Kolumne

Aus dem Leben einer Umzugskiste

Heute schreibt Campus-Reporterin Nina Seel. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporterin Nina Seel. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute macht sich Nina Seel Gedanken über den Sinn und Zweck von Umzugskartons und warum sie als Krempelboxen und Erinnerungskisten eine echte Bereicherung für unser Leben sein können.

Manchmal packt es mich und ich beginne, über die merkwürdigsten Dinge zu philosophieren. Warum also nicht mal über den Sinn und Zweck von Umzugskisten nachdenken? Wie ich darauf komme? Ich habe kürzlich viel Zeit damit verbracht, den Inhalt dreier Haushalte in Kisten zu verteilen und durch halb Süddeutschland zu fahren, um sie letztlich an verschiedenen Orten wieder auszupacken oder einzulagern. Das erforderte logistisches Denken und ich musste feststellen, dass ich nicht gerade zur Sorte derer gehöre, die nach dem Prinzip des Minimalismus leben. Es ist schon erstaunlich, was ich offensichtlich alles nicht zum Leben brauche und dennoch besitze. Mein Herz hängt an so viel vermeintlich unnötigem Krempel, dass ich der Sache auf den Grund gehen muss.

Lange Lebensdauer

Auszug bei Mutti, erste eigene Wohnung oder einfach mal wieder ausmisten – es gibt viele Gründe, Umzugskartons zu besitzen. Die Pappkartons aus dem Baumarkt sind eine praktische Sache: Sie sind geräumig und bieten Platz für das bunte Allerlei an Gegenständen aus Haushalt und täglichem Leben. Eine günstige Lösung für viel Stauraum also. Oft fristen sie ein jahreslanges Dasein auf staubigen Speichern oder in muffigen Kellern, ungeliebt und unbeachtet, einfach nur das Eigentum ihres Besitzers hütend. In den Kisten herrscht das geordnete Chaos. Alles, was aktuell nicht gebraucht wird, wandert in die Box und ist damit aus den Augen, aus dem Sinn.

Könnten die Kartons sprechen, hätte manch weitgereiste Kiste gute Geschichten zu erzählen. Sie ist durch viele, mal mehr mal weniger professionelle, Hände gewandert, hat zahlreiche Kilometer in Transportern und Kofferräumen verbracht und einige Höhenmeter an Stochwerken überwunden. Und immer legt sie dabei schützend ihre Kartonseiten über zerbrechliches Porzellan, nimmt es mit echten Bücher-Schwergewichten auf, trägt Bilderrahmen und Kerzenleuchter und bewacht unsere geheimsten Schätze.

Zauberkisten voller Erinnerungen

Manchmal gehen die Gedanken an diese besonderen Schätze im Umzugschaos verloren. Schaut man dann Wochen und Monate später hinein, wird so manche Überraschungen zu Tage gefördert. Dinge, von denen man gar nicht mehr wusste, dass man sie besitzt, geschweige denn, dass man sie im Alltag vermisst hat. Unter vielen Oohs und Aahs erinnert man sich und daran, von wem man sie irgendwann einmal geschenkt bekommen hat – ein bisschen wie Weihnachten. Neben Omas altem Blümchen-Teeservice tummelt sich das Ikea-Küchen-Starterkit aus der ersten WG und darunter liegen Fotos von früher. Die Kartons bergen also immer auch ein kleines Stück Nostalgie. Und so ist es doch gut, dass sie uns das Aufheben von (unnützen) Dingen erleichtern, wenn wir uns im Aufräumrausch mal nicht gleich entscheiden können: Nicht wichtig genug, um Teil der neuen Bleibe zu sein, aber an Erinnerungen zu wertvoll, um aussortiert zu werden.