Die Stimmung im Bundeswirtschaftsministerium erinnert an die Oscar-Verleihung, als die Moderatorin die Verkündung mit den Worten „Die nächste Gründerhochschule ist …“ beginnt, dann kurz abbricht und langsam ein Kuvert öffnet. Als sie anschließend mit den Worten „… die Universität Koblenz-Landau!“ fortfährt, bricht der Jubel aus: Die Universität gehört nun zu den erfolgreichen zwölf Hochschulen im Wettbewerb „EXIST-Gründungskultur – Die Gründerhochschule“ des Bundeswirtschaftsministeriums, die aus 49 einreichenden Hochschulen ausgewählt wurden. Das eingereichte Konzept „Accelerating Entrepreneurship“ wird in den nächsten drei Jahren mit insgesamt 1,7 Millionen Euro gefördert.
„Es war wie ein kleiner elektrischer Schlag, den man in so einer Situation spürt. Wir haben uns kurz angeschaut, sind dann mit dem Präsidenten unserer Universität zur Bühne hochgegangen. Wir konnten nicht glauben, was da gerade passiert war, der Handschlag von Bundeswirtschaftsminister Dr. Rösler war fast schon abstrakt, fast unwirklich“, erinnert sich Projektleiter Prof. Dr. Harald von Kortzfleisch. „Die Kollegen, die in Koblenz geblieben sind, riefen ständig an und schrieben Mails, weil sie natürlich sofort wissen wollten, ob wir den Wettbewerb gewonnen haben, alle waren extrem gespannt“, ergänzt Dr. Kornelia van der Beek, Geschäftsführerin des Gründungsbüros Koblenz.
Enorme Vorarbeit war nötig, um ein derart erfolgreiches Konzept für die gesamte Universität auf die Beine zu stellen. Die Grundlage bildete ein Ideenpapier, das das Projektteam unter der Leitung von Prof. Dr. Harald von Kortzfleisch beim Bundeswirtschaftsministerium eingereicht hatte. Dieses wurde in einer ersten Runde ausgewählt und mit 70.000 Euro gefördert. Damit war die Basis geschaffen, um innerhalb eines halben Jahres das eigentliche Konzept zu erarbeiten. Die Herausforderung war groß, immerhin waren auch Mitbewerber wie die RWTH Aachen oder die Freie Universität Berlin im Rennen: „Das Ziel der EXIST-Initiative ist die Förderung technologieorientierter und wissensbasierter Ausgründungen. Wir mussten uns auf den wissensbasierten Teil fokussieren, weil wir die technologieorientierte Seite nicht so abdecken können wie andere Hochschulen“, erklärt von Kortzfleisch.
Von Beginn an wurde das Projekt „Accelerating Entrepreneurship“ von der Hochschulleitung der Universität Koblenz-Landau unterstützt. Die Dekane ebneten die Wege in alle acht Fachbereiche, aus denen wertvolle Anregungen kamen. „Auch die Universitätsverwaltung hat das Projektteam hinsichtlich administrativer Bürden sensibilisiert und dazu beigetragen, dass das Konzept fertig gestellt werden konnte“, so von Kortzfleisch. Daneben hat das Projektteam intensives Networking innerhalb der Regionen Koblenz-Mittelrhein und Landau sowie über die Region hinaus betrieben und hielt den Kontakt zum Ministerium, „um das Ohr bei den Erwartungen zu haben“, verrät von Kortzfleisch.
Auch die Abstimmungen im Team waren oft ein Tauziehen, berichten von Kortzfleisch und van der Beek: „Das Team besteht aus einer großen Anzahl von Personen, die alle sehr kluge Leute sind, jeder hatte seine eigenen Gedanken und Ideen und schließlich standen unsere Ideen im Wettbewerb zueinander. Jeder hat sich mal durchgesetzt, aber auch mal nachgegeben“.
Das Konzept beinhaltet drei Schwerpunkte: Da 60 Prozent der Studierenden der Universität Koblenz-Landau für ein Lehramtsstudium eingeschrieben sind, liegt ein Fokus auf der Multiplikatoren-Förderung. Unternehmerisches Denken und Handeln soll als Wahlmöglichkeit für die Lehramtsstudierenden curricular verankert werden. So können angehende Lehrerinnen und Lehrer ihren Unterricht auch in Richtung Entrepreneurship gestalten. Eine solche Wahlmöglichkeit besteht an keiner der anderen Hochschulen, die im Wettbewerb ausgezeichnet wurden.
Im zweiten Schwerpunkt „Spitzen-Förderung“ ist geplant, für die technologieorientierten Studiengänge in den Bereichen Informatik und Umweltwissenschaften je ein Innovationslabor einzurichten. Dort soll das Experimentieren möglich sein. So können schon bei der Entwicklung neuer Ideen Innovationspotenziale identifiziert werden und eine mögliche Ausgründung frühzeitig mit berücksichtigt werden. Auch Schulen und Externe können die Labore nutzen.
Für alle weiteren Studiengänge der Universität Koblenz-Landau wurden spezielle zielgruppengerichtete Maßnahmenpakete geschnürt und damit eine umfassende Breitenförderung angestrebt. Neben den zahlreichen Aktivitäten des Gründungsbüros Koblenz, das van der Beek leitet, sollen erfahrene und erfolgreiche GründerInnen sowie Finanziers, zum Beispiel Berater der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, Notare oder Patent-Anwälte als Ansprechpartner am Campus zur Verfügung stehen. Weiterhin soll jegliche Art von Gründungsaktivität bei Studierenden, MitarbeiterInnen oder ProfessorInnen zukünftig stärker gefeiert und öffentlich gemacht werden.
Aktivitäten wie diese sind in Deutschland noch relativ unbekannt, Anregungen dazu bekam das Projektteam während einer Reise zu verschiedenen renommierten Hochschulen in den USA. „Wir wollen die Gründungskultur an der Universität besser verankern und in die Öffentlichkeit bringen“, wünschen sich Kornelia van der Beek und Harald von Kortzfleisch.
Birgit Förg