In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag.Esther Guretzke über die Selbstverständlichkeit, mit der Eltern häufig betrachtet werden, und über die Erkenntnis, das sie eben nicht nur Eltern, sondern auch Individuen sind.
Meine Eltern waren stets meine Eltern. Lange Zeit dachte ich, dass ihre Lebensaufgabe darin bestünde, mir das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich musste mich um nichts sorgen. Was ich bei meinem Kellnerjob verdiente, diente rein meinem persönlichen Vergnügen. Mein Auto war noch nicht ganz abbezahlt, aber ich hatte mir das Geld von Papi geliehen. Der lieh es mir zinsfrei – ist ja klar.
Alles hat seine Zeit
Wir hatten immer ein gutes Verhältnis, aber irgendwann hatten wir einfach keine Lust mehr aufeinander. Ich kochte anders als meine Mutter und sie beschwerte sich immer häufiger, dass ich nicht mitessen wollte. Und ich wunderte mich, warum sie meine vegetarische Ernährung nicht verstand. Gut, grüne Smoothies sind wirklich nicht jedermanns Sache. Meinem Vater musste ich erklären, dass ich volljährig bin und eben ab und an nach Mitternacht nach Hause komme. Mit verdrehten Augen und einem genervten Stöhnen ging ich, wenn ich dann endlich einmal heimkam, in mein Zimmer. Mein Vater saß noch im Wohnzimmer und hatte auf mich gewartet. Er konnte nicht schlafen, wenn er nicht wusste, das ich daheim war.
Sorgentelefon Mutti
Das alles änderte sich. Seit ich in Koblenz studiere, wohne ich in meiner eigenen kleinen Wohnung und meine Eltern wissen nicht, wann ich mit wem aus dem Haus gehe. Das ist auch gut so. Wenn ich ihnen doch manchmal erzähle, was ich so unternehme, dann halten sie mich für naiv und leichtsinnig. Vielleicht bin ich das auch manchmal, doch zum Glück nehmen sie es mittlerweile lockerer. Und noch etwas hat sich geändert: Wenn ich Sorgen oder Probleme habe, rufe ich zuerst meine Mutter an. Sie steht mir immer mit Rat und Tat zur Seite. Als Teenager wusste ich das nicht zu würdigen. Jetzt schätze ich es sehr. Meine Eltern, so habe ich gelernt, sind nicht nur Eltern. Sie sind auch Mann und Frau und Ehepartner und Tochter und Sohn. In all meinen Ansprüchen an mein eigenes Leben ist das untergegangen.
Neue Erkenntnisse und alte Weisheiten
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass meine Mutter nur grüne und mein Vater nur schwarze Oliven mag. Oder dass mein Vater manchmal müde von der Arbeit kommt und meine Oma meiner Mutter manchmal gehörig auf die Nerven gehen kann. Meine Oma wohnt bei meinen Eltern und sie führen, trotz des Alters, eine ganz normale Mutter-Tochter-Beziehung mit Ecken und Kanten. Denn die Beziehungen zwischen Müttern und ihren Töchtern sind meist komplex. Wir lieben unsere Mütter und gleichzeitig können sie uns mit ihren gut gemeinten Tipps auf die Palme bringen. Aber wenn wir älter sind und selber Kinder haben, werden wir es verstehen. Wie ich meine Eltern mittlerweile kenne, werden sie wohl auch in diesem Punkt Recht haben.
Meine Eltern haben viel für mich getan und ich finde, man sollte ihnen auch einmal sagen, dass sie ihren Job ganz gut gemacht haben. Wenn wir Kinder es ihnen nicht sagen, woher sollen sie es wissen? Was ich sie bis jetzt an Geld und Nerven gekostet habe, dass kann ich meinen Eltern unmöglich zurückzahlen. Zumindest nicht mit Barem, dafür aber mit Liebe, Zeit und Suppe.