Mit einer Digitalisierungsstrategie will sich die Universität Koblenz-Landau fit für die Zukunft machen. Uniblog sprach mit den Projektverantwortlichen Vizepräsident Professor Dr. Harald von Korflesch und Christian Schneider über Ziele, die Beteiligung der Uni-Angehörigen sowie Hürden, die auf dem Weg zur digitalen Universität genommen werden müssen.
Seit Ende 2017 befindet sich die Universität im Entwicklungsprozess einer Digitalisierungsstrategie. Was verbirgt sich dahinter?
Harald von Korflesch: Eine Strategie beschreibt ein langfristiges Vorhaben mit Zielen und Maßnahmen. Die Universität bewegt sich in diesem Handlungsspektrum, in dem es darum geht, in welche Richtung sich die Universität unter dem Label Digitalisierung weiterentwickeln kann. Die Entwicklung der Digitalisierungsstrategie ist auch aus einem weiteren Punkt wichtig: Man kennt im Privat- und Arbeitsleben Szenarien der Digitalisierung, denen man passiv ausgesetzt ist. Eine Digitalisierungsstrategie ermöglicht es, selbst aktiv zu werden und sich nicht von einer Entwicklung überrollen zu lassen.
Stehen bereits konkrete Ziele im Raum?
von Korflesch: Wir haben zur Strategieentwicklung einen Bottom-up-Ansatz gewählt, mit dem wir die ganze Universität einbinden wollen. Gleichwohl gibt es ein balancierendes Moment, um Orientierung im Prozess zu geben. Daher haben wir einen Top-Down-Ansatz ergänzt und Fokusgruppen zu fünf Themen gebildet, an denen zirka 75 Akteure aus allen Statusgruppen der Universität mitarbeiten. In einem ersten Schritt haben sich die Mitglieder der Fokusgruppen Gedanken über Leitfragen als Impulse und Orientierung für den offenen Diskurs gemacht.
Wo soll die Reise denn hingehen?
von Korflesch: Die Fokusgruppen formulieren derzeit erste strategische Ziele, die unsere Reise hin zur Digitalisierungsstrategie präzisieren und die im Offenen Digital-Dialog diskutiert werden sollen. Durch diesen Diskurs ergeben sich eventuell neue strategische Ziele. Das Ganze steht später in einem Spannungsfeld, welche Maßnahmen realistisch sind, denn Maßnahmen ziehen meist Budgets nach sich. Manches wird man intern stemmen können, viele Dinge wahrscheinlich nur mit zusätzlichem Ressourceneinsatz, sei es Hardware, Software oder Personal.
Birgt das nicht die Gefahr, zu große Erwartungen unter den Mitarbeitenden und Studierenden zu schüren?
Unsere Serie Studium & Lehre gibt Antworten und Hilfestellungen rund ums Studium und stellt besondere Projekte vor.
von Korflesch: Wir haben diesen Ansatz der Beteiligung bewusst gewählt. Bei anderen Prozessen wie der Internationalisierung und dem Transfer hat sich herausgestellt, wie hilfreich es sein kann, ein Thema strategisch für die gesamte Universität zu diskutieren. Dadurch schafft man Aufmerksamkeit. Aber es entsteht auch ein gewisser Druck und die Einsicht, dass man Prozesse nicht frei laufen lassen kann, sondern organisieren muss. Parallel zur Strategieentwicklung arbeiten wir derzeit am Thema IT-Organisationsstruktur, wodurch wir Zuständigkeiten schaffen wollen. Denn es müssen Antworten auf die Frage gefunden werden: Wer setzt was verantwortlich um?
Digitalisierung ist nichts Neues: Wir leben digital, wir kommunizieren digital. Warum begeben wir uns jetzt erst auf die Digitalisierungsreise?
von Korflesch: Wenn man mit anderen Vizepräsidenten für Digitalisierung oder Chief Information Officers von anderen Universitäten spricht, dann hat man einerseits das Gefühl, dass die großen Universitäten wie eine Technische Universität München in eine Vorreiterrolle innehaben. Aber das sind ganz andere Größendimensionen. Andererseits glaube ich, dass wir uns mit dem, was wir bis jetzt getan haben, nicht verstecken müssen.
Zum Beispiel?
Christian Schneider: Wir machen viele IT-Projekte, beispielsweise im Bereich Digitale Lehre oder in der Verwaltung. Einige Kollegen zeichnen Vorlesungen auf und stellt sie online zur Verfügung. Auch was wir mit elektronischer Noteneingabe in KLIPS machen, tun andere Universitäten noch lange nicht. Wir stemmen solche Projekte bislang operativ, aber wenig strategisch begleitet, deshalb finde ich den Ansatzpunkt Jetzt sehr gut.
Eine schöne Begleiterscheinung des Bottom-up-Ansatzes kann auch sein, diese vielen digitalen Beispiele ins Bewusstsein zu bringen und bekannter zu machen?
von Korflesch: Es hat Potenzial, all das, was wir schon haben, besser zu vermarkten. Der kritische Blick des Bürgers liegt immer darauf, was nicht funktioniert, alles andere wird als selbstverständlich angenommen. Ein Beispiel: In der Digitalisierungsstrategie einer deutschen Universität steht als strategisches Ziel, WLAN flächendeckend auszubauen. Das ist bei uns selbstverständlich. Nicht jedes Büro hat vielleicht so gutes WLAN, wie wir uns das wünschen, aber immerhin, wir haben es und das an drei Standorten. Wir nutzen Videokonferenzen, das funktioniert mal besser, mal schlechter, aber auch davon sind andere weit entfernt. In vielen Bereichen sind wir schon gut aufgestellt, jedoch wird das schnell als selbstverständlich gesehen. Bei uns ist also im Vergleich mit anderen Universitäten schon viel vorhanden und wir können uns über strategische Themen unterhalten.
Welche könnten das sein?
von Korflesch: Wir haben als Projektleitung bewusst einen moderierenden Ansatz gewählt. Natürlich haben wir persönliche Meinungen und würden die im Zweifel auch in die Kommentare im Offenen Digital-Dialog oder in den Fokusgruppen einbringen. Aber vom Prinzip her wollten wir genau das nicht. Ich hatte ein Erlebnis, da habe ich einen Impuls in einer Diskussion gegeben. Das wurde so wahrgenommen, als wolle die Hochschulleitung dieses Thema so vorgeben, aber das ist überhaupt nicht der Fall.
Also eher zurücknehmen und moderieren?
von Korflesch: Ja, wir haben eine moderierende Funktion inne und wollen diese auch konsequent fortsetzen. Wir sorgen dafür, dass die Fokusgruppen sich treffen, dass sie dabei sind, die strategischen Ziele und Maßnahmen anzudenken und in den Diskurs einzubringen. Aber inhaltlich mischen wir uns nicht ein.
Wer führt nach Abschluss des Offenen Digital-Dialogs das Ganze zusammen? Es gibt unter den Hochschulangehörigen Bedenken, dass mit ihren Ideen und Kommentaren, mit denen sie sich am Prozess beteiligen, nichts passiert.
Schneider: Dass gar nichts damit passiert, glaube ich nicht. Wir haben uns vorgenommen, den Entwurf der Digitalisierungsstrategie auch in Bezug auf Machbarkeit mit den IT-anbietenden Einrichtungen zu diskutieren. Dann kann zum Beispiel ein Medienzentrum oder eine Bibliothek erneut eine Rückmeldung geben und abschätzen, ob das, was in den Dokumenten steht, machbar ist. Deshalb ist der Punkt der Strukturschaffung enorm wichtig, der aktuell parallel erfolgt.
von Korflesch: Wir bemühen uns bei der Strukturdiskussion, die Nutzungsperspektive und die IT-Perspektive eng miteinander zu verzahnen. Das ist ein zusätzlicher Filter, um die vielen Ideen, die im Offenen Digital-Dialog und durch die Fokusgruppen eingebracht werden, bezüglich Machbarkeit und Umsetzbarkeit überprüfen. Begleitet wird dies mit einem Arbeitspapier, in dem alle Beiträge dokumentiert werden, damit nichts verloren geht. Natürlich müssen wir das Dokument straffen und verdichten, sonst macht so ein Papier am Ende des Tages keinen Sinn. Aber die einzelnen Beiträge werden nicht verloren gehen, da auch die Fokusgruppen sich nicht sofort auflösen werden. Auch dort werden die Beiträge nochmals verarbeitet.
Was ist der aktuelle Stand der Strategieentwicklung und wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Verlauf des Prozesses?
Schneider: Wir sind sehr zufrieden. Trotz des straffen Zeitplans, der bei den Kollegen Druck aufbaut, meistern die Mitglieder der Fokusgruppen das hervorragend. Wir sind im Februar gestartet. Die ersten Gruppen fanden Ende Februar, Anfang März zusammen. Ich war überrascht, dass wir mit über 75 Personen eine so große Zahl von Menschen für das Thema gewinnen konnten und alle so konsequent mitmachen. Was uns auch freut: Das Thema ist in der Universität angekommen, es wird darüber gesprochen und diskutiert. Ich merke das bei Meetings, in der Mensa, in E-Mail-Korrespondenzen oder in Flurgesprächen. Ich wünsche mir, dass alle diese Gedanken und Anregungen ihren Weg in den Offenen Digital-Dialog finden, um die Hochschulöffentlichkeit einzubinden. Uns haben sogar schon Reaktionen von Externen erreicht, weil das Entwickeln einer Digitalisierungsstrategie für andere von Interesse ist und sie von und mit unserem Prozess lernen wollen.
Kann man das vielfältige Engagement am Thema festmachen? In der Organisationsentwicklung heißt es, Digitalisierung sei eine Königsdisziplin, weil Jeder und jeder Bereich betroffen sei.
Schneider: Ja, ich glaube, die hohe Beteiligung liegt daran, dass Digitalisierung jeden betrifft. Unsere Universität ist auf mehrere Standorte verteilt und uns hilft die Digitalisierung durch Videokonferenzen oder elektronische (Teil-)Prozesse im Verwaltungsbereich, die Distanzen zu überwinden.
Wie wollen Sie die Mitarbeitenden fit machen, um in einem digitalen Umfeld zu arbeiten?
von Korflesch: Wir setzen einerseits auf eine transparente Information, deshalb auch der Bottom-up-Ansatz. Es kann sich jeder mit ans Ruder setzen, um das Schiff nach vorne zu bewegen. Andererseits werden wir bei der Einführung neuer Systeme verstärkt darauf achten, dass dies auf eine Art und Weise passiert, die durchführbar ist und akzeptiert wird. Eng zusammen hängen damit etwa Schulungen. Wir haben das Thema Interne Weiterbildung in den Fokusgruppen besetzt, die Mitarbeitenden können sich über Kommentare im Forum einbringen. Es ist kein Spiel Universität gegen Mitarbeiter, sondern ein gemeinsamer Prozess. Ansonsten fehlt die Akzeptanz und die neuen digitalen Systeme werden nicht genutzt.
Einige Kollegen befürchten, dass im Zuge der Digitalisierung noch mehr Arbeit auf den Einzelnen zugekommen wird. Bei der KLIPS-Einführung hieß es damals auch, die Software bringt Arbeitserleichterung…
von Korflesch: Wir müssen einfach moderner werden, weil wir sonst irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die Erwartungen rund um die Digitalisierung, die aus der Studierendenschaft und aus den jüngeren Generationen der Mitarbeitenden kommen, sind sehr hoch: Es fängt bei Web-Auftritten an und geht bis hin zu Anmeldeprozeduren für einen Studienplatz oder das Seminar. Wir müssen das gleiche Level halten, wie wir es aus anderen digitalen Kontexten gewohnt sind.
Es gibt fünf Fokusgruppen. Wie wird gewichtet, was wird zuerst umgesetzt?
Schneider: Das hängt davon ab, welche Maßnahmen wir in den Gremien priorisieren. Es wird sicher für viele Maßnahmen und Vorhaben schnelle und einfache Lösungen geben, andere werden mehr Zeit und Ressourcen erfordern. Wir müssen uns überlegen, wie wir beides verfügbar machen können. Mit dem finalen Zeitplan warten wir daher bis zum Schluss des Strategieprozesses.
von Korflesch: Dazu kommt, dass wir aktuell im Prozess Hochschulzukunftsprogramm stecken. Es kommt ein neues Hochschulgesetz und das Land verhandelt mit der Bundesregierung über den neuen Hochschulpakt. Wir wissen derzeit nicht, wie unsere Finanzsituation für die kommenden sieben Jahre aussieht. Was wir wissen, ist nur, dass wir mit dem Land eine Zielvereinbarung abschließen werden. Es schadet also nicht, unter der Perspektive Digitalisierung konkrete Ziele und Maßnahmen vor Augen zu haben, um Budgets zu verhandeln. Das ist vereinfacht dargestellt, aber in der jetzigen Situation kann man das priorisieren, was nichts kostet. Parallel setzen wir schon Projekte um, die uns der rechtliche Rahmen vorgibt: In der Verwaltung müssen wir zum Beispiel elektronische Eingangsrechnungen verarbeiten können. Wir prüfen gerade die Anschaffung eines sogenannten Enterprise Ressource Planning (ERP) Systems. Das heißt, der normale Betrieb muss weiterlaufen, trotz Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie.
Das ist wie bei jedem Konzept: Es muss flexibel bleiben und man muss auf Änderungen reagieren können. Es ist ein andauernder Anpassungsprozess…
von Korflesch: Das ist ein schönes Schlusswort. Es ist natürlich nicht damit getan, einen Punkt unter das Papier zu setzen. Wir werden die Digitalisierungsstrategie alle zwei Jahre überprüfen und kritisch hinterfragen, um zu sehen, was technisch überholt oder überflüssig geworden ist oder wo neue Anforderungen entstehen. Das wird ein sehr dynamischer Prozess werden.
Interview: Kerstin Theilmann
Auf einen Blick
- Basis der Digitalisierungsstrategie sind die 11 Thesen, die die Hochschulleitung ab Oktober 2017 entwickelt hat und die im Dezember-Senat verabschiedet wurden.
- Input zur Entwicklung der Digitalisierungsstrategie kommt aus zwei Hauptsträngen: Aus der Arbeit von Vertreterinnen und Vertretern aller Statusgruppen in fünf thematischen Fokusgruppen sowie der Diskussion aller Hochschulmitglieder und -angehörigen im Offenen Digital-Dialog. Hier können Mitarbeitende sowie Studierende bis Ende September die in den Fokusgruppen erarbeiteten Leitfragen, strategischen Ziele und Maßnahmen diskutieren und somit den Digitalisierungsstrategieprozess mitgestalten.
- Die fünf Fokusgruppen: Forschung und Wissenstransfer; Studium, Lehre und wissenschaftliche Weiterbildung; Personalentwicklung, Nachwuchsförderung und interne Weiterbildung; Verwaltung, Datenschutz und -sicherheit
- Am 11. Juli findet von 11 bis 13 Uhr der DigiTalk statt, in dem die Fokusgruppen über den aktuellen Stand ihrer Arbeit informieren.
- Im Herbst soll dem Senat ein erster Entwurf des Strategiepapiers zur Diskussion und im Dezember die finale Version zur Abstimmung vorgelegt werden.
- Geleitet und koordiniert wird der Strategieprozess von Vizepräsident Professor Dr. Harald von Korflesch und Christian Schneider.