Jessica Lynn Turner leitet eine Gesangs-AG an einer Grundschule. Für diesen Job braucht sie viel Durchsetzungsvermögen, denn Kinder wollen am Nachmittag lieber spielen als lernen. Dafür ist die Freude umso größer, wenn die singenden Nachwuchstalente Fortschritte machen.
Wer sind Sie?
Mein Name ist Jessica Lynn Turner. Ich bin 30 Jahre alt und lebe mit meinem Lebensgefährten und unserer Patchwork-Familie im 30 Kilometer entfernten Böhl-Iggelheim. Nach einer Ausbildung und langjähriger Berufserfahrung habe ich mich zu einem Lehramtsstudium entschieden und studiere Germanistik und Ethik im zweiten Semester.
Die Serie
Das WG-Zimmer, das eigene Auto, der Kinobesuch mit Freunden: Das alles will bezahlt werden. Viele Studierende verdienen sich neben der Unterstützung der Eltern und Bafög etwas dazu oder finanzieren ihr Studium komplett selbst. Uniblog stellt in einer Serie Studierende und ihre Nebenjobs vor. Von alltäglich bis kurios ist fast alles dabei. Bisher erschienene Artikel finden sie hier.
Was für einen Nebenjob machen Sie?
Unter anderem leite ich einmal wöchentlich eine zweistündige Arbeitsgemeinschaft an der ortsansässigen Grundschule. Die AG nennt sich ”The Voice Kids”. Hierbei betreue ich, je nachdem, welche alternativen AGs an dem Tag stattfinden, fünf bis 25 Schüler der zweiten bis vierten Klasse.
Was sind Ihre Aufgaben?
Ich versuche, den Kindern verschiedene Atem- und Gesangstechniken zu zeigen. Dies beinhaltet das Einsingen, das sich nicht allzu großer Beliebtheit erfreut, wie auch das Performen eines ausgewählten Songs. Mein erstes Projekt war der Titelsong aus dem Disneyfilm Vaiana. Da dieser sehr gut ankam, proben wir jetzt ein ganzes Disney-Projekt mit zwölf verschiedenen Disneyliedern bis zum Ende des Schuljahres. Ich möchte den Kindern Selbstbewusstsein geben und die Angst nehmen, vor Publikum zu singen und auf der Bühne zu stehen. Manche von ihnen sind schon ziemlich weit, das sind die geborenen Performer.
Was bereitet Ihnen am meisten Freude bei dieser Arbeit?
Ich liebe es, zu sehen, wenn bereits Kinder im Grundschulalter Musik fühlen und sich ihr völlig hingeben. Natürlich ist das nicht bei jedem so. Manche sind leidenschaftlicher, andere eben nicht. Aber es ist doch deutlich, dass Musik den Kids etwas gibt, dass sie loslassen können und in eine andere Welt eintauchen. Wenn ich dann noch Fortschritte im Gesang höre, hohe Töne plötzlich gesungen werden, die vorher unerreichbar schienen, bin ich stolz und die Kinder glücklich.
Wie kamen Sie an Ihren Nebenjob?
Da ich selbst seit Jahren in Bands, in Laienmusicalgruppen und auch solo singe, bin ich sehr gut mit dem ortsansässigen Musikschulinhaber befreundet. Dieser leitet die Gitarren-AG an der Grundschule. Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Gesangs-AG zu leiten, da an der Schule dringender Bedarf war. Er stellte den Kontakt her.
Was verdienen Sie bei diesem Nebenjob?
Ich bin freiberuflich dort eingestellt und verdiene 15 Euro pro Stunde. Bei zwei Stunden in der Woche komme ich auf 120 Euro im Monat. Wenn ich bedenke, was es mich an Vorbereitung, sowohl zeitlich, als auch finanziell kostet, Papierkosten für Liedtexte, Lieder kaufen, CDs brennen, ist es überhaupt nicht rentabel, aber es macht riesigen Spaß und die Kleinen sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Kann man diesen Job weiterempfehlen? Braucht man bestimmte Voraussetzungen dafür?
Ja und Nein. Wer den Job nur wegen des Geldes macht, für den ist das nichts. Man sollte Spaß an der Sache haben und es als Übung für den späteren Beruf sehen, wenn man, wie ich, Grundschullehrerin werden will. Zudem findet die AG am Nachmittag zwischen 14 und 16 Uhr statt, und ganz ehrlich: Da können Kinder sehr anstrengend sein. Das Letzte, was sie wollen, ist Lernen, auch wenn es nur Gesangstechniken sind. Man braucht ein starkes Nervenkostüm und Durchsetzungsvermögen, erobert dafür aber viele Herzen und erntet Lächeln. Voraussetzungen braucht man – außer einem sauberen Führungszeugnis – ansonsten keine.
Wie „studienkompatibel“ ist Ihre Arbeit? Bitte vergeben Sie Sterne von 1 bis 5 (5 Sterne = super kompatibel)
Ich vergebe 5 Sterne. Früher habe ich die AG dienstags geleitet, das war mit Beginn meines Studiums nicht mehr möglich. Die Schule hat sich auf mich eingestellt und mir eine Doppelstunde am Mittwoch eingeräumt, anstatt mich zu ersetzen. Außerdem ist es perfekt zur Vorbereitung für ein Lehramtsstudium und wer weiß, vielleicht habe ich schon einmal einen Fuß in der Tür, wenn es an die Stellensuche geht.
Interview: Jan Lücking