In einigen Kulturen sind Beschneidungen ein Initiationsritus. Für andere Kulturen ist diese Praxis befremdlich und führt immer wieder zu Kontroversen. Wie kann man solche Körperrituale begründen? Oder, anders gefragt: Warum findet man sich überhaupt in der Pflicht, diese begründen zu müssen? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich eine dreitägige Tagung zum Thema „Dem Körper eingeschrieben: Verkörperung und Ritual“, die vom 4. bis zum 6. Dezember am Campus Koblenz stattfindet.
Drei Fachrichtungen, mehrere Blickwinkel: Veranstaltet wird die Tagung von Prof. Dr. Matthias Jung vom Seminar Philosophie, Prof. Dr. Andreas Ackermann vom Seminar Ethnologie und von Prof. Dr. Michaela Bauks vom Institut für Evangelische Theologie. Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen beleuchten das Verhältnis von Körper und Ritual aus verschiedenen Perspektiven. Neben Professoren der Universität Koblenz-Landau werden auch Gäste anderer deutscher Universitäten und Gäste aus Großbritannien, USA und Frankreich erwartet. “Ein Thema aus interdisziplinärer Perspektive zu betrachten, ist beste kulturwissenschaftliche Tradition”, erklärt Ackermann.
Am Beispiel von Themen wie Askese, Beschneidung, Scarifizierung, Selbstlazeration oder auch Körpergesten und -reaktionen wird untersucht, welche Rolle dem physiologischen Körper beim Zusammenspiel von Individuum und Gesellschaft zukommt. Es geht auch darum, „was in einer Gesellschaft passiert, wenn rationalisierte Normen solche Rituale verbieten wollen. Historisch kann man feststellen, dass Ausschlüsse in Folge solcher Normen immer wieder zu Konflikten geführt haben“, sagt Bauks.
Identitätsstiftung durch Körperpraktiken
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
Allen gemeinsam ist dabei die Frage nach einer Identitätsstiftung durch Körperpraktiken und inwieweit dies zu Spannungen zwischen Individuen und Gesellschaft führen kann. Die Religionsgeschichte geht historisch vergleichend vor und untersucht zum Beispiel das Thema Beschneidung. Die Ethnologie wirft den Blick auf uns fremde Kulturen und erforscht beispielsweise Tätowierungen oder Bemalungen von Stammeskulturen. Die Philosophie berücksichtigt auch biologistische Aspekte in der philosophischen Anthropologie und analysiert etwa Ergebnisse der Hirnforschung.
Die Tagung ist zugleich Auftaktveranstaltung für den künftigen campusübergreifenden Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Orientierung und normative Bindung“. Der Forschungsschwerpunkt umfasst eine Reihe von Themenfeldern aus der Sprach- und Literaturwissenschaft sowie aus der Ethnologie, Philosophie, Soziologie und der Theologie.
Ein spannendes Thema bestreitet auch die Pädagogin und Phänomenologin Professor Dr. Käte Meyer-Drawe von der Universität Bochum. Sie referiert in einem öffentlichen Abendvortrag zum Thema “Wenn Blicke sich kreuzen. Zur Bedeutung der Sichtbarkeit für zwischenmenschliche Begegnungen”.
Kerstin Perkert
Die Tagung findet am Campus Koblenz in Raum D 239 statt und steht allen Interessierten offen. Anmeldung ist erwünscht.
Auszug aus dem Programm Mittwoch, 4. Dezember 14.30 – 15.14 Uhr: Matthias Jung: “Reasons as Justifications – Embodied, embedded and freestanding” 18.15 – 19.45 Uhr: Käte Meyer-Drawe: “Wenn Blicke sich kreuzen. Zur Bedeutung der Sichtbarkeit für zwischenmenschliche Begegnungen” Donnerstag, 5. Dezember 14.45 – 15.30 Uhr: Michaela Bauks: “Beschneidung – ein Substitut des Erstlingsopfers?” Freitag, 6. Dezember 9.45 – 10.30 Uhr: Andreas Ackermann: “Der Körper als Text” |