Im Studium denkt man vor allem an Vorlesungen, Prüfungsstress und Uni-Partys. Familienplanung steht für die meisten Studierenden nicht auf dem Plan. Svenja Winzer und ihr Freund sind während des Studiums Eltern geworden und haben diese Entscheidung nie bereut.
Im Audimax herrscht geschäftiges Treiben. Studierende strömen in den Saal und sichern sich die besten Plätze, während der Dozent sich mit seinen Unterlagen auf dem Podium einrichtet. Mittendrin sitzt eine junge Frau, die während der Vorlesung immer wieder ihren prüfenden Blick in den Kinderwagen neben sich wandern lässt, während sie den Ausführungen des Professors folgt. Die junge Frau ist Svenja Winzer, Studentin der Biologie und Germanistik auf Grundschullehramt und Mutter des einjährigen Till. Die 26-Jährige wusste schon immer, dass Kinder in ihrem Leben eine Rolle spielen sollten. Mit ihrem Partner zog sie vor vier Jahren für das Studium nach Koblenz, Winzers Freund Johannes Thielen studiert Mathe und Informatik auf Gymnasiallehramt. Ihre Entscheidung, in dieser Zeit Eltern zu werden, war wohlüberlegt: „Mein Freund und ich haben im Vorfeld lange darüber gesprochen, was es für uns bedeuten würde, ein Kind zu bekommen. Auch mit unserem Umfeld haben wir darüber geredet und uns von anderen beraten lassen.“
Es kommt immer anders, als man denkt
Als die Entscheidung gefallen war, ging es ganz schnell. Winzer lacht: „Wir dachten, wir hätten etwas mehr Zeit, bis ich schwanger werde.“ Während der Schwangerschaft besuchte Winzer weiterhin Veranstaltungen und arbeitete nebenbei als Kassiererin. „Das konnte ich natürlich nur, weil meine Schwangerschaft problemlos verlief. Das ist nicht selbstverständlich.“ Als Till 2017 auf die Welt kam, wurde dem jungen Elternpaar klar, dass sich das Leben mit einem Kind nicht lückenlos planen lässt. Seit Tills Geburt folgen Mahlzeiten einem festen Zeitplan und takten den Alltag des jungen Paares. “Wenn der Hunger sich meldet, nimmt selbst das diplomatischste Kind keine Rücksicht auf anderweitige Termine. Unser Sohn nimmt die Flasche nicht, sodass ich lange gestillt habe und dadurch zeitlich stärker gebunden war, als ursprünglich gedacht.“ Vor allem der Schlafrhythmus geriet durch ihren Sohn gründlich durcheinander. Die schlaflosen Nächte sieht man Winzer nicht an. „Mit der Zeit gewöhnt sich der Körper daran”, erklärt die junge Mutter.
Zusammen mit der Unterstützung von Freunden und Kommilitonen meisterte das Paar bisher alle Hürden. Ihre Stundenpläne stimmten sie aufeinander ab und ihr Sohn wurde zum Gasthörer an der Universität. „Wir haben ein ruhiges Kind. Ich habe ihn oft in Veranstaltungen mitgenommen und er hat die ganze Zeit in seinem Kinderwagen geschlafen“, erinnert sich Winzer an die ersten Studienmonate mit Baby. Dennoch ist ihr die Rücksichtnahme auf Dozenten und andere Studierende wichtig: „Einmal hat Till während einer Vorlesung Schluckauf bekommen. Das fanden alle lustig, aber aufpassen konnte niemand mehr. Wenn so etwas vorkommt, gehe ich lieber vor die Tür, um meine Kommilitonen nicht abzulenken.“
Eine Lektion in Gelassenheit
Trotz dieser Veränderungen sei ihr Leben nicht vollkommen auf den Kopf gestellt worden. Ihre Einstellung zum Leben hat sich aber schon geändert: „Ich lasse mich nicht mehr durch alles Mögliche unter Druck setzen. Es gibt Dinge im Leben, die wichtig sind und Dinge, die nicht wichtig sind. Seit ich Mutter bin, kann ich diese Unterscheidung leichter treffen. Wenn mein Sohn stehen bleibt, um sich Vögel anzusehen, bleibe ich auch stehen und sehe mir Vögel an. Das ist wichtiger, als irgendein Termin.“ Winzer ist gelassener geworden und bereit, die Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen. Trotz dieser Gelassenheit ist die junge Mutter eine echte Powerfrau. Neben Studium und Erziehung engagiert sich Winzer im AStA und ist dort für das Referat Soziales zuständig. Davor war sie Präsidentin des Studierendenparlaments. Seit einigen Monaten unterstützt sie als studentische Hilfskraft das Projekt MoSAiK der Universität Koblenz-Landau. Jenseits des Campus leitet Winzer eine Pfadfindergruppe. Ihr Sohn ist mit dabei und schläft neben seiner Mutter im Zelt.
„Jetzt ist die Zeit, in der ich mein Kind aufwachsen sehen kann“
Für Winzer war es der richtige Weg, mit 25 Jahren Mutter zu werden: „Ich finde es schön, eine junge Mutter zu sein. Das war auch ein Grund, warum ich mich entschieden habe, noch während meines Studiums ein Kind zu bekommen. So viel Zeit, wie ich jetzt für meinen Sohn habe, könnte ich im Berufsleben nicht aufbringen.” Am Campus reagieren die meisten sehr positiv. Einige kritische Stimmen gibt es auch, doch die sind eher selten: „Die meisten sind sehr interessiert daran, zu erfahren, wie sich Studium und Kind unter einen Hut bringen lassen. Wenn ich über meine Erfahrungen spreche, sind die Leute manchmal überrascht, wie gut diese Bereiche miteinander harmonieren können.“
Erleichtert wird das Studium mit Kind durch ein gutes Hilfsnetzwerk. Neben Angeboten des Studierendenwerks und dem Frauenbüro der Universität nahm Winzer während ihrer Schwangerschaft die Sozialberatung des AStA in Anspruch. Die Tipps, die sie dort erhielt, halfen ihr bei Fragen zur finanziellen Unterstützung und weiteren Beratungsangeboten.
Bald wird Till die Kindertagesstätte Bullerbü der Universität Koblenz-Landau besuchen. Hier werden Kinder ganztägig auf dem Campus betreut, während sich die Eltern auf ihr Studium konzentrieren können. „Die Kindertagesstätte der Universität wurde mir von einer Bekannten empfohlen, die bereits einige Kitas ausprobiert hatte und mit dieser sehr zufrieden ist“, verrät Winzer. Unterstützung bekommt das junge Paar aus seinem Umfeld, aber die größte Stütze sind sie sich gegenseitig: „Wenn mein Freund nicht so mitziehen würde, wäre alles sehr viel schwieriger. Er unterstützt mich in allen Lebenslagen.“ Anderen, die darüber nachdenken, ein Kind zu bekommen, rät sie: „Man sollte nicht mit zu gefestigten Vorstellungen an die Sache herangehen. Jede Schwangerschaft ist anders, jedes Kind ist anders und jede Mutter ist anders. Man kann sich verschiedene Pläne bereitlegen, aber man sollte nicht darauf pochen, dass diese Pläne funktionieren.“
Natalie Henzgen