Eigentlich steht Prof. Dr. Andreas Ackermann lieber hinter der Kamera, denn der Filmfan setzt in seiner Forschung auf Kameraaufnahmen und konserviert Erlebnisse in Dokumentarfilmen. Der Leiter der Ethnologie am Campus Koblenz war Ackermann dieses Jahr Veranstalter des Göttingen International Ethnographic Filmfestival (GIEFF) in Koblenz. Das Uniblog-Team hat ihn ausnahmsweise mal selbst vor die Linse geholt.
Die Serie: Sie prägen unsere Erinnerungen an das Studium, inspirieren uns für das Berufsleben und sorgen für so manche Anekdote unter Studierenden: unsere Profs. Im Uniblog stellen sich die Professoren der Universität Koblenz-Landau den Fragen der Campus-Reporter, geben Einblick in ihren Forschungs- und Lehralltag und verraten, wie sie selbst als Student waren.
Der Professorenberuf ist mit einigen Klischees behaftet: Lange über Büchern brüten, Zerstreutheit, Einsiedlertum, chaotische Tafelbilder… Trifft davon etwas auf Sie zu?
Natürlich gehört das Brüten über Büchern zu meinem Beruf, Lesen und Nachdenken sind schließlich wesentlicher Bestandteil unserer Tätigkeit. Ich finde jedoch nicht, dass wir Wissenschaftler ‚Einsiedler‘ sind. Gerade in der Ethnologie besteht die Forschungstätigkeit ja in der ‚Teilnehmenden Beobachtung‘. Ohne den engen Kontakt zu und die enge Zusammenarbeit mit Menschen funktioniert das gar nicht.
Wie waren Sie als Student?
Ich war einfach daran interessiert, wie die Welt funktioniert. Deshalb habe ich mir mit der Ethnologie, der Volkskunde und der Kunstgeschichte Studienfächer gesucht, die dieses Interesse gestillt haben. Ich wollte lernen und mich ausprobieren – und das möchte ich eigentlich auch heute noch.
Was meinen Sie: Hat sich das heutige Studentenleben im Vergleich zu Ihrer Studienzeit verändert?
Ja natürlich, es hat sich total verändert. Ich habe beispielsweise länger studiert und hatte insgesamt mehr Zeit. Das Studium war mehr eine Phase des Ausprobierens und die Frage der späteren Berufswahl stand nicht so drängend im Vordergrund. Derzeit nehme ich es so wahr, dass der Druck deutlich größer ist. Das Studium wird heutzutage viel mehr als Vorbereitung auf den späteren Beruf gesehen, quasi als Ausbildung und ist insgesamt schulischer geworden. Andererseits war das Hierarchiegefälle früher größer und die Hemmschwelle, Dozenten einfach anzusprechen, wesentlich höher. Trotzdem war es entspannter, weil der Druck einfach geringer war. Ein Kolloquium wurde dann schon mal im Café oder beim Professor zuhause abgehalten. Gerade durch die Magisterarbeit – was ja der erste Abschluss war – konnten intensive Verbindungen entstehen. Für mich selbst ist es auch ein Anspruch, dass ich das selbst so weiterführe und versuche, den Kontakt mit den Studierenden zu pflegen.
Wann haben Sie gemerkt, dass der Weg in die Wissenschaften das Richtige für Sie ist? Gab es Alternativen zur Professorenlaufbahn für Sie?
Gemerkt habe ich das schon während des Studiums. Dieses selbstbestimmte, interessengeleitete Arbeiten hat mich fasziniert. Auch das Unterrichten hat mich gereizt. Letztlich habe ich darauf gesetzt, dass das funktioniert, eine ernsthafte Alternative habe ich daher nie gesucht. Man muss für diese Laufbahn Durchhaltevermögen mitbringen und am Ende vielleicht auch ein wenig Glück haben.
Was begeistert Sie an Ihrem Fachgebiet?
Die Vielfalt der Forschungsthemen sowie der persönlichen Erfahrungen. Es ist immer spannend, alternative Lebensentwürfe zu entdecken. Kein Ethnologe geht hinaus in die Welt, um es so zu haben, wie es zuhause ist. Auf der anderen Seite ist es schön zu merken, dass es auch Gemeinsamkeiten gibt. Trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe ist es möglich, sich zu verständigen und so etwas wie ein gemeinsames Menschsein in den unterschiedlichsten Kulturen zu erfahren.
Was gefällt Ihnen an der Arbeit an der Universität?
Ich kann überwiegend selbstbestimmt arbeiten und meine Interessen zu meinen Arbeitsfeldern machen. Meine Leidenschaft für Film kann ich ebenfalls einbringen, denn Filme eigenen sich sehr gut, um die Erfahrung fremder Lebenswelten zu vermitteln. Hinzu kommt der Kontakt mit den Studierenden, denen ich gerne mein Wissen weitergebe, von denen ich aber auch neues lernen kann. Letztlich arbeitet man hier auch nie allein, sondern immer mit Kollegen aus den unterschiedlichsten Feldern zusammen. Sei es nun Medienwissenschaft, Germanistik oder Geschichte –da wird das eigene disziplinäre Selbstverständnis immer wieder in Frage gestellt, herausgefordert und erweitert.
Welches Buch (oder Paper) liegt gerade ganz oben auf Ihrem Schreibtisch?
„The Documentary Film Reader – History, Theory, Criticism“ herausgegeben von Jonathan Kahana. Das Buch passt genau in mein Interessengebiet und ich möchte selbst gerne auf dem neuesten Stand bleiben. Es ist sehr wichtig, selbst immer weiter zu lernen und im Blick zu behalten, was in einer internationalen Perspektive für wichtig befunden wird.
Gab es ein Ereignis oder eine Person, das/die Ihren akademischen Werdegang geprägt hat?
Professor Klaus Müller, mein wichtigster Lehrer an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, hat nicht nur mein Verständnis von Ethnologie geprägt, sondern ist auch ein akademisches, pädagogisches und menschliches Vorbild. Insofern begreife ich mich als sein Schüler und freue mich, dass wir heute noch Kontakt haben.
Welche Dinge mögen sie fernab des wissenschaftlichen Alltags? Was unternehmen Sie als Ausgleich zur Denkarbeit an der Uni?
Natürlich schaue ich so viele Filme wie möglich – und zwar sowohl Dokumentar- als auch Spielfilme der unterschiedlichsten Genres, lese gerne Romane – gerade den Anton Reiser von Karl Philipp Moritz – und liebe Musik, je nach Stimmung Klassik, Jazz oder Weltmusik. Als Ausgleich zur Schreibtischarbeit schätze ich das Draußen sein, vor allem mit Pferd.
Interview: Felix Bartsch
Prof. Dr. Ackermann hat Historische Ethnologie, Kulturanthropologie / Europäische Ethnologie und Kunstgeschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt studiert. 1995 promovierte er an der Universität Bielefeld über Multikulturalismus in Singapur und Frankfurt am Main. Seit 2007 ist er Professor an der Universität Koblenz-Landau und leitet das Seminar Ethnologie am Institut für Kulturwissenschaft.
Lieber Herr Bartsch,
im ersten Abschnitt habe ich einen kleinen Lapsus entdeckt. Sie schreiben dort: “Der Leiter der Ethnologie am Campus Koblenz war Ackermann dieses Jahr Veranstalter des Göttingen International Ethnographic Filmfestival (GIEFF) in Koblenz.” Das ‘Der’ müsste durch ein ‘Als’ ersetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
A.T.
Lieber Herr Tibo,
Sie sind ein aufmerksamer Leser, danke für den Hinweis!
Herzliche Grüße,
Ihre Uniblog-Redaktion