Täglich begegnet uns eine Vielzahl an Werbeanzeigen. Doch welche Bilder, Slogans und Texte erregen unsere Aufmerksamkeit wirklich? Das Koblenzer Start-up Eyevido hat eine Software entwickelt, die das herausfinden kann: Crowd-Eyetracking heißt die Technologie, auf die sich das junge Unternehmen spezialisiert hat. Damit werden Augenbewegungen analysiert, um herauszufinden, wie der Blick beim Betrachten einer Werbeanzeige oder einer Internetseite wandert und an welchen Stellen er verweilt.
Die Idee zur Gründung der Eyevido GmbH kam Dr. Tina Walber und Christoph Schaefer während der Arbeit am Institut für Web Science und Technologies (WeST) der Universität Koblenz-Landau. Walber promovierte gerade zum Thema Eyetracking, Schaefer war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut. In Raum 303 gibt es ein stationäres Eyetracking-Labor, das die beiden häufig für ihre Forschungszwecke aufsuchten. Dabei stellten sie einen großen Nachteil des Gerätes fest: Die Studien können nur vor Ort am stationären Rechner erstellt und ausgewertet werden. “Das Gerät mit der Software ist inzwischen in die Jahre gekommen und nötige Updates wären sehr teuer gewesen”, erinnert sich Schaefer. Die Idee für Eyevido war geboren: „Wir steckten uns das Ziel, den ganzen Prozess des Eyetracking zu entkoppeln und webbasiert weiterzuentwickeln.“
Mobile Geräte, unkomplizierte Software
In unseren Gründungsgeschichten stellen wir Menschen vor, die im oder nach dem Studium den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben.
Neue technische Entwicklungen machten das sogenannte Crowd-Eyetracking-Konzept, auf das das Start-up setzt, möglich: Kostete ein einzelner, stationärer Eyetracker vor einigen Jahren noch einen fünfstelligen Betrag, ist heute wesentlich günstigere und kleinere Eyetracking-Hardware erhältlich, die für die Steuerung von Computerspielen entwickelt wurde. Bei Eyevido wird das Modell Tobii EyeX zur Datenaufzeichnung genutzt. Die Hardware lässt sich sogar per Post an Probanden versenden, sodass die Teilnahme von zu Hause möglich ist. Die mit einem Eyetracker ausgestatteten Studienteilnehmer müssen lediglich ein Aufzeichnungstool installieren und nehmen im Anschluss an Studien von Eyevido teil. So können die Studien räumlich unabhängig und an mehreren Rechnern gleichzeitig durchgeführt werden. Zudem können Auftraggeber die Eyetracker ausleihen, um Studien vor Ort mit ihren Mitarbeitern oder organisierten Probandenteams durchzuführen.
Die Erstellung und Auswertung der Studien geschieht online mit einer von Eyevido speziell entwickelten Software. Als Kunde muss man kein Programm installieren, sondern kann den normalen Internetbrowser nutzen, um Studien anzulegen und deren Ergebnisse abzurufen. Diese sind damit überall abrufbar und immer aktuell.
Interessant ist die neue Möglichkeit zur Durchführung von Eyetracking-Studien vor allem für Web- , Werbe- und Designagenturen, die ihre Produkte testen wollen, und für Forschungs-, Marktforschungs- und Meinungsforschungsinstitute. Durch die Vereinfachung der Prozesse bei der Erstellung und Auswertung macht Eyevido Eyetracking-Studien für Kunden attraktiv, die bislang glaubten, Eyetracking sei immer noch aufwendig, kompliziert und teuer.
Schnelle Firmengründung dank Gründerstipendium
Unterstützt werden die Gründer bei ihren Eyetracking-Studien von Matthias Kuich, der seine Masterarbeit bei Walber schrieb und direkt als Softwareentwickler eingestellt wurde. Die Voraussetzung für die Gründung des Unternehmens war jedoch erst durch das EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geschaffen, welches die Gründer erhielten. Das Stipendium sieht vor, dass das Team innerhalb eines Jahres einen detaillierten Businessplan entwickelt, um Investoren zu gewinnen. Es deckt ein reguläres Monatsgehalt plus Sachmittel und externes Coaching ab. Bei Eyevido ging die Gründung schneller, denn der Businessplan existierte bereits. Was jedoch fehlte, um die Software zu entwickeln, waren Räumlichkeiten sowie Hard- und Software. „Ohne das Stipendium hätten wir das ganze sicher nicht bezahlen können“, erzählt Schaefer.
Einen Raum fand das Team im Uni-nahen Technologiezentrum in Koblenz, wo sie inzwischen in ein eigenes Büro gezogen sind. Nur zwei Wochen nach dem Beginn des Stipendiums im März 2015 folgte die Gründung der GmbH. Seitdem konnten Walber, Schaefer und Kuich mit ihrer Geschäftsidee sowohl den IKT-Innovativpreis als auch den 1, 2, 3, GO-Wettbewerb für sich entscheiden. „Wir möchten uns auf Dauer am Markt etablieren, unsere Software verbessern und ein großes Netzwerk an Testpersonen und Kooperationspartnern aufbauen“, wünschen sich die Gründer.
Adrian Müller