Kolumne

Die verzweifelte Suche nach Entspannung

Heute schreibt Campus-Reporter René Lang. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporter René Lang. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute berichtet René Lang von persönlichen Grenzerfahrungen in der öffentlichen Sauna.

Ich würde mich selbst nicht als introvertierten Menschen einschätzen. Mich mit anderen Leuten zu unterhalten, mit ihnen zu lachen und zu diskutieren, fällt mir eigentlich nicht schwer. Ebenso wenig würde ich mich als sozial isoliert beschreiben. Ich beteilige mich am gesellschaftlichen Leben, so wie jeder andere auch. Ich gehe ohne Zögern ins Restaurant, ins Kino, auf Konzerte und vieles mehr. Dennoch gibt es diese eine Situation, die mich stets aufs Neue herausfordert: Der Besuch öffentlicher Saunalandschaften.

Entspannung ist schwierig

Wenn ich mich in meinem Freundeskreis umhöre, habe ich das Gefühl, als würde es ausschließlich mir so ergehen. Keiner gibt zu, einen Besuch in der Sauna als unangenehm zu empfinden, weil man sich in seinem “Adamskostüm” präsentiert. Die anderen Leute interessieren einen ja sowieso nicht. Für mich wird Entspannung an dieser Stelle schwierig. Wer kann mir bitte versichern, dass in der nächsten Sauna nicht jemand sitzt, auf den ich keinesfalls treffen möchte? Beispielsweise die Chefin, der Schwiegervater oder – was mich als Studierenden eher betrifft – ein Hochschuldozent. Was ist die geeignete Reaktion in solchen Fällen? Begrüßen, ignorieren oder sofortiger Rückzug? Und selbst wenn ich mich entschieden habe, bleibt abzuwarten, wie der jeweilige Gegenüber reagiert. Entspannung kann unter diesen Umständen durchaus schwerfallen.

Öffentliches Unterhaltungsprogramm

Es gibt neben den lebhaften Szenarien in meinem Kopf aber noch weitere Aspekte, die meinem Wohlbefinden entgegenstehen. Mir ist bereits mehrfach aufgefallen, dass in öffentlichen Saunen ein seltenes soziales Phänomen auftritt: Das Alter eines Mannes lässt sich anhand der Geräusche, die er von sich gibt, erraten. Ohne Hemmungen werden unter undefinierbarem Stöhnen Schweißperlen mit schwieligen Händen über den gesamten Körper verschmiert. Als wäre Schweiß ein natürliches Haut-Peeling. Nach einem kurzen, aber kräftigen Aufhusten folgt ein sanftes Ahhh, bevor sich die Prozedur wenige Augenblicke später wiederholt. Die Erfahrung zeigt: Je lauter das Spektakel, desto älter der Mann.

Was bleibt, ist der Ruheraum. Ein Oase der Stille und mein persönlicher Rückzugsort. Sicher vor den Blicken anderer Gäste, kann man hier bei einem guten Buch richtig entspannen. Zumindest solange man sich allein im Ruheraum befindet. Denn einige Besucher verwechseln diesen Ort des meditativen Ausgleichs mit regulären Aufenthaltsräumen: So kauen manche Paare lautstark auf mitgebrachten Pausenbroten herum, Omis tratschen über die neuesten Geschichten vom Friseur und ein paar Halbstarke unterhalten sich über ihre letzte Errungenschaft in der Diskothek. Mir bleibt nur ein Augenrollen.

Abschalten und genießen

Zusammenfassend sollte es mir weiterhin schwerfallen, einen Saunabesuch als etwas Entspannendes zu bezeichnen. Wenn ich es jedoch lange genug dort aushalte, kann es zu diesem einen Moment kommen, an dem so viel schiefgelaufen ist, dass mir alles plötzlich völlig egal ist. Habe ich diesen Level absoluter Gleichgültigkeit erreicht, kann ich endlich von Erholung sprechen. Wer ausblenden kann, kann auch entspannen.