Ob im Studium oder im Beruf – Zweifel an der eigenen Fach- oder Jobwahl können besonders in stressigen Phasen vorkommen. Was aber, wenn dieser Gedanke einen nicht mehr loslässt? Studien zeigen, dass Menschen trotz Unzufriedenheit lieber in ihrem Job verharren, anstatt etwas zu ändern. Dr. Martin Sauerland, Wirtschaftspsychologe am Campus Landau und Autor des Buches Design your mind, kennt den Grund für dieses Phänomen: Dysfunktionale Denkmuster. Wie solche Denkblockaden entstehen und wie man sie überwinden kann, erklärt er im Interview.
Laut Ihren Studien zweifeln 60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer an ihrer Jobwahl und denken bis zu zweimal in der Woche über einen Wechsel des Arbeitsplatzes nach. Doch nur wenige setzen dieses Vorhaben in die Tat um. Warum?
Unzufriedenheit hat viele Quellen. Das können harte Faktoren sein, wie Konflikte mit Kollegen oder Kunden, Zeitdruck und Stress. Der Grad der Zufriedenheit hängt aber auch sehr eng mit den Ansprüchen und Erwartungen zusammen, die man selbst hat. Gerade bei Berufsanfängern gibt es das Phänomen des Jobschocks. Uni-Absolventen haben anfangs Idealmodelle im Kopf, die sie mit Elan und Leidenschaft umsetzen wollen. In der Realität sehen sie sich dann mit Routineaufgaben und äußeren Zwängen konfrontiert und stellen fest, dass sie nicht umsetzen können, was sie sich ursprünglich vorgestellt haben. Es kollidieren Anspruch und Wirklichkeit miteinander. So entsteht Unzufriedenheit und der Gedanke: „Warum habe ich mich bloß dafür entschieden?“
Was kann man gegen diese Enttäuschung tun?
Die Serie
Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Wir stellen Personen und Projekte vor, die im Dienst der Universität Koblenz-Landau die Forschung voranbringen.
An einem solchen Punkt stellen dysfunktionale Denkmuster eine Gefahr dar: Ich merke, dass ich meine eigenen perfektionistischen Ansprüche in diesem Job nicht erreichen kann und neige deshalb schnell dazu, zu resignieren und die Lust an der Arbeit zu verlieren. Besser ist, zu versuchen, Teile der ursprünglichen Vorstellungen umzusetzen und in kleinen Schritten eine Verbesserung zu erreichen. Es liegt in dem Moment in meiner Verantwortung, es nicht zu entwerten, dass es nur in kleinen Schritten voran geht.
Was, wenn die Unzufriedenheit dennoch weiter anhält? Wie groß ist unsere Leidensfähigkeit am Arbeitsplatz, bis wir etwas ändern?
Bei Menschen gilt immer das Trägheitsprinzip: Es braucht einen gewichtigen Anlass, damit man sein Verhalten ändert – und zum Beispiel den Job wechselt. Wenn jemand häufig über seine Arbeit jammert, heißt das noch lange nicht, dass er sich zeitnah auf die Suche nach einer neuen Stelle macht. Jammern reicht dafür nicht aus, es ist kein echter Anlass für einen Jobwechsel. Es dient vielmehr dazu, moralische Hilfestellung von anderen zu bekommen. Man hat ja auch keine Garantie, dass es in einem anderen Job besser wäre und es gibt meist auch positive Aspekte, die man seinem aktuellen Arbeitsplatz abgewinnen kann. Es ist also eine Gewichtungsfrage und es braucht schon einen enormen Impuls, um tatsächlich den Schritt zu wagen.
Ab wann ist dieser Punkt erreicht?
Spätestens, wenn die Situation krank macht, sollte man etwas ändern. Wenn man nicht mehr schlafen kann oder permanent Muskelverspannungen oder Kopfschmerzen hat, dann manifestiert sich der Leidensdruck im eigenen Gesundheitszustand. Das Hauptproblem liegt darin, dass wir Menschen ein ausgeprägtes Konsistenzstreben haben: Wir wollen weder andere noch uns selbst enttäuschen und sozialen Normen entsprechen. Gerade in Deutschland wird es als Versagen angesehen, wenn man etwas abbricht oder einen Job kündigt. In den USA etwa sieht das ganz anders aus, dort gilt man mit einem linearen Lebenslauf als total langweilige Person. In unserem Kulturkreis wird es als instabil gewertet, wenn man verschiedene Sachen ausprobiert.
Insbesondere wenn man noch jung ist und das Gefühl hat, dass man es in diesem Job nicht mehr aushält, darf man sich nicht von diesem Konsistenzstreben aufhalten lassen. Die nächsten drei bis fünf Jahre, in denen man noch einmal etwas Neues lernt, machen nicht so einen großen Unterschied aus im Vergleich zu den 35 oder 40 Jahren, die man im späteren Berufsleben ansammelt. Auch wenn man eine Weile das Falsche studiert hat, ist das keine vergeudete Zeit, denn man hat auch in dieser Zeit etwas gelernt. Und meist stärkt so eine Umorientierung die Loyalität gegenüber dem neuen Lebensweg: Man weiß dann ganz sicher, was man nicht will. Das ist auch etwas Wert. Der Mut zur Veränderung lohnt sich also auf alle Fälle.
Wie kann man erkennen, dass man in dysfunktionalen Denkmustern gefangen ist?
Es ist der falsche Weg, sich in einer Art Opferrolle einzurichten und die Dinge nur passiv über sich ergehen zu lassen. Oder sich in eine Abwehrhaltung zu begeben und permanent zu jammern und zu klagen, aber nichts aktiv zu gestalten. Wenn man es nicht schafft, zu einem lösungsorientierten Denken zu kommen, dann verharrt man in dem Teufelskreis der Unzufriedenheit. Man braucht also unbedingt eine attraktive Vision der Zukunft, die man erreichen will. Nur wenn man ein Ziel hat, kann man einen praktischen Handlungsplan entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen. Die Erfahrung zeigt aber, dass nur wenige Leute diesen Schritt gehen und sich stattdessen in der Opferrolle einrichten, weil es bequem ist.
Es wirkt sich sicher negativ auf meine Leistung im Studium oder im Beruf aus, wenn ich nicht zufrieden bin?
Wenn man wirklich erfolgreich sein will, kann man das nur mit einer Tätigkeit erreichen, an der man Spaß hat. Davon bin ich überzeugt. Immerhin verbringt man etwa 40 Jahre und 40 Stunden in der Woche mit seinem Job. Die langfristige Motivation, die man dafür aufbringen muss, kann man nur erreichen, wenn man etwas mit Leidenschaft tut. Zudem sollte man die Bequemlichkeit aufgeben. Wir beschäftigen uns am Institut im Moment mit dem Thema Entscheidungsstrategien und haben dafür unter anderem sehr erfolgreiche Persönlichkeiten aus den Bereichen Wirtschaft, Sport, Polizei und Soziales dazu befragt, welche Entscheidungskompetenzen sie für relevant halten und wie sie mit Fehlentscheidungen umgehen. Die Ergebnisse zeigen, dass erfolgreiche Personen bereit sind, etwas zu wagen. Wir nennen sie erfolgreiche Entscheider. In den Interviews mit ihnen kristallisiert sich heraus, dass Mut eine der wesentlichen Komponenten von Erfolg ist. Wenn man nicht den Mut hat, Fehler zu machen und etwas zu riskieren, kann man zum Beispiel keine Innovationen auf den Weg bringen. Das macht erfolgreiche Personen aus: Sie nehmen sich nicht als Opfer, sondern als Gestalter wahr und handeln im Sinne der eigenen Vision.
Was sind Ihre Handlungsempfehlungen für Menschen, die an ihrer aktuellen Studien- beziehungsweise Berufswahl zweifeln?
Man kann zum Beispiel über Nebenjobs neue Berufsfelder ausprobieren, ohne den Hauptjob gleich kündigen zu müssen. Ich würde zudem empfehlen, systematisch Informationen zu sammeln und mit Personen zu reden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Das kann einem bei der Entscheidung helfen.