Aus dem Labor

Ressource Wasser: Ein flüssiger Konfliktherd

Julia Renner beschäftigt sich in ihrer Promotion mit der Wasserknappheit an Gewässern in Uganda und Kenia. Foto: Philipp Sittinger

Julia Renner beschäftigt sich in ihrer Promotion mit der Wasserknappheit an Gewässern in Uganda und Kenia. Foto: Philipp Sittinger

Julia Renner forscht im Rahmen ihrer Promotionsarbeit zur Wasserknappheit an Gewässern in Uganda und Kenia. In ihrem Fokus stehen Auseinandersetzungen, die noch nicht in Form von bewaffnetem Konflikt eskaliert sind.

Sie schreiben über Ressourcenkonflikte. Wie kamen Sie auf dieses Thema?

Freien Zugang zu Wasser zu haben, ist für uns alltäglich. Es gibt aber Gebiete auf der Welt, in denen das nicht so ist. In Ostafrika zum Beispiel ist die Ressource Wasser knapp. Alles was knapp ist, ist begehrt und damit ein potenzieller Konfliktherd. Meinen Master habe ich in Friedens- und der Konfliktforschung gemacht und mich dabei mit dem Ölkonflikt im Südchinesischen Meer auseinandergesetzt. Als ich für meine Promotion Literatur recherchierte, stieß ich auf den Themenkomplex Wasser. Ich fand es spannend, mich mit Konflikten auseinanderzusetzen, die noch nicht in Gewalttätigkeiten umgeschlagen sind, wie eben in den ostafrikanischen Gesellschaften. Um zu forschen und abzuschätzen, auf welche Resonanz mein Vorhaben stößt, besuchte ich für meine Doktorarbeit Uganda und Kenia.

Welche Erfahrungen haben Sie vor Ort gemacht?

Die Serie

Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen. Alle Artikel aus dieser Serie

Mir ist aufgefallen, dass Kenia und Uganda sehr unterschiedliche Länder sind. Ich kam in Kenia an und mir sah sofort, wie international die Stadt aufgestellt ist. Dadurch, dass viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Nairobi ihre Geschäftsräume haben, sind die Viertel sehr durchmischt. Die Menschen waren überall sehr hilfsbereit und offen. Ich habe mich an die Empfehlungen des Auswärtigen Amts gehalten, daher fühlte ich mich im allgemeinem sehr sicher. In Kenia ist die Armut auf dem Land viel höher als in der Stadt. Viele Ortschaften sind nicht an die Infrastruktur für die Wasserversorgung angeschlossen. Ein Ort ist mir besonders aufgefallen, da er keine Wasserleitungen hatte, obwohl er direkt an einem See lag. Trotz dieser widrigen Umstände, waren die Menschen auch dort sehr aufgeschlossen. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch in Uganda gemacht. Ein großer Unterschied besteht darin, dass Uganda bei weitem nicht so touristisch erschlossen ist wie Kenia. Auch internationale Organisationen sind eher in Kenia als in Uganda angesiedelt. Die Infrastruktur in Uganda ist ebenso desolat wie die Perspektiven für Jugendliche: Uganda hat eine Jugendarbeitslosigkeit von 60 Prozent. Als ich dort ankam, brachen leider gerade Proteste gegen die Regierung aus, das hat meinen Bewegungsradius eingeschränkt.

Wie genau kann man sich den Konflikt um Wasser vorstellen?

Der Konflikt um Wasser herrscht nicht zwischen dem Staat und der Bevölkerung. Das hat sich auch bei den Gesprächen, die ich über Kontaktmänner geführt habe, herausgestellt. Es gibt verschiedene Bevölkerungsgruppen an einem See, die sich entweder kulturell oder durch ihre Wassernutzung unterscheiden. In meinen Gesprächen wurde klar, dass es an Gewässern ebenfalls zu Wasserknappheit kommen kann. Die Konflikte treten vor allem zwischen Farmern, Fischern und den nomadisch lebenden Pastoralisten auf. Auch die direkt vor Ort lebende Bevölkerung ist indirekt in die Streitigkeiten involviert. Die Hauptursache dieser Konflikte ist der mangelnde Zugang zu Wasser. Dann entstehen Streitigkeiten über die Nutzung der frei zugänglichen Stellen, an denen das Wasser entnommen wird. Bei meinem nächsten längeren Forschungsaufenthalt werde ich versuchen, bei den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu leben. Ich möchte dadurch erfahren, wieso diese Konflikte ausbrechen. Mich interessieren vor allem die verschiedenen Lebensentwürfe.

Was fasziniert Sie an diesem Thema im Gegensatz zu den klassischen Themen der Konfliktforschung?

Mich faszinieren die Konflikte, die noch nicht ausgebrochen sind. Oft erfahren wir von ihnen in der Presse erst dann, wenn sie gewalttätig werden. Wenn die erste Kugel abgefeuert wurde, kommen auch die humanitären Mechanismen in Gang. Mir wäre es wichtig aufzuzeigen, wie sich Konflikte entwickeln, um anders eingreifen zu können. Präventiv an einer Konfliktvermeidung zu arbeiten, bevor es die ersten Toten zu beklagen gibt.  Es ist wichtig zu schauen, welche Interessen die Akteure vertreten. Spannend ist die Ressource, die ich untersuche. Wasser begegnet uns jeden Tag und wir können uns ohne Wasser kein Leben vorstellen. Die mediale Rezeption von Wasserknappheit ist jedoch gering. Ich möchte einen Anstoß liefern, mehr auf solche elementaren Konfliktursachen zu schauen. Es kommt an wasserreichen Gebieten zu einer Wasserverknappung, das ist paradox. Wir reden erst dann über dieses Thema, wenn es zu langen Dürreperioden kommt. Mich interessieren die lokalen Akteure und weniger der Staat, so wie das in der klassischen Konfliktforschung der Fall ist.

Was sollte diese Arbeit bei Menschen anregen?

Ich würde mir mehr Aufmerksamkeit für das Thema wünschen. Wir bekommen von den Anfängen solcher Konflikte nie etwas mit, obwohl wir da schon eingreifen könnten. Es sollten zudem andere Wege der Hilfe gegangen werden. Die vor Ort lebenden Bevölkerungsgruppen müssten mehr angesprochen und eingebunden werden. Im Gegensatz zu den Städten wirken diese Landstriche regelrecht verlassen. Die Regierungen ignorieren sie häufig, da sie wenig zur Wirtschaftsleistung beitragen können. Oft wird Land, dass direkt an Seen anliegt, vom Staat an große Firmen verkauft. Das sorgt gerade an Gewässern für eine künstliche Verknappung der Zugänge. Dadurch wird das Klima für Konflikte naturgemäß rauer. Bei vielen fehlt das Wissen, wie mit Wasser umgegangen werden kann. Bei einigen Bauern ist die Ernte eingegangen, weil diese dachten, je mehr Wasser sie auf das Feld geben, desto schneller wachsen die Feldfrüchte.

Sollten Organisationen und Institutionen Ihrer Meinung nach umdenken?

Ja, den Menschen vor Ort sollte anders geholfen werden. Vielen Menschen fehlt der Zugang zu Bildung. Viele wissen nicht, was nachhaltige Landwirtschaft ist. Es sollten Trainee-Programme angeboten werden, die den Leuten helfen, nachhaltig Landwirtschaft betreiben zu können.
Ich möchte ein Modell entwickeln, dass aufzeigt, wie es zu solchen Konflikten kommt. Dazu gehört auch, für NGOs eine Handreichung zu entwickeln, wie mit solchen Konflikten umgegangen werden kann. Viele Gewässer vor Ort sind stark verschmutzt. Dreckiges Wasser macht die Felder unbrauchbar und es kommt zu Krankheiten. Vor Ort existiert keine Abfallwirtschaft, es muss ein Umdenken stattfinden. Dazu brauchen die Menschen vor Ort vor allem eins: Aufklärung.

Sind diese Entwicklungen auch eine Folge der momentanen Dürreperiode in Mitteleuropa?

Wir haben hier in Mitteleuropa eine andere Infrastruktur. Wir sind aufgeklärter im Umgang mit Wasser und haben eine nachhaltig aufgestellte Landwirtschaft. Ich denke, es wird kurzfristig zu keinen Engpässen in der Wasserversorgung kommen. Mittel- bis langfristig werden wir in Folge des Klimawandels jedoch damit konfrontiert werden. Das würde zur Folge haben, dass die Gesellschaften in Mitteleuropa ihren Wasserkonsum überdenken müssten oder ihn effizienter gestalten.

Was würden Sie vorschlagen, um auf dieses Konfliktfeld aufmerksam zu machen?

Es muss mehr darüber gesprochen werden. Unigruppen könnten sich zum Beispiel mit Studierenden in Kenia und Uganda vernetzen, die direkt von diesen Problemen betroffen sind. Je mehr Aufmerksamkeit dieses Thema in der Gesellschaft bekommt, desto interessanter wird es für NGOs, sich damit auseinanderzusetzen.

Interview: Bastian Stock