Kolumne

Suchtende Serienjunkies

Campus-Reporterin Sandra Erber berichtet heute von einer Sucht, die vor allem unter Studierenden verbreitet ist: Serien schauen im Akkord. Zeichnung: Carolin Höring.

Campus-Reporterin Sandra Erber berichtet heute von einer Sucht, die vor allem unter Studierenden verbreitet ist: Serien schauen im Akkord. Zeichnung: Carolin Höring.

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Nach Hannah Wagners plötzlich entfachter Sucht für Fabelwesen hat es auch Sandra Erber erwischt. Als neuer Serien-Junkie kommt sie nur noch selten aus dem Haus, arrangiert sich mit ihrer Kellerbräune und begrüßt den Pizzalieferanten als neues Familienmitglied.

Seit einiger Zeit werde ich in meinem Freundeskreis ab und an mit dem Satz konfrontiert: „Und, was suchtest du gerade?“ Damit wird mir freilich nicht der Missbrauch von Koks, Crack, bunter Pillen oder sonstiger illegaler Substanzen unterstellt. Nein, die Droge, auf die hier abgezielt wird, ist völlig legal, preiswert zu beschaffen, birgt allerdings nicht weniger Abhängigkeitspotenzial: Fernsehserien. Oder sollte ich besser Internetserien sagen? Seit einigen Jahren ist es ja möglich, ganze Staffeln auf Seiten diverser Produktions- und Filmverleihfirmen dank Video-on-Demand-Angebote in einem Zug zu konsumieren. Und das teilweise noch vor der Erstausstrahlung im deutschen Fernsehen. Kein lästiges Warten und wildes Spekulieren mehr, was nach einem spannenden Cliffhanger wohl in der nächsten Folge von Breaking Bad, Fargo oder den Sopranos passieren wird.

Die Krux der Serie

In der Suchtkategorie Serien ist für jeden Geschmack etwas im Angebot: Arztserien, Krimis, Horror, witzige Familienserien, Sci-Fi, schmalzige Telenovelas oder Mystery überschwämmen mittlerweile den Markt, sodass es selbst eingefleischten Serienfreaks schwer fällt, noch einen Überblick zu behalten. Hat man sich aber mal auf eine Serie eingelassen, ist es gar nicht so leicht, der Suchtspirale zu entgehen. Problematisch wird das Ganze durch das Wesen der Serie: Sie ist gewissermaßen als Dauerschleife angelegt. Zahlreiche Seifenopern finden oft nur dadurch ein Ende, dass die Macher sich ein stilloses, hyper-phantastisches Ende zusammendichten, um der Serie ihren finalen Todesstoß zu geben: Der hätte der Qualität zuliebe nicht selten schon drei Staffeln vorher erfolgen sollen. Für den Serienjunkie ist die Endlosschleife das große Problem, das zum bekannten “Suchten” –  ein Begriff, den die Internetgemeinde geprägt hat –  führt und den Betreffenden regelrecht an seinen Rechner kettet.

Symptome des Suchteffekts

Die Sucht hinterlässt ihre Spuren. Wer an einem Wochenende ganze sechs Staffeln Sopranos mit 86 Episoden à 55 Minuten durchschaut, der wird schnell mitmenschliche Verwahrlosungseffekte an sich selbst feststellen: Der Weg aus den eigenen vier Wänden wird nur noch selten angetreten, im Sommer ist der Abhängige an seiner Kellerbräune zu erkennen, die sich bei Dauerkonsum zwangsläufig einstellt. Übernächtigtes Gähnen und Müdigkeit sind ebenfalls symptomatisch, denn der Serien-Suchti hat seinen Tag-Nacht-Rhythmus über Bord geworfen. Besonders auffällig: Sämtliche Anrufe von Freunden und Verwandten werden konsequent ignoriert. Eine Art kommunikative Schockstarre stellt sich ein, denn im Kopf lebt man jetzt mit den Darstellern seiner aktuellen Lieblingsserie zusammen. Und mit dem Pizza-Lieferanten.