Von wegen Kaninchenzüchterverein: Die Arbeit in einer Lokalredaktion einer Zeitung bietet jeden Tag neue Herausforderungen. Kulturwissenschaftsstudentin Lisa Engemann hat ein Praktikum bei der Rhein-Zeitung in Koblenz gemacht und festgestellt: Es sind die kleinen Themen, die eine große Rolle im Leben der Menschen spielen.
Die Rhein-Zeitung ist ein Produkt des Mittelrhein-Verlags in Koblenz. Sie ist eine der größten regionalen Tageszeitungen in Deutschland und erscheint seit 1946 an sechs Tagen die Woche – dafür sorgen fast 600 Mitarbeiter. Darunter sind auch über 100 Redakteure und Reporter, in deren Arbeitsalltag ich im Rahmen eines sechswöchigen Praktikums hineinschnuppern konnte. Alltag ist hier wahrscheinlich der falsche Begriff, denn die Arbeit in der Lokalredaktion ist alles andere als alltäglich: Was morgens noch auf der Agenda stand, kann abends ganz anders in den Druck gehen. Denn wie die Themen in der Zeitung erscheinen, hängt oft von den Menschen ab, mit denen sie zu tun haben. Im Lokalteil hat man wie in keinem anderen Ressort Kontakt zu den Menschen vor Ort. Das war für mich Reiz und Herausforderung zugleich. Außerdem wollte ich die “Basics” des journalistischen Handwerks erlernen – wo ginge das besser als bei einer Tageszeitung?
Sprung ins kalte Wasser
Die Serie
Die Arbeitswelt kennenlernen und Perspektiven ausleuchten – wer hier schon im Studium aktiv wird, dem fällt der Berufseinstieg oft leichter. Unsere Serie „Karriere“ informiert zu Möglichkeiten, sich auf den Lebensweg nach der Uni vorzubereiten.
Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Während ich am Anfang noch kaum etwas verstand, wenn in den Konferenzen von Seiten namens “B0101”, “Auslagerungen” und Textlängen von “100 Zeilen” gesprochen wurde, kannte ich am Ende die gängigsten Arbeitsabläufe und -begriffe. Nachdem ich in der ersten Woche ein paar Tage lang den Redakteuren über die Schulter geschaut hatte, wurde ich selbst Teil der Redaktion: Ich bekam Aufträge, die ich eigenverantwortlich bearbeiten sollte. Das bedeutete, Termine zu koordinieren, wahrzunehmen und in Form von Fotos und Texten umzusetzen. Außerdem Themen zu recherchieren oder Pressemitteilungen zu redigieren, das heißt, für die Zeitung passend zu schreiben.
Was mir als erstes gepredigt wurde: Texte in der Zeitung werden für den Leser geschrieben. Sie sollen weder besonders kunstvoll, noch besonders wissenschaftlich sein, sondern informativ und verständlich. Das klingt wirklich einfacher, als es ist. Es gibt viele Kleinigkeiten, die unklar formuliert oder überflüssig sein können und auch die Struktur ist eine Herausforderung. So kam es vor, dass ich einen ganzen Tag mit einem Text zubrachte. Aber die Redakteure nahmen sich die Zeit, um solche Fälle Satz für Satz mit mir durchzugehen. Sie hatten ein offenes Ohr für meine Ideen oder Fragen, ohne mich zu bevormunden. So fiel mir das journalistische Arbeiten von Auftrag zu Auftrag leichter. Bei jedem Termin vor Ort und bei jedem Text oder Foto konnte ich etwas lernen: Sei es beim Besuch eines englischsprachigen Philosophen, einem Telefonat mit einer alten Dame bezüglich ihres Leserbriefs oder am Wahlsonntag am 24. September, an dem die ganze Redaktion im Ausnahmezustand war.
Witze und Kuchen sind auch wichtig
Doch nicht nur am Wahlsonntag zogen alle in der Redaktion an einem Strang. Auch wenn jeder eigenverantwortlich arbeitete, tauschte man sich oft auf dem Flur aus, wo fast jeden Tag jemand etwas zum Naschen hinstellte. Mir wurde nach und nach klar, dass man ohne diese Gemeinschaftlichkeit so etwas Komplexes wie eine Zeitung, die jeden Tag um acht Uhr abends druckreif sein muss, gar nicht auf die Beine stellen kann. Es ist harte und nicht selten stressige Arbeit – mich hat immer wieder beeindruckt, mit welcher Routine die Redakteure in solchen Stresssituationen handeln. Sie hielten eine Balance zwischen der Ernsthaftigkeit ihrer Arbeit und einer gehörigen Portion Humor in Bezug auf Themen und Personen. Das schafft eine gute Arbeitsatmosphäre, in der ich mich sehr wohl gefühlt habe.
Freundlich und humorvoll, aber gleichzeitig sachlich und professionell zu kommunizieren war aber auch nach außen wichtig. Die Menschen, mit denen ich als Lokalreporterin zu tun hatte, waren sehr unterschiedlich und ich musste auch hier die Balance waren: Zu viel Nähe zum Interviewpartner wirkt unseriös, bei zu viel Distanz komme ich vielleicht nicht an die Informationen, die ich für einen spannenden Beitrag brauche. Nicht zu verachten ist auch die Aufbereitung der Informationen, die ich bei einem Termin gesammelt habe: Dann muss ich mich wieder in den Leser hineinversetzen, der nicht dabei war, und so schreiben, dass er es versteht.
Zwischen Leser und Informant
Als angehende Journalistin sehe ich mich als Vermittler zwischen den verschiedenen Menschen und ihren Themen. Dabei sind die Inhalte meines Studiums sehr hilfreich, denn der Reporter gibt den Ausschnitt einer Lebenswirklichkeit und damit einer Kultur wieder. Ich muss den Perspektivwechsel zwischen verschiedenen kulturellen Kontexten beherrschen und diese verstehen und einordnen können. Und das bei jedem Beitrag aufs Neue. Das begeistert mich seit dem Praktikum noch mehr an diesem Beruf: Ich kann vor einem Termin so viele “Hard Facts” sammeln, wie ich will – nachher habe ich immer etwas erfahren, was ich noch nicht wusste. Wie eine Stadtversammlung abläuft, wie ein Politiker Haustürwahlkampf macht oder was es bedeutet, tausende Kilometer zu Fuß zu gehen. Wenn ich solche Themen vermitteln konnte und sich dann ein Leser mit den Worten “super zu lesen, hat mich mitgenommen” bei mir meldet, ist das das schönste Erfolgserlebnis.
Das Praktikum hat mich auf meinem Weg in den Journalismus definitiv weitergebracht und ich kann es jedem empfehlen, der sich dafür interessiert. Als freie Mitarbeiterin kann ich jetzt noch weiter bei der Rhein-Zeitung Erfahrung sammeln – und natürlich hier im Uniblog: Als Campus-Reporterin ist man ja Lokaljournalist schlechthin.
Lisa Engemann