Campus-Reporterin Anna-Lena Hauch resümiert in unserer Kolumne ihre Erfahrungen mit den coronabedingten Kontaktsperren.
#stayhome? Kenn ick
In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag.
Quarantäne, tzz. Ausschlafen, sieben Zwischenmahlzeiten zu mir nehmen, Binge-Watching auf Netflix betreiben und bis 3 Uhr wach bleiben konnte ich auch vorher schon. Während meine Mutter nervös durch die Flure der elterlichen 83 qm-Wohnung spaziert, in der ich mich während der Semesterferien eingenistet habe, stelle ich fest, dass man als Studentin #stayhome schon längst perfektioniert hat. Als die Kontaktsperre endgültig beschlossen war, war für mich jedenfalls klar: Das wird meine Zeit! Keine Termine, keine Erledigungen außerhalb der Wohnung. Nur die vier Wände des eigenen Zimmers, meine Bachelorarbeit, Bewerbungsschreiben und ich. Die halb aufgegessene Tafel Schokolade auf dem Nachttisch lacht, YouTube lacht, ich lache… Energie und Motivation zur Produktivität schwinden dahin mit jedem Tag. Zum Glück weiß ich aus vertraulichen Quellen, dass ich nicht die einzige mit diesem Problem bin. Hauptsache, man befindet sich nicht alleine auf dem sinkenden Schiff. Aktuell befinden sich gefühlt alle darauf.
Die Klopapierpanik
Die Krise ist eine globale, doch nicht jeder ist gleichermaßen von ihr betroffen: Während die Deutschen sich darum sorgen, dass sie den Rekord im “das Badezimmer voll und ganz mit Klopapierrollen füllen” doch nicht erreichen, bangt man in Frankreich angeblich um Wein und Kondome. Ich finde, das sagt doch einiges aus. Da die Klopapierwitze mittlerweile jedoch ziemlich schwach werden, möchte ich zu dem Thema nur noch eins sagen: Gewisse Medien sollten damit aufhören, Bilder von leergehamsterten Regalen auf ihre Titelseiten zu drucken. Offenbar wird verzweifelt versucht, durch Panikmache die Auflage zu erhöhen. Wenn man also wieder einmal erfolglos durch die Supermärkte wandert auf der Suche nach etwas Klopapier, kann man wenigstens die Zeitung mitnehmen, in der die leeren Regale zu sehen sind. Aber Vorsicht: Zeitungspapier gehört nicht in den Abfluss.
Homeoffice und Ungerechtigkeit
Mich nervt, dass es Menschen gibt, die behaupten, in dieser globalen Krise seien wir alle gleich. Ist das so? Bin ich als Studentin, die zu Hause sitzt und schöngeistige Texte verfasst, einer Supermarktmitarbeiterin gleich, die sich täglich dem hohen Risiko der Ansteckung und Beleidigungen wütender Kunden aussetzen muss? Gleichen die, die gerade friedlich mit ihren Familien am Tisch Mensch ärgere Dich nicht spielen, denen, die jetzt in ihrem zu Hause Angst vor Gewalttaten des Partners oder der Eltern haben müssen? Was ist mit Menschen, die schon zuvor kein zu Hause hatten? Menschen, die nun ihre Arbeit verlieren? Die Unterschiede sind nicht nur im eigenen Land festzustellen, wenn man sich nur einmal die grausame Situation der Menschen in Italien ansieht. Ganz zu schweigen von den Ländern des globalen Südens, in denen andere Umstände herrschen, welche die Situation und den Umgang mit dieser Pandemie für die dortigen Menschen sicherlich nicht erleichtern werden. Dort leben Menschen zum Teil dicht an dicht, ohne angemessene Hygieneschutzmaßnahmen für sich und ihre Mitmenschen ergreifen zu können. Auch die gesundheitliche Versorgung, Testungen und andere Ressourcen sind dort nicht ausreichend vorhanden.
Man tut, was man kann…
Vielleicht zeigen die Menschen jetzt ihr wahres Gesicht: purer Egoismus oder altruistisches Handeln, um schwächere Mitmenschen zu schützen. Es ist zweifellos eine Ausnahmesituation, in der wir uns befinden. Bleibt die Frage, was man daraus macht. Denn es gibt nicht nur Negatives in dieser Krise und jeder wird auf seine Weise verstehen, was ich damit meine. Für manche heißt das offenbar, die nächtliche Clubparty einfach in ihre kleine Altbauwohnung verlagern. Schulen schließen, Unternehmen stellen die Produktion ein, Universitäten stellen die Präsenzlehre ein, das öffentliche Leben wird auf ein Minimum des Nötigen reduziert, aber “man wird ja wohl noch leben dürfen”… Trotz solcher Dämlichkeit maximalen Ausmaßes erlebe ich, dass die meisten Menschen sich verantwortungsbewusst an die Vorschriften halten. Einander zu unterstützen, das sollte jetzt unser Alltag sein. Wer für ältere Menschen Einkäufe erledigen, ist eine große Hilfe, doch es hilft auch schon, wenn man einfach zu Hause bleibt. Wer hätte gedacht, dass man mit Binge-Watching auf Netflix die Gesundheit seiner Mitmenschen aufrecht erhalten kann.
Zeit für neue Styles und Routinen
Also liebe Leser: Nutzen Sie die Zeit, um sich lustige Frisuren wachsen zu lassen, fangen Sie an zu sticken oder trinken Sie ein Bier vor dem Badezimmerspiegel. Die Möglichkeiten sind endlos und das Buch, das schon seit Weihnachten auf dem Schreibtisch liegt, könnte jetzt auch endlich mal gelesen werden. Also bleiben Sie zu Hause, wenn Sie können, und falls nicht: Passen Sie auf sich und Ihre Mitmenschen auf und seien Sie solidarisch.
Anna-Lena Hauch