Konflikte und Kommunikationsstörungen: Wie überall, wo Menschen aufeinandertreffen, bleiben diese auch im Schulalltag nicht aus. Die Romanistin Dr. Jacqueline Breugnot vom Institut für Fremdsprachliche Philologien bereitet daher ihre Studierenden auf diese Situationen vor und nimmt ihnen die Angst vor kommunikativen Konflikten.
Sie schulen angehende Lehrer im Umgang mit Kommunikationsstörungen und Konflikten. Warum ist das Thema für zukünftige Lehrpersonen so wichtig?
Die Praxis zeigt, dass das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das Führen einer Klassengruppe, die Beziehung zu den Eltern oder zum Rektor eine immer wiederkehrende Herausforderung für angehende Lehrkräfte ist. Das Konfliktpotenzial in der Schule ist vielfältig: Schüler, die sich weigern, ihre Hausaufgaben zu machen, Eltern, die über die Lehrperson klagen, die Hilflosigkeit, mit Mobbing umzugehen sind nur einige Beispiele.
Wie beeinträchtigend können Konflikte und Kommunikationsstörungen im Schulalltag sein?
Es zeigt sich immer wieder, dass viele Lehramtsstudierende nicht wissen, wie sie sich in Konfliktsituationen verhalten sollen und sie scheuen sich, offen mit Konflikten umzugehen. Daher versuchen sie in der Regel, unangenehme Situationen zu vermeiden. Es ist daher wichtig, zunächst einmal zu verstehen, wie Konflikte funktionieren, wie Menschen in solchen Stresssituationen reagieren, wann und wie eine Bestrafung Sinn macht, usw. Denn wenn wir wissen, wie Menschen funktionieren, und uns bewusst wird, dass Konflikte eine ganz normale Erscheinung sind, dann können wir freier damit umgehen. Meistens fürchtet man sich vor Dingen, weil man sie nicht kennt oder nicht weiß, wie die Mechanismen sind. Die Studenten fürchten sich teilweise so stark vor Konflikten, dass sie sich in schwierigen Situationen gar nicht mehr damit beschäftigen können, wie sie den Unterrichtsstoff didaktisch sinnvoll und effektiv vermitteln können. Sobald ein Lehrer sich allerdings nicht mehr vor Konflikten fürchtet, wird er ruhig und selbstsicher damit umgehen können.
Oftmals befürchten die Lehramtsstudierenden – und erleben das auch – wie ihre eigenen Werte im radikalen Widerspruch zu den Vorstellungen stehen, die sie im Lehrberuf machen. Sie greifen dann auf konservative, normative, ja repressive Bezugssysteme zurück, die sie selbst erlebt haben.
Welche Vorstellungen haben die Studierenden von Schule?
Die Analyse dieser Vorstellungen – gerade von weiblichen Studierenden – bringt Bilder von Schule hervor, die Harmonie zeigen und frei von Spannungen und Konflikten sind. Brechen solche Auffassungen zum Zeitpunkt des Berufseintritts oder in den ersten Berufsjahren zusammen, ist das Risiko der Enttäuschungen, des individuellen Rückzugs und der Aufgabe der Ideale sehr hoch.
Neben Ihren Seminaren haben Sie im Oktober ein Symposium zum Thema organisiert. Die Referenten kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Professionen – von der Neurobiologie und den Politikwissenschaften, über die Rhetorik und Interkulturalitätsforschung bis hin zu einem französischen Jugendstrafrichter waren vertreten. Wie kommt es zu dieser Bandbreite an Themen?
Die Bandbreite der Disziplinen, aus denen die Referenten kamen, zeigt die Vielschichtigkeit des Themas Konflikt und Kommunikationsstörung. Ich arbeite in meinen Seminaren seit langem mit Neurobiologie, Philosophie und Psychologie. Die Methode, die ich seit vielen Jahren entwickelt habe, beruht auch auf Mediation, Neurobiologie und psychologischen Kenntnissen wie Analysen der Transaktion und Interaktion oder der Frage, was Anerkennung ist und welche Bedeutung sie hat. Und durch die Organisation von Mediationen in der Banlieue von Paris kenne ich den Jugendrichter Jean-Pierre Rosenczveig sehr gut.
Ein Jugendrichter im Uni-Seminar? Eine spannende Komponente…
Von ihm konnten die Studierenden auch sehr viel lernen. Ich persönlich bin ja spontan gegen Bestrafung. Aber er hat sehr anschaulich vermittelt, dass Bestrafung nichts Schlimmes ist, wenn man ein Kind damit nicht alleine lässt. Man muss sich viel Zeit für das Kind nehmen und es während der Bestrafung begleiten. Man muss ihm erklären, warum es bestraft wird und ihm gleichzeitig vermitteln, dass man es nicht aus der Gruppe ausschließen will. Eine Bestrafung muss man vielmehr als Reintegration in die Gruppe betrachten.
Wie geht es mit dem Thema nun weiter?
Ich biete in jedem Semester ein Seminar zur Konfliktbewältigung und Kommunikationsstörungen an. Wir gehen dabei von Fällen aus, die die Studierenden selbst schon erlebt haben. Diese bearbeiten wir auf zwei unterschiedliche Arten: mit der Suche nach Verhaltensalternativen über das Theater von Augusto Boal und mit der Analyse der Interaktionen. Denn in jeder Gruppe gibt es mindestens so viele Lösungswege aus einem Konflikt wie es Teilnehmer gibt.
Es gibt in Konfliktsituationen also keinen Königsweg sondern immer mehrere Lösungen?
Ja, es gibt immer Alternativen. Um das aufzuzeigen stoppen wir im Rollenspiel nach Boal das Theaterspiel an einer konfliktbeladenen Stelle und ein anderer Student übernimmt die Rolle des Protagonisten, der gerade ein Problem hatte und spielt so, wie er es intuitiv für richtig hält.
Kerstin Theilmann
Dr. habil. Jacqueline Breugnot ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für fremdsprachliche Philologien, Fach Romanistik. Ihre Arbeitsgebiete sind die Didaktik der interkulturellen Kommunikation, Kommunikationsanthropologie über Kommunikationsstrategien in internationalen militärischen Organisationen, Mehrsprachigkeitsdidaktik und interkulturelle Ausbildung sowie das trinationale Projekt „La formation interculturelle des einseignants de zone fronatlière“. Jacqueline Breugnot ist Mitglied eines Research-Networks der AILA (Intercultural mediation in language/cultural teaching and learning) und einer Forschungsgruppe der Université Laval de Québec.