Der Hype um das “Ende des Maya-Kalenders” hat im Jahr 2012 zahlreiche Weltuntergangsexperten auf den Plan gerufen. Neben Spinnern seien darunter aber auch wissenschaftsnahe Theoretiker, die große Verunsicherung in den etablierten Wissenschaft auslösen könnten, sagen Dr. Clemens Albrecht, Professor für Allgemeine Soziologie, und Fabian Fries, Mitarbeiter und Doktorand am Intitut für Soziologie in Koblenz. Beide erforschen, wie diese wenig anerkannten Theorien unsere Wissensgesellschaft verändern.
Ob Alfred Wegener, Galileo Galilei oder Robert Koch: Sie alle waren einmal Außenseiter ihres Faches, die von den anerkannten Koryphäen des Wissenschaftsbetriebes belächelt und beschwichtigt wurden. Doch sind es oft genau jene Figuren, die die radikalen Umstürze in den Wissenschaft herbeigeführt haben, meint Dr. Clemens Albrecht, Professor für Allgemeine Soziologie in Koblenz. “Diese Leute werden oft lange als Spinner wahrgenommen und müssen jahrzehntelange Kämpfe führen, um anerkannt zu werden.”
Apokalypse-Theorien sind populär
Vor allem Weltuntergangsbewegungen sorgten seit dem Mittelalter immer wieder für einen großen Popularitätsschub wissenschaftlicher Außenseiter, die der etablierten Wissenslandschaft heftige Erschütterungen zufügten, so der Soziologe. Gemeinsam mit Fabian Fries, Institutsmitarbeiter und Doktorand am Institut für Soziologie, erforscht er im Rahmen des DFG-Projektes “Wissensgenerierung durch apokalyptische Bewegungen”, inwiefern jene Theorien im Fahrwasser der Weltuntergangsbewegung 2012 auch heute noch einen Wandel der Wissensgesellschaft auslösen könnten. “Der Hype um die neuere apokalyptische Bewegung 2012 wurde nicht ausschließlich von esoterischen Gruppierungen getragen, sondern ebenso von etwas wissenschaftsnäheren Akteuren, auf die wir verstärkt unser Interesse gerichtet haben”, beschreibt Albrecht.
Rupert Sheldrakes Theorie der morphogenetischen Felder
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Zu jenen wissenschaftsnahen Theorien zählt beispielsweise die der “morphogenetischen Felder”, mit der sich Fabian Fries im Rahmen seiner Promotion beschäftigt. Die Theorie versucht unter anderem die Frage zu klären, wieso Tiere und Pflanzen genau das für sie spezifische und eigene Aussehen oder Verhalten entwickeln. Wieso schauen beispielweise alle Gänseblümchen fast gleich aus und woher weiß eine Körperzelle, dass sie ihre Funktion als Leber- und nicht als Hautzelle erfüllen soll? “Diese Phänomene lassen sich laut der Theorie nicht ausschließlich auf die Genetik zurückführen”, erklärt der Doktorand. “Hier setzt sie an einer Leerstelle an und behauptet, dass Zellen auf ein nicht messbares Informationsfeld Zugriff haben, um sich zu entwickeln.”
Die vom britischen Biologen Rupert Sheldrake entwickelte Hypothese sei anfangs in der Fachwelt sogar interessiert aufgenommen worden, bis sie nach und nach systematisch an den Rand gedrängt wurde, weiß Fries. Sheldrake verlor schließlich seinen Job an der Uni. Allerdings suchte er nach Alternativen, um seinen Theorien Popularität zu verschaffen. “Da apokalypische Bewegungen grundsätzlich sehr offen für solche alternativen Theorien sind, konnte er seine Ideen im Rahmen beliebter Publikationen zum Weltuntergang einem ungleich größeren Publikum präsentieren als es im universitären Rahmen möglich gewesen wäre.”
In dieser Konstellation sind Sheldrakes Hypothesen dem Bereich der “Peripheren Wissenschaften” zuzuordnen, berichtet Fries. Diese als “Pseudowissen” zu bezeichnen, sieht Fries allerdings kritisch: “Pseudowissen ist ein Kampfbegriff, der gezielt von gewissen Akteuren eingesetzt wird, um bestimmte Leute auszugrenzen.”
Kritik an Leitwissenschaften
Die grundlegende Kritik Sheldrakes und anderer Theoretiker richte sich vielmehr an die etablierten Wissenschaften. “In den Neurowissenschaften sind beispielsweise versprochene wissenschaftliche Durchbrüche tatsächlich ausgeblieben. Figuren wie Sheldrake nehmen daran Anstoß und plädieren für eine neue Form von Wissenschaft”, erläutert der Doktorand. “Hieran zeigt sich im Zusammenhang unserer Forschungsfragen auch, dass apokalyptische Bewegungen nicht zwangsläufig ein Weltende beschwören, sondern Entwicklungs- und Transformationsprozesse auslösen, die den Untergang eines alten Wissens- und Weltbildes nach sich ziehen. ”
Sandra Erber
Ein gut geschriebener Artikel, der mit dem letzten Text alles super erläutert. Einen Untergang im Sinne von Natur”katastrophen” sind schon dieses Jahr ziemlich bekannt. Zwar bekommen wir hier im Sommer in der alpinen Region nicht all zu viel davon mit, aber im Winter macht es sich bestimmt wieder bemerkbar.