Professorin Dr. Petra Kindhäuser ist eine auffallende Persönlichkeit: Die Musikwissenschaftlerin am Campus Koblenz ist selbstbewusst, wenn es um die Einbindung von praktischen Elementen in die Wissenschaft geht und tanzt auch mal spontan einen Walzer durch den Seminarraum. Warum ihre eigene Studienzeit für sie so prägend war, verrät sie im Interview mit Uniblog.
Die Serie: Sie prägen unsere Erinnerungen an das Studium, inspirieren uns für das Berufsleben und sorgen für so manche Anekdote unter Studierenden: unsere Profs. Im Uniblog stellen sich die Professoren der Universität Koblenz-Landau den Fragen der Campus-Reporter, geben Einblick in ihren Forschungs- und Lehralltag und verraten, wie sie selbst als Student waren.
Der Professorenberuf ist mit einigen Klischees behaftet: Lange über Büchern brüten, Zerstreutheit, Einsiedlertum, chaotische Tafelbilder… Trifft davon etwas auf Sie zu?
Auf jedem Fall. Zerstreutheit trifft es sehr gut, ich muss immer zweimal schauen, ob ich meine Schlüssel dabei habe.
Wie waren Sie als Studentin?
Studieren war für mich meine persönliche Befreiung und Selbstfindung. Während des Studiums habe ich sehr viel über mich selbst gelernt und identifiziere mich heute zu einem nicht geringen Teil über mein Fach. Ich habe in meiner Studienzeit herausgefunden, dass es für mich existentiell wichtig ist über Musik nachzudenken: Mit meinen Kommilitonen habe ich gestritten, diskutiert und jeder versuchte, die besseren Argumente zu finden. Wir haben uns manchmal richtig in Themen und unsere Meinung verbissen. Trotzdem waren wir danach noch Freunde.
Meinen Sie, das hat sich im Vergleich zu heute verändert?
Ja, ich fürchte sogar: Sehr deutlich. Heute ist das Studium sehr verschult und reguliert und es gibt viele Vorschriften, die es zu meiner Studienzeit noch nicht gab. Diese äußerliche Regulierung scheint mir tödlich für die geistige Freiheit und belastet das individuelle Denken.
Wann haben Sie gemerkt, dass der Weg in die Wissenschaften das Richtige für Sie ist? Gab es Alternativen zur Professorenlaufbahn für Sie?
Als ich damals mit 18 Jahren nach München gezogen bin, wollte ich eigentlich Klavier studieren. Ich kam von einem humanistischen Gymnasium und dachte mir, zur Allgemeinbildung könnte ich eigentlich noch ein paar andere Veranstaltungen besuchen. Übrigens noch ein Unterschied zu heute: Damals konnte man sich einfach in alle Vorlesungen setzen und zuhören, ganz ohne KLIPS und Anmeldung. Da habe ich dann zum ersten Mal den Begriff ‘Musikwissenschaft’ gehört. Das war wahrlich ein Schicksalstag und ich habe mich sofort eingeschrieben. Nach zwei Wochen Studium wusste ich, dass es genau das ist und mein geistiges Leben war auf die Spur gesetzt. Die Professur stand nie im Fokus, es war immer zuallererst das Fach an sich, um das es sich drehte.
Was begeistert Sie an Ihrem Fachgebiet?
Ich hatte das Glück, in einer Gemeinschaft zu studieren, die mich in dem bestärkt hat, was mir in der Musikwissenschaft am wichtigsten ist: die Musik. Zu meiner Studienzeit war das Fach im Allgemeinen noch recht konservativ und die Auseinandersetzung mit der praktischen Musik kaum verbreitet. Heute ist das anders: Praktische Musiker drängen in die akademische Arbeit, Kontakte und Austausch entstehen. Früher hat man zum Beispiel Instrumentenkunde ohne einen praktischen Teil gelehrt. Musik ohne Praxis zu erfahren geht aber nicht und Musiker können diesen hier ergänzen. Deswegen habe ich mich damals auch für die Professur in Koblenz entschieden, weil hier der praktische Teil der Musikwissenschaft sehr stark sein ‘darf’.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit an der Universität in Koblenz?
Ganz besonders schätze ich den Kontakt mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen. Ich habe mich schon während meines Studiums immer mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigt und es ist sehr spannend, sich über andere Positionen und Herangehensweisen auszutauschen. Das ist in Koblenz sehr einfach, an einem großen Campus wäre das unmöglich.
Woran arbeiten oder forschen Sie gerade?
Momentan an drei Dingen gleichzeitig: Als externes Mitglied arbeite ich an der Beethoven-Gesamtausgabe mit, quasi als Langzeitaufgabe. Aktuell habe ich für die Kulturwissenschaftliche Ringvorlesung ‘Luther und das Wort’ einen Vortrag übernommen, für den ich die Rolle der Musik bei Luther untersuche. Mittelfristig schreibe ich an einem Handbuchartikel zu Beethovens geistlicher Musik. Das ist, verglichen mit anderem ‘wissenschaftlichen Ausstoß’ nicht viel, aber ich muss beim Schreiben nachdenken und die Welt im wissenschaftlichen Arbeiten entdecken. Das braucht eben Zeit und diese lasse ich mir nicht nehmen.
Gab es ein Ereignis oder eine Person, das/die Ihren akademischen Werdegang geprägt hat?
Ich habe als Studentin bei Carl Orff die private Bibliothek katalogisiert. Etwa ein Jahr lang war ich immer wieder in seinem Haus am Ammersee. Manchmal ging er durch den Gang, fand plötzlich zwei Steine und klopfte sie aneinander: “Hören Sie mal”, sagte er, “klingt das nicht schön?” Seine Idee von Musik, die für ihn der Boden der menschlichen Existenz ist, hat mich immer fasziniert und gewiss auch geprägt. Eine Situation habe ich noch sehr genau in Erinnerung: Er hatte zwei große Doggen, die ich einmal unbedacht zu mir rief. Sie schossen wie zwei riesige Kanonenkugeln auf mich zu und warfen dabei Frau Orffs bayrische, handgetöpferte Blumentöpfe um. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen! Natürlich habe ich neue Töpfe besorgt und sie dann mit dem Taxi an den Ammersee gebracht. Damit war mein Monatsbudget aufgebraucht. Am Ende war er dann aber mit meiner Arbeit in der Bibliothek doch sehr zufrieden.
Welche Dinge mögen sie fernab des wissenschaftlichen Alltags? Was unternehmen Sie als Ausgleich zur Denkarbeit an der Uni?
Wenn es mal etwas ganz anderes sein soll, koche ich sehr gerne, was aber mehr damit zu tun hat, dass mein Mann gerne isst was ich koche. Ich verbringe auch sehr gerne Zeit in meinem Garten. Besonders Duft- und Kräutergärten faszinieren mich, ebenso Rosen, Mohn und Nesseln. Einige meiner Pflanzen stammen sogar aus dem Garten meines wissenschaftlichen Großvaters Georgiades und der Lavendel vor dem Haus erinnert an meine familiäre Herkunft. Und ich lerne Chinesisch.
Wieso gerade Chinesisch?
Ich habe meinen Mann schon einige Male nach China begleitet. Er ist Strafrechtler – ein Fach, das in China eine Art wissenschaftlichen Boom erlebt. Letztes Jahr hielten wir einen Doppelvortrag, der unsere beiden Disziplinen überspannte: Es ging um Musik im Zusammenhang mit staatlicher Ordnung. Während der Reisen und der Arbeit an diesem Text, der ja übersetzt werden musste, habe ich begriffen wie anders diese Sprache ist, verglichen mit allem was ich bisher kannte. Da habe ich beschlossen sie zu lernen.
Prof. Dr. Petra Kindhäuser studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo sie 1980 ebenfalls ihre Promotion abschloss. Nach ihrer Habilitation an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg wurde sie dort Privatdozentin. Seit dem Wintersemester 1999/2000 ist sie Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz.
Hannah Wagner