Online-Lernplattformen, Smartboards in Seminarräumen, elektronische Klausuren – die Möglichkeiten für multimediales Lernen sind heute vielfältig. Die Universität Koblenz-Landau verfügt mit dem Institut für Wissensmedien (IWM) über eine zentrale Support-Einrichtung für E-Learning, die sich mit digitalen Innovationen und Projekten beschäftigt. Welche Vorteile bietet digitale Bildung? Hören Studierende zukünftig Vorlesungen nur noch vom Sofa aus? Uniblog hat bei IWM-Geschäftsführer Dr. Peter Ferdinand nachgefragt.
Als Geschäftsführer des IWM sind Sie Experte auf dem Gebiet digitale Bildung und digitales Lernen. Ist E-Learning heute fester Bestandteil der universitären Lehre?
E-Learning begegnet Studierenden in ihrem Alltag an der Universität fast täglich, denn es gibt eine Fülle an digitalen Lehr- und Lernangeboten, die überwiegend ergänzend zur Präsenzlehre, aber auch als reine Online-Angebote zur Verfügung stehen, und die Qualität der Lehre verbessern sollen. Im Vergleich zu den Anfangszeiten, als E-Learning noch vorrangig mittels lokaler Datenträger wie CD oder DVD realisiert wurde, sind Lehr- und Lerninhalte in Zeiten des mobilen Internets quasi überall und rund um die Uhr verfügbar.
Welche Angebote gibt es an unserer Universität und wie werden sie von den Studierenden genutzt?
Das Bekannteste wird wahrscheinlich OpenOLAT sein, das von rund 90 Prozent der Studierenden genutzt wird. Auch die anderen Angebote werden rege in Anspruch genommen: Elektronische Klausuren mit Ilias, der E-Portfolio-Dienst Mahara, das Multimedialabor mLab in Koblenz und die Möglichkeiten der Videoakademie, ein Gemeinschaftsprojekt von IWM und dem Kompetenzzentrum für Studium und Beruf. Insgesamt ist unsere Universität sehr gut aufgestellt, was die Angebote betrifft. Hier zahlt sich aus, dass es mit dem IWM eine campusübergreifende Einrichtung zur Unterstützung der zahlreichen E-Learning-Möglichkeiten gibt.
Was ist in nächster Zeit geplant?
Derzeit arbeiten wir an einem Pilotprojekt zur Erprobung von ‘Open Badges’ an der Universität, einem in Deutschland noch relativ neuem Ansatz. Open Badges erlauben Kompetenzen und Fähigkeiten von Studierenden anzuerkennen, die im Rahmen des Studiums nicht gesondert ausgewiesen würden oder im außeruniversitären Bereich erworben wurden, z.B. aus dem Bereich der Schlüsselkompetenzen. Open Badges sind digitale Zertifikate, mit denen Studierende konkret und jenseits formeller Zeugnisse mitteilen können, über welche Fertigkeiten sie verfügen, bspw. zu Bewerbungszwecken. Außerdem läuft seit diesem Jahr das universitätsweite Projekt SPITZE, das wir gemeinsam mit dem Methodenzentrum in Landau durchführen. Dabei geht es um eine komplementäre Ergänzung von Online-Self-Assesments durch entsprechende E-Learningangebote, d.h. Studieninteressierte können sich selbst überprüfen, ob sie über relevantes Vorwissen für einen Studiengang verfügen und eventuelle Wissenslücken mittels passender E-Learning-Module selbständig schließen.
Es ist also sinnvoll, von den herkömmlichen Methoden abzuweichen und verstärkt auf E-Learning zu setzen?
Ja, sowohl bezogen auf die Qualität der Lehre als auch für das weitere Leben. Die kompetente Nutzung digitaler Medien, sei es für das Lernen oder Arbeiten, ist heute eine Kulturtechnik, die die Studierenden in ihrer späteren Arbeitswelt benötigen werden. Universitäten können hierfür eine gute Grundlage schaffen. Das heißt aber nicht, dass bald alles digital geschieht. Die E-Learning Angebote sind eine Ergänzung und kein Ersatz für die bisherigen Methoden der Lehre.
Welche Vorteile bieten sich?
Ganz grundsätzlich ist es von Vorteil, dass die Angebote an unserer Universität kostenlos sind und die Benutzerdaten dem deutschen Datenschutz gemäß auf sicheren Servern liegen. Die Digitalisierung in der Bildung führt insgesamt zu einer größeren Verfügbarkeit von Angeboten, da diese über das Internet zeitlich und räumlich wesentlich flexibler nutzbar sind als in einem Klassenraum irgendwo am Campus. Die Grenzen zwischen dem Lernort und den angebotenen Inhalten werden aufgehoben und das begünstigt auch die internationale Vernetzung.
Was bedeutet das genau?
Experten aus dem Ausland oder auch Seminargruppen aus Partneruniversitäten können durch die E-Learning Angebote in den Bildungsprozess vor Ort einbezogen werden. Das bietet Möglichkeiten zur Internationalisierung von Studium und Lehre. Ich gebe mal ein konkretes Beispiel: Künftig können an der Universität Koblenz-Landau verstärkt Studierende aus Asien oder anderen Teilen der Welt Online-Module belegen. Internationale Studierende sind – neben den klassischen Präsenzstudierenden – eine wichtige Zielgruppe für Hochschulen. Und diese können eben einfacher über digitalisierte und flexible Bildungsangebote erreicht werden.
Dabei müssen sich alle Beteiligten sicherlich ganz neuen Herausforderungen stellen?
Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen mit sich, zum Beispiel beim Auffinden von geeigneten Lernangeboten, die beurteilt werden und zum eigenen Bildungsbedarf passen müssen. Es geht auch nicht mehr nur um reine Informationsbereitstellung, sondern verstärkt um die Partizipation der Studierenden und eine Interaktion untereinander und mit den Dozierenden. Beide Seiten sind aktiv gefordert. Der inverted classroom als eine Form der Veranstaltungsorganisation, die auch an unserer Universität zunehmend eingesetzt wird, bindet Onlinephasen als feste Bestandteile der Lehrveranstaltung ein und ist da sehr interessant.
Inverted classroom klingt spannend. Was kann man sich darunter vorstellen?
Nicht alle Studierenden können immer dem von den Dozenten vorgegebenen Tempo folgen, vor allem nicht bei sehr komplexen Themen. Der Ansatz verfolgt die Idee, grundlegende Inhalte z.B. in Lernvideos zu verpacken, mit denen sich die Studierenden im Selbststudium auf eine Vorlesung vorbereiten können. In dieser kann der Dozent dann gezielter auf Nachfragen oder unklare Aspekte eingehen. Die Interaktion zwischen beiden Seiten steht dabei im Vordergrund und fördert die Vertiefung und Erweiterung von Wissen mit dem Dozenten als Experten.
Das heißt, die Studierenden müssen schon vor der Vorlesung aktiv werden, aber trotzdem Präsenz zeigen. Die Befürchtung, dass irgendwann keiner mehr im Hörsaal sitzt, ist also unbegründet?
Absolut. E-Learning ist weit mehr als eine aufgezeichnete Vorlesung, die sich jeder als Video zu Hause auf dem Sofa anschauen kann. Es geht darum, die Lehre qualitativer zu gestalten und den Lernerfolg für die Studierenden zu erhöhen. E-Learning ist kein Ersatz für die Präsenz an der Uni und den Austausch mit dem Dozenten, es ist vielmehr eine Ergänzung zur herkömmlichen Lehre, zu der die Studierenden aktiv beitragen.
Hannah Wagner