Kolumne

Im Puzzlefieber

Heute schreibt Campus-Reporterin Nina Seel. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporterin Nina Seel. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute taucht Nina Seel in eine ihrer Lieblingbeschäftigungen ein, die nur im Winter Saison hat.

Seit ich denken kann, gehören die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr dem Puzzlefieber. Der große Puzzleschrank wird geöffnet und Puzzle um Puzzle wird zu Tage befördert. Aber warum ist Puzzlen so faszinierend? Eigentlich handelt es sich doch um die klassischste Form der Sisyphos-Arbeit, bei der man immer wieder mit derselben Aufgabe von vorne beginnt. Einmal fertiggestellt, wird das Puzzle kurzum wieder zerstört und zurück in den Karton geräumt. Denn ich gehöre nicht zu der Fraktion, die fertige Puzzles aufklebt, um sie gerahmt an die Wand zu hängen – da fallen mir wesentlich hübschere Deko-Elemente als Wand-Verzierung ein. Warum also habe ich Spaß daran, dieselben Teile immer und immer wieder an die gleichen Stellen zu legen und ineinander zu verhaken, um sie kurz darauf wieder auseinanderzupflücken?

Liebgewonnene Familientradition

Das Puzzlen hat in unserer Familie fast schon Tradition. Als Kind fing ich bei meinen Großeltern mit 50 Teilen an. Ich erinnere mich an eines meiner liebsten Motive, einen Sommergarten voller Obst und spielender Kinder. Es ging weiter mit 100, 300 und 500 Teilen, aus denen ich Bilder von Janosch zusammenbaute. Mit Tiger, Bär und Tante Gans habe ich puzzlend so einige Abenteuer erlebt. Je älter ich wurde, desto größer wurden die Formate. Meist sitzen wir nun zu Zweit an 1000 oder 1500 Puzzleteilen. Intuitiv greife ich immer wieder zu ähnlichen Bildern. Am liebsten sind mir die ganz klassischen Ravensburger-Puzzle ohne viel Firlefanz. Möglichst bunt mit möglichst vielen Motiven – das macht das Vorankommen leichter. Während mir Landschaften mit einfarbigem Himmel weniger liegen, kann ich mich für farbenfrohe Gewürze, Disneyfiguren und quietschvergnügte Gummibärchen begeistern.

Es gibt ganz ausgefuchste Strategien, ein Puzzle effizient fertigzustellen. Neben den „Zuerst den Rand“-Verfechtern gibt es die „Von unten nach Oben“-Idealisten oder aber die „Motiv für Motiv“-Fraktion, die den Rand erst ganz zum Schluss um das fertige Bild herum legt. Ich gehöre letzteren an. Nach dem ersten Vorsortieren geht meist alles ganz schnell. Die Zeit verfliegt, während ich mich in das neue Bild vertiefe, für das sich nach und nach ein Gefühl entwickelt. Es ist, als würde ich das neue Puzzle kennenlernen und mich mit den Teilen und deren Form und Anordnung vertraut machen.

Einmal Abschalten bitte

Für mich hat Puzzlen etwas Magisches, fast Meditatives. Ganz in der Tätigkeit zu versinken und zu sehen, wie das Bild langsam wächst, erfüllt mich auf wundersame Weise mit Zufriedenheit.  Ich kann mich stundenlang darin verlieren, Teilchen um Teilchen in die Hand zu nehmen, es zu betrachten und mit dem Bild auf dem Puzzlekarton abzugleichen und sein richtiges Plätzchen im großen Wirrwarr aus hunderten von Teilen zu finden. Wahrscheinlich reiht sich das Puzzlen damit sogar in die Riege der Tätigkeiten des aktuellen Achtsamkeits-Wahns ein. Nach und nach entwickelt sich das große Gesamtbild und vermutlich werden sogar Glückshormone ausgeschüttet, wenn man sieht, wie das Werk nach und nach Form und Gestalt annimmt und immer vollkommener wird. Es vergehen selten mehr als zwei Tage, bis die 1000 Teile schließlich ineinander gefunden haben.

Nebenbei kann man sich ganz wunderbar unterhalten oder gemeinsam schweigen, Musik oder ein Hörbuch hören, sich dabei aber völlig auf die Tätigkeit des Puzzlens konzentrieren. Ich vergesse dabei sogar mein Handy, und das will schon etwas heißen. Viel länger als ein paar Stunden bleibt das fertige Puzzle allerdings nicht liegen, denn es steht schon das nächste in der Warteschleife, das zusammengebastelt und wieder auseinandergenommen werden will.