Aus dem Labor

Tagung zur sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung

Rechte für Menschen mit Behinderung sind leider keine Selbstverständlichkeit. Auf der Tagung "Sex inklusive - sexuelle Selbstbestimmung und Behinderung" diskutieren Fachkräfte, Bewohnerinnen und Bewohner zum Thema. Foto: Fotolia / Jenny Sturm.

Rechte für Menschen mit Behinderung sind leider keine Selbstverständlichkeit. Auf der Tagung "Sex inklusive - sexuelle Selbstbestimmung und Behinderung" diskutieren Fachkräfte, Bewohnerinnen und Bewohner zum Thema. Foto: Fotolia / Jenny Sturm.

Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist eine der großen gesellschaftlichen Bestrebungen unserer Zeit. Sven Jennessen, Professor für pädagogische und soziale Rehabilitation am Campus Landau, greift mit einer Tagung zur sexuellen Mitbestimmung und Behinderung nun ein sensibles Thema auf.

Professor Jennessen, Inklusion ist in aller Munde. Dennoch ist beispielsweise sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung keine Selbstverständlichkeit. Wieso?

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Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.

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Rechte für Menschen mit Behinderung sind leider keine Selbstverständlichkeit – sonst bräuchten wir ja keine UN-Konvention, die ihre Gleichstellung fordert und feststellt. Viele Rechte, wie auch das auf den gemeinsamen Besuch von Schulen mit Kindern ohne Behinderung, müssen immer noch thematisiert, erstritten und auf oft mühsamen Wegen erkämpft werden. Die dafür notwendige Auseinandersetzung erfordert Kommunikation und diese ist im Bereich Sexualität noch bei weitem nicht so unproblematisch und reibungslos möglich, wie wir es in unserer scheinbar enttabuisierten Gesellschaft annehmen.

Menschen mit Behinderung werden bei der sexuellen Selbstbestimmung oftmals eingeschränkt oder diskriminiert. Woran liegt das?

Vielen Menschen mit Behinderung wird ihre Sexualität schlichtweg abgesprochen. Ihre sexuellen Bedürfnisse werden negiert und ignoriert – je schwerer die körperliche und geistige Behinderung des Einzelnen ist, umso weniger traut man diesem Menschen zu, Bedürfnisse nach körperlicher Nähe und Sexualität haben zu können und ausleben zu wollen. Grundlage für diese Wahrnehmung ist, dass Menschen mit Behinderung häufig als geschlechtslose und somit asexuelle Wesen wahrgenommen werden. In dem Moment, wo sie als Frauen und Männer ernst genommen werden, lässt sich auch ihre Sexualität nicht mehr ausblenden.

Sven Jennessen ist Professor für pädagogische und soziale Rehabilitation. Neben der Tagung führt er auch ein Forschungsprojekt zur sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung durch. Foto: privat.

Sven Jennessen ist Professor für pädagogische und soziale Rehabilitation. Neben der Tagung führt er auch ein Forschungsprojekt zur sexuellen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung durch. Foto: privat.

Wie sollten Fachkräfte von Einrichtungen der Behindertenhilfe mit dem Wunsch nach sexueller Selbstbestimmung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner umgehen? Und was können die Bewohner selbst tun?

Der erste Schritt sollte darin liegen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich mit ihren eigenen Vorstellung und Erfahrungen in Bezug auf Sexualität auseinandersetzen, aber auch ihre Grenzen und Widerstände zu diesem Thema kennen. Nur so kann eine offene und authentische Auseinandersetzung mit den sexuellen Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner gelingen. Neben der Gestaltung angemessener Räume für die Privat- und Intimsphäre sowie der Akzeptanz und Förderung von Kontaktmöglichkeiten zwischen den Bewohnern aber auch mit Menschen außerhalb der Einrichtungen, ist es hilfreich Fort- und Weiterbildung für die Fachkräfte sowie die regelmäßige reflexive Auseinandersetzung mit der Thematik im Rahmen von Supervision zu ermöglichen. Die Bewohner selbst sollten darin bestärkt werden, ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wahrzunehmen und einzufordern. Hier können beispielsweise auch die Bewohnerbeiräte der Einrichtungen unterstützen sowie der Kontakt mit externen Fachleuten wie Pro Familia hilfreich sein.

Sie veranstalten am 21. November eine Tagung zum Thema „Sex inklusiv – Sexuelle Selbstbestimmung mit Behinderung“. Was erwartet die Teilnehmer?

Die Veranstaltung ist in zweifacher Hinsicht ein Auftakt: Zum Einen möchten wir mit dem Arbeitskreis „Sexualität und Behinderung Landau“ zukünftig regelmäßige Fachtage zu Schwerpunkten dieses Themas veranstalten, beispielsweise. Sexualbegleitung oder Elternschaft von Menschen mit Behinderung. Zum anderen haben wir zum 1. November ein zweijähriges Forschungsprojekt zu dieser Thematik begonnen und werden in dieser Zeit intensiv und in Kooperation mit verschiedenen Einrichtungen zu Fragen sexueller Selbstbestimmung arbeiten.

Am 21. November wird Professorin Dr. Barbara Ortland von der Katholischen Hochschule in Münster aktuelle Ergebnisse zu Fragen sexueller Selbstbestimmung in Wohneinrichtungen vorstellen. Anschließend werden wir in sechs verschiedenen Workshops über unterschiedliche Themen wie „Schwere Behinderung und Sexualität“, „Let`s talk about sex- Sexualpädagogik in der Praxis“,  und „Wann ist ein Mann ein Mann? Was macht die Frau zur Frau?“ diskutieren. Ich glaube, es wird sehr spannend!

Kerstin Theilmann

Die Veranstaltung wird gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Aufgrund der großen Nachfrage, ist die Tagung bereits ausgebucht. Gerne können sich Interessenten auf die Warteliste setzen lassen unter hess7274@uni-landau.de.