Aus dem Labor

Mit Geschichten die Welt verbessern

Geschichten erlauben dem Leser, in fremde Welten einzutauchen und neue Erfahrungen zu sammeln. Foto: Colourbox.de

Geschichten erlauben dem Leser, in fremde Welten einzutauchen und neue Erfahrungen zu sammeln. Foto: Colourbox.de

Wir lesen Romane oder schauen Filme, um uns zu unterhalten. Geschichten können jedoch nicht nur ein wunderbarer Zeitvertreib sein, sondern auch unser Verhalten und unsere Einstellung verändern. Diesen Effekt nennt man narrative Persuasion. Constanze Schreiner ist Doktorandin am Institut für Kommunikationspsychologie und Medienpädagogik in Landau und untersucht das Phänomen für ihre Promotion. 

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Geschichte von Karius und Baktus, zwei kleine Zahntrolle, die im Mund von Max, einem kleinen Jungen, zuhause sind? Dort haben sie es sich in einem Backenzahn häuslich eingerichtet und sind fleißig dabei, ihr Terrain mit Hilfe von Pickel und Presslufthammer auf den Eckzahn auszuweiten. Max, der gerne Süßes isst und sehr ungerne seine Zähne putzt, bekommt von den Bauaktionen der beiden Zahntrolle schlimme Zahnschmerzen. Im Laufe der Geschichte lernt er, dass gründliches Zähneputzen und regelmäßige Zahnarztbesuche helfen, Zahntrolle zu verjagen. So erging es nicht nur Max – Generationen von Kindern haben durch Karius und Baktus erfahren, welche unangenehmen Konsequenzen Süßigkeiten haben können und wie wichtig Zähneputzen ist.

Experimente helfen, Gefühle zu lesen

In meiner Doktorarbeit interessiere ich mich für den Mechanismus, der der narrativen Persuasion zugrunde liegt und welche interindividuellen Unterschiede es zwischen Personen gibt. Warum lassen sich die einen leichter von Geschichten beeinflussen als andere? Zudem schaue ich mir an, welche Anforderungen eine Geschichte erfüllen muss, um Einfluss auf die Rezipienten zu haben. Ein wichtiger Faktor für narrative Persuasion ist das emotionale Erleben während der Rezeption. Jeder hat wohl schon einmal im Kino laut gelacht oder eine Träne vergossen, als ein geliebter Held gestorben ist. Es gibt Hinweise darauf, dass Geschichten vor allem dann besonders einflussreich sind, wenn sie im Zuschauer starke Gefühle auslösen. Damit habe ich mich in meinem letzten Experiment beschäftigt: Lassen sich Rezipienten, die sich mehr auf diese emotionale Achterbahnfahrt einlassen, stärker von der Geschichte beeinflussen? Die Ergebnisse deuten darauf hin, aber wie immer in der Wissenschaft lautet die Antwort hierauf: Es kommt darauf an.

Eine spannende Herausforderung im letzten Experiment war, wie wir das emotionale Erleben der Rezipienten messen. Wir wollten die Emotionen am besten dann abgreifen, wenn sie entstehen. Deshalb haben wir eine Software genutzt, die sich FaceReader nennt und auch genau das macht, was der Name schon verrät: Sie liest Gesichter und ist in der Lage, sechs verschiedene emotionale Gesichtsausdrücke zu erkennen.

Promotionsstudentin und Campus-Reporterin Constanze Schreiner untersucht, wie Geschichten das menschliche Denken und Handeln beeinflussen. Foto: Schreiner

Promotionsstudentin und Campus-Reporterin Constanze Schreiner untersucht, wie Geschichten das menschliche Denken und Handeln beeinflussen. Foto: Schreiner

Mit Geschichten die Realität verändern

Als Doktorand hört man oft die Frage: „Und für was braucht man das?“ Die praktische Relevanz ist in meinem Fall recht offensichtlich. Besonders die Werbebranche bedient sich der Tricks und Kniffe der narrativen Persuasion. Geschichten werden aber auch im Bereich der Gesundheitskommunikation erfolgreich eingesetzt. Gerade in Ländern, in denen bildungsferne Bevölkerungsschichten schwer zu erreichen sind, hat sich der Einsatz von Telenovelas bewährt, um deren Gesundheitsverhalten zu verbessern. In Studien konnte beispielsweise gezeigt werden, dass speziell gedrehte Telenovelas helfen können, Menschen über Verhütungsmöglichkeiten aufzuklären, sie zu motivieren, sich impfen zu lassen und zu medizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu gehen sowie die Nachversorgung von Wunden zu Hause zu verbessern.

Der FaceReade ist eine Software, die emotionale Gesichtsausdrücke erkennen und klassifizieren kann.

Der FaceReader ist eine Software, die emotionale Gesichtsausdrücke erkennen und klassifizieren kann.

Beruht auf einer wahren Begebenheit – oder auch nicht

Interessanterweise ist es egal, ob eine Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruht oder frei erfunden ist. Der persuasive Einfluss ist der gleiche. Spannend ist auch, dass die Effekte, die Geschichten haben können, über die Zeit sogar größer werden. Das liegt wohl daran, dass man vergessen hat, woher die Informationen kommen und dass sie ja „nur“ aus einer Geschichte stammen. Für den positiven Effekt von narrativer Persuasion ist das von Vorteil, denn wenn sich Menschen durch Geschichten beeinflussen lassen und ich durch meine Forschung herausfinden kann, wie sich deren Wirkung noch effektiver gestalten lässt, könnte man mit guten Geschichten vielleicht sogar ein bisschen die Welt verbessern…

von Constanze Schreiner