Kolumne

Mein Kleiderschrank: Ein tägliches Dilemma

Heute schreibt Campus-Reporterin Hannah Wagner. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporterin Hannah Wagner. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute denkt Hannah Wagner nach über Massenkonsum, Nachhaltigkeit und wie sie sich dank dem Kleiderschrank ihrer Oma den nächsten Shoppingtrip sparen kann.

Jeden Morgen das gleiche Drama: Was um alles in der Welt soll ich heute nur anziehen? Was passt zum Tag, zur Stimmung, zum Wetter, zur Arbeit, zur Mode? Was zeige ich mit meiner Kleiderwahl, was verstecke ich? Welche Schuhe passen, welche Tasche und welche Accessoires? Unzählige Male schon habe ich mich am Morgen an- und wieder umgezogen, abgewägt, im Kleiderschrank gewühlt und doch nicht das Richtige gefunden. Ein tägliches Dilemma: Mein Kleiderschrank platzt aus allen Nähten und trotzdem ist nichts dabei.

40 bis 70 Kleidungsstücke kauft jeder Deutsche im Durchschnitt pro Jahr. Frauen ‘überraschenderweise’ sogar noch mehr, jährlich nämlich etwa die Hälfte ihres Körpergewichts. Da sammelt sich eine ganz schöne Menge im Kleiderschrank an. In letzter Zeit habe ich mich allerdings immer häufiger gefragt, was ich mit all diesen Bergen an Textilien anstellen soll. Vieles habe ich bislang nur ein paar Mal angezogen, anderes wanderte ungetragen in die hinterste Ecke einer Schublade. Wie viele schwimme auch ich regelrecht in Kleidung, die kostengünstig in armen Ländern hergestellt wird, zu katastrophalen Bedingungen für Arbeiter und Umwelt. Bei anderen Produkten sind wir schon wesentlich umsichtiger mit Mutter Erde und ihren Menschen: Idealerweise recyceln wir unseren Müll, kochen Fairtrade-Kaffee, nutzen Jute- statt Plastikbeutel und trinken aus Glasflaschen. Nur beim Kleiderkauf klappt das noch nicht so richtig.

Second Hand aus Omas Kleiderschrank

Um neben Menschen und Umwelt auch meinen studentischen Geldbeutel zu schonen, habe ich vor Kurzem einfach im Kleiderschrank meiner Oma ‘eingekauft’. Danke Hipster-Trend, denn glücklicherweise kann man heute alles tragen und kombinieren: Hoch zugeknöpftes Caprihemd mit neonlila-grüner Joggingjacke aus Omas sportlichen Zeiten, freches bauchfreies 90er-Top mit hochgeschnittener Karottenhose, Filz-Hut von Opa, Fransen-Poncho, übergroßer Pullover mit Lederleggins, Kunstpelzjacke, Samtkleid mit weißen Sneakern, Jeansweste, Hippie-Hose… Ich könnte ewig so weiter machen.

Ein Schmuckstück hat es mir besonders angetan: Eine blaue hochgeschnittene Hose, die meine Oma 1958 bei ihrer Verlobung trug. Kombiniert mit einem weißen T-Shirt von meinem Vater, dem ich die Ärmel abgeschnittenen habe, und einer schwarze Fellimitat-Weste vom Flohmarkt. Fertig ist der recycelte, hippe Oldschool-Look à la Hannah Wagner. Gelöst habe ich die Probleme unserer Welt damit nicht, aber immerhin konnte ich die Massen an neu produzierter Kleidung links liegen lassen. Auch, sich immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass wir eigentlich viel zu viele Kleidungsstücke besitzen und in einem überschwänglichen Luxus leben, ist ein guter Anfang und lässt mich an den modernen Einkaufshäusern vorbeigehen.

Ein Problem bleibt allerdings nach wie vor bestehen und scheint sich fast noch verkompliziert zu haben: Was um alles in der Welt soll ich heute nur anziehen?

1 Kommentare

  1. Arne Schmeiser sagt

    Danke, dass du dieses Thema aufgegriffen hast, Hannah! 🙂
    Second Hand zu leben ist ein guter Ansatz, finde ich. Nicht nur bei Kleidung. Falls ihr das Thema Produktion von Kleidung interessant findet, schaut doch mal bei http://www.saubere-kleidung.de/ vorbei. Beim Neukaufen von Kleidung können Siegel ein wenig helfen, z.B. indem ich von Marken der Fair Wear Foundation (https://www.fairwear.org/brands/) kaufe. Das ein oder andere Label da ist durchaus auch bekannt.

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