wann ich neidisch auf meine Freunde war oder es vielleicht auch bin? Eigentlich nicht. Ich freue mich für meine Freunde. Das soll jetzt keinesfalls so klingen, als würde ich mich hervorheben und so darstellen, als sei ich nie neidisch. Es ist einfach so, dass meine Freunde alle ganz unterschiedliche Dinge erreicht haben oder erreichen wollen. Ich habe eine Freundin, die zur Polizei möchte, eine, die nach dem Studium eine Ausbildung zur Bestatterin macht und eine, deren Wunsch es schon seit der Grundschule ist, Lehrerin zu werden. Diese Ziele sind alle so unterschiedlich, dass ich nie gedacht hätte „Oh, das hätte ich auch gerne“, einfach, weil meine eigenen Pläne ganz anders aussehen. „Es fühlt sich gut an, sich für eine Freundin zu freuen, die etwas erreicht hat. (…) Bewunderung tritt eher ein, wenn der andere etwas in Bereichen geschafft hat, die für mich persönlich nicht so relevant sind“, so Corcoran.
Neid als Ansporn
Aber natürlich habe ich meine Freunde auch als Vorbild: An seinen Traum zu glauben und daran festzuhalten, dass ein Studium keine endgültige Entscheidung ist und man immer die Möglichkeit hat, etwas anderes danach zu machen, und Zielstrebigkeit. Das sind Eigenschaften, auf die ich manchmal vielleicht etwas neidisch bin. „Der gutartige Neid hat aber einen motivierenden Aspekt und spornt mich an, zu sagen: Das, was die andere Person erreicht hat, will ich auch erreichen. Und ich denke, wenn man diese Art von Neid empfindet, muss man sich gar nicht schlecht fühlen“, rät die Sozialpsychologin. Also nehme ich mir die Eigenschaften meiner Freunde als Vorbild und versuche, das als Ansporn zu nehmen. Guter Neid existiert also. Und so ein bisschen (gutartiger) Neid schadet schließlich nicht.