Kolumne

Früher war alles besser?

Heute schreibt Campus-Reporterin Hannah Wagner. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporterin Hannah Wagner. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute fragt sich Hannah Wagner, ob früher tatsächlich alles besser war. 

Früher war alles besser: Weltklima, Musik, Mode, Benzinpreise, soziale und gesellschaftliche Werte akzeptiert, die Politik glaubhaft und Kommunikation noch echt. Nicht umsonst erleben wir in allen Branchen Retro und Vintage-Trends, angefangen von Karottenhosen über Schallplatten und Designer-Ost-Möbel bis hin zu nostalgischen Rückerinnerungen in Politik und Gesellschaft an die Zeit, als das Weltgeschehen noch geregelt war. Was es in diesem ominösen Früher auch gab: Prepaid-Handys mit Ausklapp-Antenne und minikleine Schwarz-Weiß-Bildschirme, Computer so schwer wie ein kleiner Elefant und Internet, das minutenweise abgerechnet wurde und monatlich zu Diskussionen mit den Eltern führte, die einfach nicht verstehen wollten, warum ICQ notwendig ist.

Internet als Segen im Studium

Jetzt, wo ich wieder fleißig studiere, preise ich einmal mehr mein Smartphone, den Laptop und vor allem dieses göttliche Portal: das Internet (schnell, mobil und unlimitiert). Bei aller Liebe für Vintage und Nachhaltigkeit, beim Studieren kann ich auf Oldschool verzichten. Da liest man zum Beispiel einen Text und findet den Satz: Stefan Georges Kunstauffassung wird als Realisierung eines ästhetischen Katholizismus bzw. als ästhetischer Fundamentalismus bezeichnet. Alles klar?! Mal eben schnell ästhetischer Katholizismus von Google definieren lassen, die Lebensdaten von Stefan George nachgeschaut und in dem Zusammenhang noch schnell eine zeitliche Einordnung vorgenommen. Verstanden. Hat mich zehn Klicks und genauso viele Minuten gekostet.

Oder in der letzten Veranstaltung: Es fällt der Satz Diese Stadtteile sind noch nicht der Gentrifizierung ausgesetzt. Zustimmendes Nicken um mich herum. Ich nicke auch mit und google derweil Gentrifizierung. Man kann ja schließlich nicht alles wissen, entschuldige ich mich bei mir selbst. Aber immerhin: Verstanden und ich kann dem weiteren Verlauf folgen.

Nicht zuletzt der absolute Segen beim Schreiben und Formatieren von Hausarbeiten: Da tippt man einfach alles in eine Datei, löscht, streicht, markiert, formatiert, fügt Kommentare hinzu, arbeitet mit mehreren Leuten an einem Dokument, alles total easy. Und wenn der Dozent dann noch einen halben Zentimeter mehr Rand an der linken Seite verlangt: zwei Klicks und fertig.

Weder besser, noch schlecht

Man könnte mir jetzt vorhalten, dass ich gar nicht einschätzen kann, ob es früher besser oder schlechter war, ich habe damals schließlich noch nicht gelebt. Aber meine Mutter hat es bestätigt: Da hatte man gerade eine Dreiviertelseite abgetippt und plötzlich – ein Fehler. Pech gehabt, musste man eben die Seite nochmal abtippen und mit nachträglichen Änderungen der Randbreite sah es auch schlecht aus. Dafür plagen uns heute allerdings der Überfluss an (falschen) Informationen im Netz, die sozialen Medien als Ablenkung oder ein Desinteresse an (Hochschul-)Politik und studentischer Kultur. So hat wohl jede Generation ihre Stärken und ihre Schwächen, manches ist besser, manches schlechter. Ich für meinen Teil habe einen Plan entwickelt: Ich suche mir das Beste von allem und kombiniere es. Den Laptop neben Büchern im Rucksack, das Smartphone greifbar in der Tasche von Omas Hose und, weil Hausarbeiten heute dank moderner Technik schneller abgetippt sind, genügend Zeit für anderweitiges Engagement. Schneller mit dem Studium fertig bin ich deswegen aber trotzdem nicht.