In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute macht sich Natalie Henzgen Gedanken über die Verzwicktheit von zwischenmenschlicher Kommunikation in Zeiten von WhatsApp und Co.
Als Studierende der Kulturwissenschaft kommt man um das Thema Kommunikation nicht herum. Schon im ersten Semester habe ich mir den Kopf über Theorien von Barthes oder Habermas zerbrochen. Dabei habe ich so meine ganz eigenen Erfahrungen auf diesem Feld vorzuweisen. Angesichts meiner gegen Null tendierenden IT-Kompetenzen würde ich es nicht unbedingt wagen, mich als „Digital Native“ zu bezeichnen, wie das die Medien gerne mit Menschen meines Alters tun.
Aber es stimmt schon: Ich bin, wie viele andere, mit Smartphones, sozialen Medien und Apps aufgewachsen. Und jeder von uns findet es angenehm, so mühelos mit seinen Freunden in Kontakt bleiben zu können, wie das mit WhatsApp, Snapchat und Facebook der Fall ist. Aber es bringt auch seine Fallstricke mit sich. Was in mittelalterlichen Verhörmethoden die Daumenschrauben waren, können heutzutage Messenger-Apps sein. Im 21. Jahrhundert kann Kommunikation auch zur Qual werden.
Kommunikation schwer gemacht
Auf dem Campus erlebe ich das Phänomen hautnah mit: In der Mensa werde ich unfreiwillig Zeuge, wie zwei Kommilitoninnen einen WhatsApp-Verlauf analysieren. Sie sezieren die Lage, diskutieren ihre Optionen, planen, beratschlagen, wägen ab. Am Ende hilft alles nichts, sie wissen es und ich weiß es jetzt auch: Hat der (männliche) Chat-Partner auf die zweite Nachricht nicht geantwortet, ist das Gespräch beendet. Auf ewig. Der Stolz verbietet jede weitere Kontaktaufnahme.
Willkommen im Minenfeld menschlicher Beziehungen, in dem Statusmeldungen zu Kriegserklärungen und die Offline-Anzeige zur taktischen Waffe werden. Täglich wird an der sozialen Front mit allen Mitteln gekämpft, wobei geheime Codes kriegsentscheidende Informationen vermitteln. Verschwörungstheorien werden kreiert, um den angemessenen Gebrauch der drei Punkte festzulegen… Um die richtige Intention hinter Zeichen wie o.O, :/ oder ^^ zu erkennen, wäre es zeitweise ratsam, einen Semiologen hinzuzuziehen. Denn Unreflektiertheit kann schnell böse enden: Da bricht schon mal der Kontakt zu einem geschätzten Menschen aufgrund eines falsch gesetzten -.- für immer ab.
Zeit ist relativ – Geduld relativ schwierig
Auch Zeit spielt in der modernen Kommunikation eine Rolle. So ist jedem Nutzer in den quälend langen Warten-auf-die-Antwort-Minuten nach dem Versenden einer alles entscheidenden Nachricht plötzlich klar, was Einstein mit seiner Relativitätstheorie meinte: Alle Aspekte der Kommunikation werden durch trivial erscheinende Dinge wie Messenger-Apps in komplexe Zeichensysteme transformiert, an denen Habermas und Barthes ihre Freude gehabt hätten. Und da hielt man doch tatsächlich während des Kalten Krieges ein rotes Telefon für das geeignete Mittel, Konflikte zu entschärfen. Unsere Generation winkt da nur müde ab.
In der Mensa macht die Kommilitoninnen am Tisch gegenüber nun lautstark ihrem Ärger Luft. Ihre Empörung ist fast greifbar: Der Chat-Partner hat sich erdreistet, die Nachricht mit einem plumpen „Okay“ zu beantworten. Was für eine Anmaßung. Vielleicht wäre ein altmodisches Gespräch die bessere Lösung, denke ich, behalte den Gedanken aber für mich. Jemanden wissen zu lassen, dass man sein Privatgespräch mit angehört hat, ist sicher nicht die klügste Strategie. Die beiden brechen ihre Lagebesprechung ohnehin just ab: Sie müssen zu einer Vorlesung. Wahrscheinlich zum Thema Kommunikation.