Dead or Alive – Wer macht das Rennen? Das war die Preisfrage beim gestrigen Poetry Slam im Landauer Universum Kino. Schauspieler des Herxheimer Chawwerusch Theaters liehen toten Dichtern ihre Stimmen und traten gegen vier Slam-Größen Deutschlands an. Aus jedem Team zog ein Dichter ins Finale ein. Den Sieg holten – wenn auch nur knapp – die lebendigen Poeten.
Landau ist eine Poetry Slam erprobte Stadt und hat schon viele Dichterwettstreite hinter sich. Was als Slam unter Studierenden begann, ist inzwischen zu einer der gefragtesten Veranstaltungen der Stadt avanciert. Auch am gestrigen Abend war das Landauer Universum Kino wieder brechend voll. „Wir machen jedes Mal etwas anderes“, verrät Anja Ohmer, Leiterin des Zentrums für Kultur- und Wissensdialog (ZKW) der Universität, das Erfolgsrezept. Dieses Mal sind es nun “Tote”, deren Texten wieder neues Leben eingehaucht wird – von Schauspielern des Herxheimer Chawwerusch Theaters. Begleitet von tosendem Applaus humpeln ein hagerer Francois Villon, ein rundlicher Kurt Tucholsky, eine adrette Emmy Hennings und ein grimmig dreinblickender Klaus Kinski auf die Bühne.
Es beginnt alles harmlos. Philipp Herold, der für die lebendigen Dichter in den Kampf geht, stimmt eher ruhige Töne an, ebenso Villon, der für die toten Dichter den Auftakt macht. Von den Moderatoren Hanz und dem Poetry Slam-Landesmeister Jonas wurden zuvor im Publikum fünf Juroren gekürt, die für jede Darbietung bis zu zehn Punkte vergeben können. Die ersten beiden Auftritte legen die Messlatte dabei sehr hoch. Die lebendigen Slamer dagegen treten nach den klassischen Regeln an: Jeder Poet hat sieben Minuten Zeit, einen selbstverfassten Text vorzutragen. Requisiten dürfen dabei nicht genutzt werden.
Ganz anders bei den toten Dichtern. Bei diesen herrtscht Narrenfreiheit, was sie auch schonungslos ausnutzen. Kinskis Grummeln im Hintergrund wird beispielsweise von Villon mit einem flapsigen „Kinski, geh wieder sterben“ quittiert. Das Publikum johlt. Außerdem unterstützen sich die Schauspieler gegenseitig bei ihren Auftritten. Tucholsky trägt den Text „Ick gehe mit eener langen Frau“ vor, und wird dabei von Villon mit einer Federboa umgarnt. Emmy Henning flirtet bei ihrem Auftritt schonungslos mit den lebendigen Slamern Philipp Herold und Florian Wintels, während Tucholsky am Klavier sitzt.
Als Florian Wintels die Bühne betritt, ist nach nur einigen Sekunden klar, wer für die lebendigen Slamer in das Finale einziehen wird: Er ist etwas unscheinbar und wirkt ziemlich schüchtern, als er sich an das Mikrofon stellt. Dann aber sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus, dass es dem Publikum schier den Atem verschlägt: Wintels rappt, flucht, reimt, flüstert und schreit. Sein Text heißt „Scheiß drauf“ und handelt davon, dass „alles aus einer anderen Sicht nur halb so scheiße ist“.
Ähnliches bei den toten Dichtern: Stephan Wriecz spielt Auszüge aus Klaus Kinskis „Jesus Christus Erlöser und Fieber“ mit einer Wucht. Im Finale treten Wriecz und Wintels noch einmal gegeneinander an, am Schluss unterliegen die Toten in der Gesamtwertung nur knapp. „Eigentlich rechnen wir nicht mit einem Sieg“, sagte Ben Ben Hergl, Gründungsmitglied des Theaters, im Vorfeld. „Wir wollen Spaß haben und zeigen, dass wir auch ein junges Theater sind und Begeisterung wecken.“ Im Januar wird der Spieß dann umgedreht und die Slam-Poeten sind zu Gast im Herxheimer Chawwerusch Theater.
Sarah Ochs
Veranstalter ist das Zentrum für Kultur- und Wissensdialog (ZKW) der Universität Koblenz-Landau. Slam-Initiatorin und ZKW-Leiterin Dr. Anja Ohmer gilt als Pionierin in der Hochschullandschaft: 2008 integrierte sie bundesweit als erste Hochschuldozentin den Poetry Slam in die universitäre Ausbildung.
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Das Chawwerusch Theater ist ein Theaterkollektiv aus der Südpfalz, gegründet vor knapp 30 Jahren. Das Chawwerusch Theater hat seine Spielstätte in Herxheim. Programm, Tickets und weitere Infos gibt es auf www.chawwerusch.de |