Uni-Menschen

Inklusions-Projekt „PROMI“: Promovieren mit Schwerbehinderung

Das PROMI-Projekt ermöglicht es Anke Rosenau, ihre Doktorarbeit am Campus Landau zu schreiben. Foto: Leyerer.

Das PROMI-Projekt ermöglicht es Anke Rosenau, ihre Doktorarbeit am Campus Landau zu schreiben. Foto: Leyerer.

Barrieren abbauen, Inklusion fördern: Anke Rosenau promoviert in Landau im Fachbereich Sonderpädagogik. Sie ist die erste schwerbehinderte Forscherin an der Universität Koblenz-Landau, die durch das Projekt „PROMI – Promotion inklusive“ ihre Doktorarbeit mit Unterstützung von technischen Hilfen und Arbeitsassistenzen schreiben kann.

Anke Rosenau hat trotz einer Körperbehinderung an ihrem Arbeitsplatz alles fest im Griff, denn Drucker, Rechner und Büromaterialien stehen nur eine Armlänge von ihr entfernt. Die Diplom-Pädagogin ist aufgrund einer Meningitis im Säuglingsalter auf Rollstuhl und Gehhilfen angewiesen. Das „PROMI“-Projekt ermöglicht ihr, sich durch eine Promotion an der Universität Koblenz-Landau beruflich weiterzubilden. Dafür zog die gebürtige Ostfriesin, die ihr Studium in Oldenburg absolvierte, in die Pfalz. Rosenau erklärt, warum das Projekt so wichtig ist: „Bei dem Projekt geht es um Inklusion im Arbeitsleben. Menschen mit Behinderung und mit Studienabschluss standen früher nie im Fokus der Aufmerksamkeit.“ Auch für die Universität Koblenz-Landau sei das PROMI-Projekt wichtig, weil man so das Miteinander mit Menschen mit einer Behinderung fördere.

Professor Lindmeier vom Institut für Sonderpädagogik am Campus Landau rief das Projekt „PROMI“ im November 2013 auch an der Universität Koblenz-Landau ins Leben. Zwei weitere Stellen sind vorgesehen und sollen noch in diesem Jahr im Fachbereich Erziehungswissenschaften angesiedelt werden. Seit 2013 wurden jährlich 15 zusätzliche halbe Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter an 14 weiteren Partner-Universitäten des Projekts in ganz Deutschland eingerichtet.

Bessere Arbeitsmarktchancen durch das PROMI-Projekt

Für Rosenau ist die Promotion eine einmalige Chance, in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt attraktiver zu werden. Denn trotz eines abgeschlossenen Studiums sowie vieler Fort- und Weiterbildungen und ehrenamtlicher Tätigkeiten fand sie nach ihrem Studium keine Stelle. „Ich habe immer gehört, dass meine Arbeit toll ist, aber kaum jemand hat mich eingestellt. Weil der Aufwand für den Arbeitgeber so groß ist“, erzählt die angehende Doktorandin. Doch dann bekam sie eine Anfrage von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit, ob sie mit dem PROMI-Projekt in Rheinland-Pfalz promovieren wolle. „Diese Möglichkeit habe ich natürlich genutzt. Außerdem finde ich den Süden sehr schön“, berichtet die junge Forscherin.

Seit einem Jahr arbeitet Rosenau in Teilzeit in Landau. Die Promotionsstellen biete ihr eine reale Chance, die Herausforderung Promotion auch mit Behinderung im Zeitfenster von drei Jahren zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Das sei ein wichtiger Vorteil gegenüber einem Stipendium. In Ihrer Dissertation untersucht sie die Selbst- und Fremdwahrnehmung von „Weltwärts“-Freiwilligen mit Behinderung. Dafür reist Rosenau durch Deutschland und führt narrative Interviews mit den Freiwilligen durch. Ein Herzensthema, denn Rosenau war selbst die erste Person mit einer körperlichen Behinderung, die mit dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst sechs Monate im Ausland verbrachte. In Gambia organisierte sie Workshops für blinde Einheimische zum Thema „Peer Counseling“. „Das ist eine Beratungsmethode, die die Selbsthilfe zum Ziel hat. Ich habe das Seminar auf die Beine gestellt und versucht, den Menschen zu zeigen, dass sie trotz ihrer Behinderung etwas für sich tun können – und gleichzeitig etwas für die Gesellschaft beitragen“, erklärt sie. Der Aufenthalt in einem armen Land sei eine spannende, wertvolle Zeit für Rosenau gewesen.

Barrierefrei zum Arbeitsplatz

Damit Rosenau in ihrem Elektro-Rollstuhl in den dritten Stock des Instituts gelangen kann, wird an der Eingangstür ein Türöffner installiert. Auch die Ausstattung im Büro ist speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten: Durch eine Tastatur mit Schieberegler, eine Sprachsoftware und einen speziellen Schreibtischstuhl kann sie problemlos ihrer Arbeit nachgehen. „Alles ist so eingerichtet, dass ich hier klar komme.“

Doch einige Änderungen stehen noch an. „Bald bekomme ich ein neues niedrigeres Regal, damit ich die Bücher auch vom Rollstuhl aus erreichen kann“, freut sich Rosenau. Ein weiterer Vorteil des Projekts ist, dass die Stelleninhaber nicht in der Lehre arbeiten müssen, da die Forschung im Mittelpunkt steht. Rosenau hat sich jedoch dafür entschieden, auch in der Lehre tätig zu werden. Seit diesem Semester unterrichtet sie in zwei Veranstaltungen, die den Grundlagenbereich der Sonderpädagogik betreffen.

Trotz des barrierefreien Büros stehen der angehenden Doktorandin außerdem Arbeitsassistenten auf Kongressen und Reisen zur Seite. Diese unterstützen sie im täglichen Arbeitsbetrieb mit Kopierarbeiten oder Ausleihen in der Bibliothek. Arbeitsassistentin Julia Karnstedt berichtet: „Die Arbeit mit Frau Rosenau bereichert mich persönlich sehr. Mein Blick auf die Akzeptanz von Behinderung in unserer Gesellschaft wurde geschärft. Mir war zuvor nie bewusst, auf wie viele Hindernisse und Barrieren Menschen mit einer Behinderung im täglichen Leben stoßen und wie viel Geduld ihnen bei den kleinsten Aufgaben abverlangt wird.“

Kooperationspartner des PROMI-Projekts sind der Arbeitgeberservice Schwerbehinderte Akademiker der ZAV der Bundesagentur für Arbeit und das Unternehmensforum. Weitere Informationen gibt es unter promi.uni-koeln.de

von Giovanna Marasco-Albry