Sie stecken in Zahncreme, Sonnencreme und Streusalz: Nanopartikel. Doch wie gefährlich sind die winzigen Teilchen und welche Auswirkungen haben sie auf die Umwelt, wenn sie durch Kläranlagen in Flüsse und Seen gelangen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Forschergruppe INTERNANO.
Nanopartikel sind in zahlreichen Artikeln des täglichen Bedarfs und tragen unter anderem dazu bei, dass Sonnencreme transparent ist oder Instant-Suppen nicht verklumpen. Diese Kleinstpartikel sind winzig, um genauer zu sein, kleiner als hundert Nanometer, das sind hundert Millionstel Millimeter. Zur Verdeutlichung: Ein menschliches Haar hat im Durchschnitt einen Durchmesser von 30.000 Nanometern. Das INTERNANO-Team untersucht, was passiert, wenn Nanopartikel absichtlich oder unabsichtlich in die Umwelt geraten. Dabei interessieren sich die Forscher vor allem für den Übergangsbereich zwischen Land und Wasser, der eine wichtige Filterfunktion hat: „In der Forschergruppe wollen wir herausfinden, wie sich die Nanopartikel im Wasser verhalten, nachdem sie die Kläranlage passiert haben“, erklärt Gabriele Schaumann, Sprecherin von INTERNANO. Bei Überschwemmungen beispielsweise kommen die Kleinstpartikel, die oft im Wasser schwimmen, ans Land. „Was passiert mit den Partikeln auf dem und im Boden? Wie werden sie transportiert, wie verändern sie sich im Boden, wie wirken sie dort auf Organismen? Um das zu verstehen muss man beides untersuchen, Wasser und Boden“, verdeutlicht die Professorin für Umwelt- und Bodenchemie Schaumann.
Experimente in der künstlichen Rheinaue
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Ihre Experimente führen die Wissenschaftler im sogenannten Mesokosmos durch. Das ist eine künstliche Auenlandschaft, die im Labor die Bedingungen am Rhein simuliert. „Es ist noch nicht ganz natürlich“, räumt Sandra Kurtz ein. Sie ist Doktorandin in einem der sechs INTERNANO-Projekte. „Wir kontrollieren die Temperatur und die Lichtverhältnisse, aber wir nutzen Rheinwasser im Hauptbecken und natürlichen Rheinauenboden im Überflutungsbereich.“ Helle Lampen an der Decke leuchten zwölf Stunden am Tag, um einen Tag-Nacht-Rhythmus zu simulieren. Dank eines Schaufelrads strömt der künstliche Fluss mit der gleichen Fließgeschwindigkeit wie der Rhein.
In regelmäßigen Abständen werden die Nanopartikel Silber und Titandioxid in den Mesokosmos eingeführt. Kurz darauf werden Hochwasserszenarien simuliert: Das Wasser im simulierten ‘Rheinbecken’ steigt an und fließt anschließend in die ‘Rheinaue’. Zwei große Tanks, die vom technischen Hilfswerk regelmäßig befüllt werden, sorgen dafür, dass immer genug frisches Rheinwasser zur Verfügung steht.
Durch die regelmäßigen Überschwemmungen der Uferlandschaft entsteht mit der Zeit ein kleines Biotop, wo bereits Brennnessel und Kräuter wachsen. Die Forscher interessiert, ob, wie und wie viele der Nanopartikel ihren Weg vom Wasser in die Rheinaue finden und wie es mit den Partikeln weitergeht, wenn sie in die Uferbereich gelangt sind. Eine wissenschaftliche Herausforderung ist dabei, geeignete Methoden zu finden, um die winzigen Nanopartikel nachweisen zu können. Erste Ergebnisse sind vielversprechend: Es ist den Forschern geglückt, den Weg der Silberpartikel im Boden nachzuweisen.
Herausforderung Interdisziplinarität
Das INTERNANO-Team besteht aus Wissenschaftlern der Bereiche Umweltchemie, Wasserforschung, Bodenkunde, Bodenphysik, Hydrogeologie, Mikrobiologie und Ökotoxikologie. In insgesamt sechs Teilprojekten arbeiten Professoren, Post-Docs und Doktoranden der Universität Koblenz-Landau, der Technischen Universität München, der Alber-Ludwigs-Universität Freiburg, dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle an der Saale, des Umweltbundesamts in Berlin und der Technischen Universität Berlin zusammen. Unterstützt werden sie dabei von wissenschaftlichen Hilfskräften und Studierenden, die ihre Abschlussarbeiten im Rahmen des Projekts schreiben. Die Teilprojekte sind jeweils eigenständige Projekte mit eigenen wissenschaftlichen Zielen. Darüber hinaus gibt es übergeordnete Fragestellungen, die gemeinsam bearbeitet werden.
Diese Interdisziplinarität bietet viele Chancen, erfordert aber auch gute Koordination, um die verschieden Interessen unter einen Hut zu bringen. Die Experimente im Mesokosmos können bis zu 33 Wochen dauern. In diesem Zeitraum ist es wichtig, möglichst viele Forschungsinteressen abzudecken. Während für die Bodenchemiker eher die Nanopartikel im Auenboden interessant sind und für die Umweltchemiker die Veränderungen in der Wasserphase, sind für den Ökotoxikologen die Auswirkungen der Kleinstteilchen auf Gamariden, eine Art des Flohkrebs, der im Wasser lebt, interessant. Nach Abschluss des Experiments werden alle wichtigen Erkenntnisse zusammengetragen. Nur so kann man verstehen, wie Nanopartikel unsere Umwelt beeinflussen.
Chancen der Interdisziplinarität
Wenn es um die Veröffentlichung der Ergebnisse geht, ziehen alle Wissenschaftler an einem Strang. „Es sind viele gemeinsame Publikationen, zwischen zwei oder drei Teilprojekten entstanden, wo wirklich alle mitgearbeitet haben. Es ist auch ein sehr schöner Überblicksartikel entstanden, in dem es darum geht, was wir und die anderen Arbeitsgruppen zum aktuellen Stand des Wissens beigetragen haben und wie es jetzt am besten weitergeht“, berichtet Schaumann.
INTERNANO ist derzeit in der zweiten Projektphase. Die Forschungsfragen gehen den Wissenschaftlern noch lange nicht aus. Das liegt vor allem an der Unkontrollierbarkeit der Umwelt. Der Mesokosmos bietet eine tolle Möglichkeit, verschiedenste Umwelteinflüsse experimentell zu kontrollieren. Die Wissenschaftler der Forschergruppe arbeiten intensiv daran, auf diese Weise ein besseres Verständnis über die Auswirkungen von Nanopartikeln auf unsere Umwelt zu gewinnen. Bald wissen sie vielleicht, welche Konsequenzen es auf die Pflanzen- und Tierwelt hat, wenn wir nach einem Tag in der Sonne unter der Dusche die Sonnencreme abwaschen.
von Constanze Schreiner