In unserer Kolumne berichtet Anna-Lena Hauch über ein nomadenhaftes Leben zwischen drei Orten, die jeweils unterschiedlicher nicht sein könnten…
Rastlos. So in etwa fühle ich mich an so manchem Morgen, an dem ich aufwache und erst einmal nicht so ganz weiß, wo ich eigentlich bin. Koblenz? Grevenbroich? Berlin-Spandau? Immer unterwegs, mal hier, mal dort, aber nie für längere Zeit an einem Ort. Dazwischen eine Menge Zugfahren. Ich mag das gern; man kann gut arbeiten und trifft manche interessante Person. Neulich war es ein evangelischer Priester, mit dem ich mich zwei Stunden lang über Religion und Moral unterhielt. Langeweile kommt jedenfalls nicht in meinem Leben auf…
Ausgerechnet ein Berliner
In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag.
Dass ich für das Studium nach Koblenz ziehe, war nicht der Plan. Immerhin ist das Leben außerhalb des geborgenen Nests der Eltern mit einem höheren Kostenaufwand verbunden. Und mal ehrlich: Wer schlägt sich schon gerne mit dem BAföG-Amt herum? Aber Kulturwissenschaft sollte es sein und somit ging es in das von meinem heimatlichen Kaff Grevenbroich zweieinhalb Stunden entfernte Koblenz, um genau zu sein nach Rübenach. Irgendwas in mir wollte die gewohnte Ländlichkeit wohl doch nicht so schnell aufgeben. Ab und zu fuhr ich zu meiner Familie oder diese besuchte mich für ein Wochenende an der Mosel. Dass ich dann aber wenige Wochen später an der Uni-Bushaltestelle einen Menschen kennenlernen würde, der zugleich alles verkomplizieren und um ein Vielfaches verbessern würde, hätte ich nicht vermutet. Aber er kam in mein Leben und die Berliner Arroganz trug nicht gerade dazu bei, dass er Koblenz lieben lernte – im Gegenteil. “In Berlin ist alles besser”, sagt der Berliner. Der Koblenzer mag das Großstadtgetümmel nicht. Und ich? Tja, ich weiß es nicht. Zwei Jahre später lebt er wieder dort und ich immer noch nirgendwo richtig. Grevenbroich ist sicherlich der Ort, an dem meine Wurzeln sind. Trotzdem könnte ich dort nicht mehr leben: Um 19 Uhr am Wochenende werden die gefühlt 15 Eisdielen dichtgemacht und die Rentner schieben ihre Rollatoren schon gegen Nachmittag zurück in ihre Wohnheime, wo sie dann von Balkonen aus beobachten, wie Frau Schmitz mit Herrn Schmitz über die Hecke diskutiert. Ja, manches Klischee ist zwar pauschalisierend, aber ein Fünkchen Wahrheit steckt doch auch darin.
Letztendlich…
Ich brauche also mehr Anonymität und mehr Action. Koblenz ist diesbezüglich irgendwie weder das Eine noch das Andere. Eine Verbindung zu dieser Stadt habe ich mittlerweile trotzdem: Mitbewohner werden zu einer zweiten Familie, Kommilitonen zu engen Freunden und der Campus zum Ort des Geschehens. Demnächst steht meine Bachelorarbeit an und danach werde ich Koblenz wahrscheinlich verlassen. Dann wartet auf mich die Millionenstadt Berlin – eine komplett andere Welt, wo Natur schon ist, wenn fünf Bäume auf der Verkehrsinsel einer vierspurigen Straße wachsen und wo man ungeduldig wird, wenn man statt fünf ganze zehn Minuten auf die U-Bahn warten muss. Eine Welt, die dauerhaft hektisch und stressig ist, obwohl es gar keinen Grund dazu gibt. Im Sommer sind die Straßen ein stinkender, voller und lauter Sumpf aus Verkehr und Menschenmassen. Es kann mühsam sein, seine Tage dort zu verbringen, aber ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, denn ich liebe diese Stadt. Berlin hat Charakter und wir verstehen uns immer besser. Und es lohnt sich: Für ihn, für mich, für uns. Denn es wird keine Abschiede mehr geben. Wer weiß, vielleicht mache ich ja in ein, zwei Jahren mal ein Wochenende Urlaub an der Mosel, am liebsten natürlich zur Federweißer-Saison. Und mein Zuhause? Ganz kitschig gesagt ist es am Ende dort, wo meine Menschen und Erinnerungen sind.