Karriere

Karriereplanung: Immer in Bewegung

Proaktive Karriereplanung heißt, seinen beruflichen Werdegang aktiv zu planen. Foto: Teresa Schardt

Proaktive Karriereplanung heißt, seinen beruflichen Werdegang aktiv zu planen. Foto: Teresa Schardt

Anja Nigl arbeitet als Karriereberaterin im Career Service der Technischen Hochschule in Ingolstadt. Ihre Tätigkeit als selbstständiger Coach führt sie zu Workshops an die Uni Koblenz-Landau. Ihre Themen sind Kompetenzentwicklung und Karriereplanung. Begonnen hat das Interesse daran mit der Diplomarbeit ihres Erststudiums der Betriebswirtschaftslehre. Nun setzt es sich in der Masterarbeit ihres Aufbaustudiums der Erwachsenenbildung fort. Da die 35-Jährige zudem Mutter einer zweijährigen Tochter ist, gehört die praktische Erprobung der proaktiven Lebensgestaltung fest zu ihrem Alltag.

In sämtlichen Karriereratgebern liest man die Formulierung proaktive Karriereplanung. Was ist das eigentlich?

Die Serie

Karriere. Lindsay Henwood/UnsplashDie Arbeitswelt kennenlernen und Perspektiven ausleuchten – wer hier schon im Studium aktiv wird, dem fällt der Berufseinstieg oft leichter. Unsere Serie „Karriere“ informiert zu Möglichkeiten, sich auf den Lebensweg nach der Uni vorzubereiten.

Laut Duden bedeutet proaktiv, dass man durch differenzierte Vorausplanung und zielgerichtetes Handeln die Entwicklung eines Geschehens selbst bestimmen und eine Situation herbeiführen kann. Das klingt natürlich etwas hölzern. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet proaktive Karrieregestaltung aus meiner Sicht, mit eigener Motivation und Initiative seine Karriere in die Hand nehmen, zu planen und zu gestalten. Und zwar vorausschauend und selbstbestimmend. Dazu muss man aber genau wissen, wo man aktuell steht, was man bisher erreicht hat und wohin man in der Karriereentwicklung will, Stichwort Selbstreflexion. Bildlich gesagt: Auf dem Karriereweg ist es wie bei jeder Reise wichtig, dass man den Inhalt seines Koffers kennt, möglicherweise nochmal umpackt oder weiteres Gepäck dazu nimmt, und sich mit seinem Reiseziel vertraut macht. Möglicherweise liegt der Schlüssel auch darin, das Ziel seiner Reise umzuplanen.

Bedeutet proaktive Karrieregestaltung dann, dass ich mich und mein Können permanent infrage stellen muss? Dass ich immer an mir arbeiten muss? Das klingt sehr anstrengend.

Es ist anstrengend, keine Frage. Der bequemere Weg wäre natürlich, sich auf dem Erreichtem auszuruhen und auf den nächsten Karriereschritt zu warten. Ich denke, wenn man den anstrengendsten Teil, den ersten Schritt, gemacht hat und sich seines aktuellen Profils und seiner Ziele bewusst geworden ist, sind die weiteren Schritte eine logische Konsequenz daraus.
Ich behaupte sogar, dass die Tatsache, seine Ziele vor Augen zu haben, sehr motivierend wirkt und sich dadurch automatisch ein proaktives Handeln einstellt, um Ziele zu erreichen. Man sollte das eigene Können auch nicht permanent infrage stellen, sondern sich eher seines Könnens immer wieder bewusst werden. Diese Erkenntnis kann sehr motivierend und positiv wirken. Natürlich gibt es immer die zweite Seite einer Medaille, dass man dabei auch Dinge entdeckt, die nicht optimal sind. Aber wenn man proaktiv handelt, also vorausschauend, dann hat man genug Zeit, um Dinge zu ändern.

Sie beraten seit vielen Jahren Studierende zum Thema Berufseinstieg und Bewerbung. Wie merken Sie in Ihrer Arbeit, dass sich die Anforderungen geändert haben?

Ich spüre bei den Studierenden eine große Unsicherheit und auch Unwissenheit über genau diese Anforderungen. Klare und vorgezeichnete Karrierewege werden immer seltener, dadurch wird natürlich auch die Planung schwieriger. Stellenanzeigen sind oft schwammig formuliert, sodass die Studierenden nicht einschätzen können, welche Anforderungen hinter welchem Berufsbild stehen. Es entstehen ständig neue Berufsfelder und Berufsbezeichnungen, der Arbeitsmarkt verändert sich rasant. Diese Fülle an Informationen zu selektieren und sich zu orientieren, fällt vielen enorm schwer.

Coach Anja Nigl: "Sozialkompetenzen bestimmen den Arbeitsmarkt von Morgen." Foto: Privat

Coach Anja Nigl: “Sozialkompetenzen bestimmen den Arbeitsmarkt von Morgen.” Foto: Privat

Und diese Soft Skills gibt es ja auch noch…

Richtig. Vor allem die persönlichen Anforderungen, also Sozialkompetenzen wie das Verhalten, die Kommunikation, die Fähigkeit zur Selbstvermarktung, werden immer wichtiger. Studierende, die etwa im Vorstellungsgespräch waren oder gerade auch die, die bereits Praxiserfahrung gesammelt haben, bestätigen mir das immer wieder. Das heißt für mich: Speziell in meiner Arbeit konzentriere ich mich mehr auf den Menschen und seinen Reisekoffer, als nur auf das Reiseziel. Wie das Wetter am Reiseziel können sich auch Anforderungen am Arbeitsmarkt schnell ändern, sodass man vorausschauend und doch recht flexibel packen und denken muss.

Welche Eigenschaften sind es denn, die auf dem Arbeitsmarkt von Morgen gefragt sind?

Die Anforderungen ändern sich enorm schnell: Was heute gefordert wird, kann morgen schon überholt sein. Wichtig für den zukünftigen Arbeitsmarkt sind grundsätzlich alle Kompetenzen, die mir dabei helfen, in Situationen handlungsfähig zu bleiben. Meiner Meinung nach sind das vor allem Eigenschaften wie Offenheit, Empathie, Abstraktionsfähigkeit, Überzeugungsfähigkeit, Mut, Neugier, die Bereitschaft zu Lernen und die Begeisterung für das, was ich tue. Die fachliche Grundlage für Soft Skills werden meist im Studium geschaffen und müssen lebenslang aktuell gehalten werden. Aber Kompetenzen lassen sich nicht allein in Lehrveranstaltungen vermitteln. Am besten trainiert man sie in konkreten Problemsituationen und in der sozialen Interaktion, im echten Leben also.

Nun mal ganz praktisch: Wie und wo platziere ich in der Bewerbung und im Bewerbungsverfahren, dass ich mit dem Thema proaktive Karriereplanung auseinandergesetzt habe und ständig an mir arbeite?

Das sieht man am Verlauf des Lebenslaufs und das lässt sich natürlich super im Motivationsschreiben beschreiben. Man benennt sein Karriereziel und seine Motivation, für genau dieses Unternehmen in genau dieser Stelle zu arbeiten. Dann beschreibt man die Erfahrungen und die persönliche Entwicklung, die man bisher gemacht hat, um dieses Ziel zu erreichen. Das begründet sehr gut, warum man für diese Stelle der perfekte Kandidat ist.

Ein Beispiel, bitte.

Angenommen, eine junge Absolventin bewirbt sich in einem großen Beratungsunternehmen als Projektmanagerin. Zunächst würde sie ihre Motivation für die Bewerbung formulieren. Zum Beispiel, weil sie koordinierend und planerisch arbeiten oder in einer Schnittstellenfunktion im Unternehmen die Organisation der wichtigen Prozesse antreiben möchte. Im nächsten Schritt geht es darum, klar zu machen, dass man genau dieses Ziel schon länger gezielt verfolgt und Entwicklungsschritte gemacht hat. Die junge Absolventin hat bereits einen studienbegleitenden Kurs zum Thema Projektmanagement absolviert. Super, das sollte sie unbedingt erwähnen. Wichtig ist, klarzustellen, dass man sich proaktiv für diese Erfahrungen entschieden hat, um das selbst gesetzte Karriereziel zu erreichen.

Aber im Motivationsschreiben sollte ich mich doch besser kurz halten, oder?

Das ist richtig. Ins Detail gehen kann man am besten im Bewerbungsgespräch, da kann man seine Ziele ausführlich darlegen und die Schritte zur Erreichung genauer beschreiben.

Wie beeinflussen Kinder die proaktive Karriereplanung?

Ganz grundlegend. Wenn man ein Kind oder Kinder hat, dann ist man nicht mehr so selbstbestimmt wie früher. Möglicherweise ändern sich nun die Karriereziele, weil man den Fokus anders legt. Oder man hat die gleichen Ziele, aber nicht mehr so viel Zeit und Energie, diese Ziele zu verwirklichen. Der Zeitfaktor spielt auch eine entscheidende Rolle. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen: Ich habe vor drei Jahren den Entschluss gefasst, berufsbegleitend meinen Master in Erwachsenenbildung zu machen. Ich habe ursprünglich ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre und wollte durch diesen Master meine fachliche und persönliche Kompetenzentwicklung vorantreiben. Während des Studiums kam meine Tochter zur Welt, das hat mein Karriereziel nicht geändert, allerdings die Planung und Durchführung „erschwert“.

Was hat Ihnen geholfen, sich selbst immer wieder zu motivieren?

Ich denke, es ist wichtig, sein Ziel nicht aus den Augen zu lassen. Allerdings sollte man sich die nötige Zeit geben und sich keinesfalls selbst unter Druck setzen. Flexibilität, eine gute Organisation und viel Geduld und Durchhaltevermögen sind das A und O. Klar sind meine Prioritäten jetzt verschoben, allerdings denke ich langfristig und weiß, dass die Erreichung meines Karriereziels mich zufrieden macht. Das motiviert mich, durchzuhalten, auch wenn ganz oft die Müdigkeit überwiegt.

Und was müssen Sie an sich selbst noch optimieren?

Mit Sicherheit ganz viel, man lernt ja nie aus. Aber ich denke, dass ich oft zu viel auf einmal will und meine persönlichen Ressourcen besser einteilen könnte, vor allem mit Kind, Studium, Job und Freiberuflichkeit. Ich tanze gerne auf vier Hochzeiten, da ich gerne tanze und es kann. Und etwas mehr Geduld und Ruhe würden mir persönlich mit Sicherheit nicht schaden.

Dieses Interview ist in freundlicher Zusammenarbeit mit dem Women Career Center am Campus Koblenz entstanden und wurde geführt von Sarah Kasper-Brötz.