Kolumne

Die kleine Griechin

Heute schreibt Campus-Reporterin Hannah Wagner. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

Heute schreibt Campus-Reporterin Hannah Wagner. Illustration: Designstudio Mathilda Mutant

In der Kolumne schreiben unsere Campus-Reporter, allesamt Studierende in Koblenz und Landau, unplugged aus ihrem Alltag. Heute berichtet Hannah Wagner vom Wiederkommen in Deutschland nach fünf Monaten in Griechenland und dem Leben hier, das einen manchmal mit seinen Anforderungen überrollt. 

Seit einer Woche bin ich zurück in Deutschland. Fünf Monate war ich in Griechenland, habe dort gearbeitet und gelebt. Als ich am Tag nach meiner Rückkehr den Weg vom Parkplatz zum Unigelände entlanglief, war ich aufgeregt wie im ersten Semester, wie ein Kind vor der ersten Schulstunde. Aber nicht freudig gespannt, sondern irgendwie verwirrt. Ich fühlte mich fehl am Platz, hatte das Gefühl, nicht hierher zu gehören, war ich doch so lange weg und mit den Gedanken noch im Süden in der Sonne.

Das AStA-Büro war mein erster Anlaufpunkt. Nach mehr als eineinhalb Jahren besuchte ich auch wieder ein Seminar (ich studiere jetzt im ersten Master-Semester). Essen in der Mensa, Freunde sehen, AStA-Sitzung, Fragen danach, wie es mir geht, ob wir bald was unternehmen, ob ich gut angekommen und froh bin, zu Hause zu sein?

Nein! Stop! So leicht ist das nicht.

Das Leben in Deutschland ist vollkommen anders, ich brauche Zeit, viel Zeit, um mich einzugewöhnen und anzukommen. Ich muss meine Sachen auspacken, die Erinnerungen an die Zeit in meinem Gedächtnis verstauen und abschließen. Mit jedem Teil, dass ich zu Hause aus den Koffern räume, verblassen meine Erinnerungen an die Zeit. Will ich das überhaupt?

Ein Leben wie im Film 

Seitdem zieht mein Leben wie ein Film an mir vorbei, ich trete auf als Protagonist einer Handlung, die ich weder beeinflussen kann noch will, die nach eigenen Regeln spielt. Die Hauptregel ist, dass es immer schnell gehen muss. Es muss alles jetzt direkt passieren, es muss auch immer alles perfekt sein und mit einer gehörigen Portion Ernst geschehen.

Auf Kreta ist das Leben ganz anders, die Uhren ticken langsamer, man hastet nicht so wie hier durchs Leben. Auch dort habe ich gearbeitet, und das nicht zu wenig, aber man schwebt eher mit seinem Leben mit, lässt sich treiben, wie ein Falter, der von Blume zu Blume segelt, dort einige Momente verweilt und dann weiter zieht. Auf Kreta funktionieren die Dinge auch, man ist nur in allem entspannter.

Diese Mentalität in meinem Alltag beizubehalten ist schwierig, bisweilen unmöglich. Mein Leben läuft hinter mir her, schubst mich nach vorn und treibt mich an. Ich haste den Zielen und Aufgaben hinterher, die es für mich bereithält, versuche alles zu erledigen, Erwartungen zu erfüllen. Bevor ich im Juni losgefahren bin, habe ich mich dem hingegeben, mich davon vereinnahmen lassen.

Einfach mal treiben lassen

Jetzt, nach der Rückkehr, bin ich entspannter, ich besinne mich auf wesentlichere Dinge. Wo ich sonst ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich einfach mal nichts getan habe, genieße ich jetzt die Zeit und lasse das Treiben um mich herum unbeachtet an mir vorbeiziehen. Ich habe einiges in meinem Leben geändert und bin vielleicht auch egoistischer geworden, weil ich meine Ziele verfolge und nicht jene, die mir andere vorgeben und die mich einengen.

Ehrlich gesagt bin ich selbst schon gespannt, wie lange ich diese Einstellung noch beibehalten kann. Denn noch bin ich wehmütig und mit meinen Gedanken in Griechenland. Ich würde am liebsten direkt wieder los und zurück.

Vor einigen Wochen hat mich jemand gefragt, warum ich nicht einfach bleibe, wenn es immer wieder so schwer ist, zu gehen? Das ist eine gute Frage. Abgesehen von der arbeitstechnischen Perspektivenlosigkeit als Kulturwissenschaftlerin auf Kreta: Wer reisen und andere Orte erfahren will, der muss auch eine Heimat haben, ein Zuhause, in das er zurückkehren kann.

Ein bisschen Griechenland in Deutschland

Einen kleinen Teil der greichischen Mentalität habe ich mitgebracht, die Entspanntheit und die Freude am Leben. Es ist mir egal, ob vor mir ein langsames Auto fährt, ob ich kurz an der falschen Stelle parke, ob vor mir eine lange Warteschlange ist, ob ich unbeantwortete E-Mails im Postfach habe oder ob ich wertvolle Arbeitszeit mit Sport und Freunden ausgefüllt habe. Es ist mir egal, wenn mein Leben etwas langsamer läuft, ich am Ende des Tages aber sagen kann, dass sich der Tag gelohnt hat und ich zufrieden bin, weil ich auch etwas für mich getan habe.

Die kleine Griechin in mir wird dann lächeln und stolz sein – auf mich und sich. Und sich darüber freuen, bald in den Süden zurück zu kehren.

2 Kommentare

  1. Lisa Thelen sagt

    Hallo Hannah,
    Ich kann deine Gedanken voll und ganz nachvollziehen. Ich bin auch gerade erst von einem viermonatigen Aufenthalt in Afrika zurück gekommen und stelle hier immer wieder fest, dass wir uns für nichts richtig Zeit nehmen. Alles muss schnell und möglichst direkt erledigt werden.
    Ich versuche allerdings, genau wie du, trotzdem einen Teil der Mentalität beizubehalten. Es lebt sich schon entspannter und schöner!

    • Hannah Wagner sagt

      Hallo Lisa,
      Danke für dein Kommentar. Es ist schön, dass es auch anderen so geht 🙂
      Es ist allerdings wirklich schwer, immer alles gelassen zu sehen, aber wir können es ja versuchen! Ich kann nur jedem empfehlen eine Zeit ins Ausland zu gehen und andere Mentalitäten und Kulturen zu entdecken. Sicherlich können wir alle gegenseitig eine Menge voneinander lernen.
      Beste Grüße,
      Hannah

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